Kirchen und Verfassungsschutz warnen vor kostenloser Koran-Verteilung durch Salafisten

"Es geht um Propaganda"

Trotz aller Kritik: Die Salafisten wollen an der Verteilung des Koran festhalten. In fast 40 Städten will die radikal-islamische Gruppe an diesem Samstag stehen. Das Ziel: insgesamt 25 Millionen Exemplare an Mann und Frau bringen. Der Verfassungsschutz warnt vor der Aktion, auch die Kirchen sind skeptisch.

 (DR)

Das berichtet am Freitag (13.04.2012) die Zeitung "Die Welt" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Unter anderem sollen die Bücher in Hamburg, Berlin, Kiel, Wiesbaden und Darmstadt unter die Leute gebracht werden. Insgesamt wollen die Salafisten unter dem Motto "Lies!" 25 Millionen Exemplare des Koran verschenken.



Der Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz, Bodo W. Becker, sieht in der Aktion Propaganda der Salafisten. "Koran-Verteilung ist das falsche Stichwort", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitagsausgabe): "Es geht hier um salafistische Propaganda und die Rekrutierung von Anhängern. Der Koran ist nur ein Vehikel." Salafisten stellten Grundelemente der freiheitlichen Demokratie infrage, betonte Becker. "Dazu kommt noch die ambivalente Positionierung gegenüber Gewalt."



Becker verwies auch auf eine frühere Äußerung des Verfassungsschutz-Präsidenten Heinz Fromm: "Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist; aber jeder uns bekannte Terrorist war irgendwann einmal in salafistischen Zusammenhängen unterwegs." Dieser Satz habe nach wie vor Gültigkeit, sagte der Sprecher der Verfassungsschutz-Behörde.



Grundsätzlich sei gegen eine Verteilung des Korans nichts einzuwenden, erklärte der Islambeauftragte der Evangelischen Kirche von Westfalen, Gerhard Duncker, der in Bielefeld erscheinenden "Neuen Westfälischen" (Freitagsausgabe). Aufgabe des Rechtsstaates sei es jedoch, verfassungsfeindlichen und die Menschenrechte missachtenden Gruppierungen Einhalt zu gebieten. Christen müssten sich vor dem Koran nicht fürchten, führte Duncker aus. "Wir sind offen für den Dialog mit Muslimen", fügte der Theologe hinzu, der auch mehrere Jahre Auslandspfarrer in der deutschsprachigen Gemeinde in der Türkei war. Glaubensvermittlung lebe von der Tiefenschärfe des Gesprächs, wird das Erzbistum Paderborn in der Zeitung zitiert. Wenn so etwas aufgenötigt werde, grenze das an Respektlosigkeit.



Beckstein fordert gleiche Rechte für Christen

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) forderte angesichts der Koran-Verteilung in Deutschland die gleichen Rechte für Christen in islamischen Ländern. "Wenn Christen in islamischen Ländern, insbesondere dort, wo Salafisten die Macht haben, versuchen würden, die Bibel zu verteilen, dann zöge das allerschwerste Strafen nach sich - bis hin zur Todesstrafe", sagte Beckstein der "Passauer Neuen Presse" (Freitagsausgabe). Dies sei ein auffälliges Missverhältnis. "Unsere freiheitliche Gesellschaft wird ausgenutzt, aber selbst verhält man sich gegenüber Christen äußerst restriktiv."



Der integrationspolitische Sprecher der FDP, Serkan Tören, forderte unterdessen die Ausweisung radikaler Islamisten. "Nichtdeutsche Salafisten, die gegen die Verfassung verstoßen, müssen ausgewiesen werden", sagte der Politiker, der selbst Muslim ist, "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Salafisten würden zu Recht vom Verfassungsschutz überwacht. Weder der Koran noch der Islam stünden jedoch im Widerspruch zur freiheitlichen Grundordnung.



Aktion läuft schon seit Oktober

Nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden läuft die in der Öffentlichkeit umstrittene Verteilung bereits seit Oktober mit regionalen Schwerpunkten in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Initiator der Aktion ist der Kölner Ibrahim Abou-Nagie.



Vom Protest deutscher Parteien gegen die Aktion und von der Empörung über Drohvideos gegen Journalisten im Internet zeigte sich Abou-Nagie unbeeindruckt. "Bei Allah, dieses Koranprojekt ist das Beste, was ich und dieses Land jemals gesehen haben", sagte er laut "Welt". Nach Informationen der Zeitung rief er zudem seine Anhänger auf, durchzuhalten und weiter Koranexemplare zu verteilen. Die Druckerei Ebner & Spiegel aus Ulm hat allerdings die Auslieferung vorübergehend gestoppt und prüft ihr weiteres Vorgehen.