Katholischer Dialogbeauftragter fordert Stellungnahme der Islam-Verbände

"Salafisten sind Integrationsgegner"

Die koranverteilenden radikalislamischen Salafisten werden bei der Plenumssitzung der Deutschen Islam Konferenz (DIK) heute nur am Rande Thema sein. Dr. Timo Güzelmansur von der Christlich-islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz erwartet im domradio.de-Interview dennoch eine deutlichere Stellungnahme der Islamverbände zum Thema.

 (DR)

domradio.de: Die Salafisten vertreten ein radikal-islamisches Verständnis und haben für Integration nichts übrig. Sie selbst sagen, Aufklärung ist nötig. Ist es also jetzt auch aus Ihrer Sicht die Aufgabe der muslimischen Verbände, an dieser Stelle aufzuklären?

Timo Güzelmansur: Ich stimme Herrn Schünemann zu, der die muslimischen Verbände zu Recht in die Pflicht nimmt, sich deutlich zum Thema Salafismus zu äußern. (Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte gefordert, die Koran-Aktion auf die Tagesordnung der Islamkonferenz zu setzen. Anm. d. Red.) Denn die muslimischen Verbände behaupten von sich, 85% der organisierten Muslime in Deutschland zu vertreten. Deshalb sollten sie ihren Gemeinden und Mitgliedern auch erklären, in welchen Punkten oder Glaubenslehren sie die salafistische Lehre nicht teilen. Sie sollten aber auch der Mehrheitsgesellschaft erklären, weshalb sie die Koran-Verteilaktion durch die Salafisten ablehnen, und sich deutlich davon distanzieren.



domradio.de: Hat Ihrer Meinung nach eine deutliche Distanzierung der muslimischen Verbände noch nicht stattgefunden?

Güzelmansur: Es gab einzelne Stimmen, aber ich erwarte eine deutlichere Stellungnahme, und zwar was die Lehre angeht: Weshalb man die salafistische Koranauslegung zum Beispiel ablehnt und weshalb diese Lehre mit der Mehrheit des muslimischen Glaubens in Deutschland nicht übereinstimmt.



domradio.de: Heute beginnt die Islamkonferenz. Auch vor dieser Runde gibt es wieder Ärger. Vor allem wegen der Aussagen von Bundesinnenminister Friedrich von der CDU - er ist Schirmherr der Konferenz. Für Aufregung hatte vor wenigen Monaten auch eine Studie aus seinem Ministerium gesorgt. Damals ging es um die verkürzte Aussage: Ein Großteil der Muslime ohne deutschen Pass wollten sich nicht in Deutschland integrieren. Hat diese Studie die Stimmung vergiftet und hat das Folgen für die Konferenz heute?

Güzelmansur: Vielleicht war das damals von Bundesinnenminister Friedrich voreilig, die Ergebnisse der Studie so zu präsentieren. Das hat unter Muslimen für Verstimmung gesorgt. Die Studie macht aber auf ein Problem aufmerksam, das man nicht verschweigen kann, und zwar dass unter muslimischen Jugendlichen - die Studie spricht von rund 25% - ohne deutschen Pass, also ein kleiner Teil, kein Interesse an Integration bestehe. Wir wissen, dass die Mehrheit der Muslime in Deutschland gut integriert ist bzw. sich um ein besseres Miteinander bemüht. Nichtsdestotrotz gibt es eine Gruppe von Integrationsgegnern, wie etwa die Salafisten, die wahrscheinlich Zustimmung aus der in der Studie genannten Gruppe erhalten und wohl auch dort ihren Nachwuchs rekrutieren. Also, der Bundesminister wäre gut beraten, wenn er sich zum Beispiel die Tagesordnung für die Islamkonferenz heute nicht durch die Salafisten diktieren lässt. Allerdings wäre es auch falsch, die Situation zu ignorieren. Deswegen erwarte ich für heute eine lebhafte Diskussion auf der Islamkonferenz, auch bei all diesen kontroversen Themen.



domradio.de: Die Muslimverbände sind bisher eher enttäuscht, was das Ziel der Konferenz angeht. Es sei nichts dabei herumgekommen, sagen viele Kritiker. Teilen Sie diese Skepsis?

Güzelmansur: Ich teile diese Skepsis nicht, weil die Islamkonferenz seit ihrer Gründung unter Dr. Schäuble im Jahre 2006 viel Gutes bewirkt hat. Ohne diese Initiative wären wir in vielen Punkten nicht weitergekommen. Man könnte hier die Stichpunkte Religionsunterricht und Gründung der islamischen Zentren an deutschen Universitäten erwähnen. Auch die Gründung des KRM, des Koordinierungsrates der Muslime in Deutschland mit den großen islamischen Verbänden wäre - vorsichtig gesagt - unter den Ergebnissen der deutschen Islamkonferenz zu verzeichnen. Also seit der Einrichtung dieser deutschen Islamkonferenz hat sich bis heute einiges bewegt und ohne dieses Gremium wären wir bei einigen Feldern und Themen nicht so weit gekommen, wie wir heute sind.



domradio.de: Dennoch gibt es ja einige Verbände, die sich inzwischen sogar komplett aus der Konferenz verabschiedet haben, zum Beispiel der Zentralrat der Muslime. Wie könnte eine Weiterentwicklung dieses Gremiums aussehen?

Güzelmansur: Wenn man sich an einen Tisch zusammensetzt und über diese kontroversen Themen diskutiert, sei es Religionsunterricht, sei es Imamausbildung, dann ist es wichtig, dass man die andere Seite auch versucht zu verstehen, um Missverständnissen möglichst vorzubeugen. Und daher erwarte ich eine große Offenheit von allen Teilnehmern, auch von denen, die sich von der Runde verabschiedet haben. Ich denke, sie sollten noch einmal ihre Entscheidung überdenken, ob die Islamkonferenz nicht eine gute bzw. angemessene Atmosphäre bietet, um über diese Themen zu sprechen.

Das Interview führte Stephanie Gebert.

Informationen zu Timo Güzelmansur

Cibedo ist die Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz mit der Aufgabe, den christlich-islamischen Dialog, sowie das Zusammenleben von Christen und Muslimen zu fördern. Cibedo ist die Abkürzung für "Christlich-Islamische BEgegnungs- und DOkumentationsstelle" in Frankfurt am Main. Cibedo dokumentiert die Entwicklung islamischen Lebens in Europa (Schwerpunkt Deutschland), Fragen zur Integration muslimischer Migranten, Beiträge zu aktuellen islamwissenschaftlichen Themen und Stellungnahmen aus dem muslimischen, christlichen und akademischen Bereich.  



Hintergrund

Die radikalislamischen Salafisten werden bei der Plenumssitzung der Deutschen Islam Konferenz (DIK) am Donnerstag nur am Rande Thema sein. Das Programm für die Berliner Tagung werde nicht geändert, meldete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"

(Mittwoch) unter Berufung auf das Bundesinnenministerium. Die Massenverteilung von Gratis-Koranen durch Salafisten solle jedoch angesprochen werden. Islam- und Migrantenverbände kritisierten die Extremisten, die einen Gottesstaat mit der Scharia als Gesetz propagieren. Sie warnten aber auch vor Hysterie. Unterdessen kündigte die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika an, sie wolle aus der Konferenz austreten, weil sie keine Fortschritte mehr erwarte.



Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hatten eine Änderung der Tagesordnung gefordert. Stattdessen steht nun wie geplant der Aspekt "Geschlechtergerechtigkeit" im Vordergrund. Dazu soll es bei der Konferenz eine Resolution gegen Benachteiligung von Frauen und häusliche Gewalt geben.



Die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) kritisierte laut FAZ die Themensetzung. Sie sagte: "Das vermittelt ein falsches Signal und impliziert, dass es im Islam keine Gleichberechtigung gibt."



Der Vorsitzende des Islamrats und turnusmäßige Sprecher des Koordinationsrats der Muslime (KRM), Ali Kizilkaya, riet in der Berliner "tageszeitung" zur Besonnenheit gegenüber Salafisten. "Die Politik schenkt dieser Gruppe zu viel Aufmerksamkeit", so Kizilkaya.

Es gebe keinen Grund zur Panik. Die Salafisten seien eine marginale Gruppe, "die durch die aktuelle Debatte nur aufgebauscht wird".



Die Soziologin Necla Kelek beklagte hingegen in der FAZ, es gebe bei den islamischen Verbänden "keine Empörung und kaum Hinweise auf die antidemokratischen Ziele" der Salafisten. Anstatt sich mit deren religiösem Eifer auseinanderzusetzen, treibe den KRM "nur die Sorge um ein weiteres "belastendes Diskussionsfeld"". Die Muslime rief sie auf, sich bei der Konferenz klar gegen die Scharia als Straf- und Familienrecht zu erklären.



Unterdessen lobte der integrationspolitische Sprecher der Grünen, Memet Kilic, die Entscheidung von Bundesinnenminster Hans-Peter Friedrich (CSU), die Salafisten nicht auf die Tagesordnung zu nehmen. Sie müssten als Sicherheitsproblem behandelt werden, "nicht als Problem des Islams in unserem Land", erklärte Kilic in Berlin.

Mit der "Gleichberechtigung der Frau im Islam" stehe ein sehr wichtiges Thema auf dem Programm.



Kritik an der Entscheidung kam vom Zentralrat der Ex-Muslime. Die Salafisten seien zwar überschaubar, aber keineswegs harmlos. Sie nutzten geschickt die Probleme von Jugendlichen und verbreiteten einfache Hassbotschaften gegen Fremde, Ungläubige und Frauen, sagte die Vorsitzende des Rates, Mina Ahadi, der "Leipziger Volkszeitung" (Donnerstag). Besonders Grüne und Linke wollten das nicht wahrhaben und handelten grob fahrlässig.



Zuspruch für den bisherigen politischen Umgang mit den Salafisten äußerte in der Zeitung die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG).

"Keine Hysterie verbreiten, aber wachsam bleiben und keine Straftaten dulden", fasste DPolG-Vorsitzender Rainer Wendt die Linie zusammen.



Die Bochumer Islamwissenschaftlerin Armina Omerika erklärte nach Medienberichten ihren Austritt aus der DIK. Sie erwarte sich unter Bundesinnenminister Friedrich "keine Fortschritte mehr", sagte sie der "taz" (Donnerstag). Durch seine "notorischen Ausfälle" habe er gezeigt, wie wenig er sich mit dem Thema auseinandersetze, so Omerika.