Historiker sieht schwierigen Umgang mit Gotteslästerung

Blasphemie von der Antike bis heute

Wer lästert Gott wie und wann und mit welchen Konsequenzen? Die Geschichte der Blasphemie gibt viel über gesellschaftliche Werte und ihren Wandel preis, wie der Historiker Gerd Schwerhoff zeigt.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Symbolbild Religionsfreiheit / © Marina Danilenko (shutterstock)
Symbolbild Religionsfreiheit / © Marina Danilenko ( shutterstock )

Gotteslästerung und die Verletzung religiöser Gefühle kann einen immer noch das Leben kosten. Die Gefahr ist in den vergangenen Jahren sogar wieder größer als kleiner geworden, selbst in Europa.

Der Terroranschlag auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" vom Januar 2015 ist nur ein traurig-berühmtes Beispiel dafür. Dabei hatte das Phänomen Blasphemie schon fast ein bisschen Staub angesetzt, in immer säkularer werdenden Gesellschaften schien die "Geschäftsgrundlage" mehr und mehr abhanden zu kommen.

Wendepunkt 1989

Den Wendepunkt macht der Dresdner Historiker Gerd Schwerhoff 1989 fest: Als der iranische Ayatollah Khomeini sein Todesurteil über Salman Rushdie und alle seine Unterstützer veröffentlicht - weil dieser mit seinem Roman "Die satanischen Verse" die heiligen Güter der Muslime verächtlich gemacht habe. Wenig später eröffnete Samuel P. Huntington mit seinem Bestseller "Kampf der Kulturen" (1996) eine kontroverse Debatte über widerstreitende kulturelle und religiöse Identitäten, den Gegensatz zwischen "der" westlichen Welt und "dem" Islam.

Das Motiv der Gotteslästerung sei dabei in den folgenden Jahrzehnten ein Kristallisationspunkt des vermeintlichen Kulturkonflikts zwischen Orient und Okzident geblieben, konstatiert Schwerhoff in seinem neuen Buch "Verfluchte Götter. Die Geschichte der Blasphemie".

Auf knapp 530 Seiten schlägt der Professor für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Dresden den Bogen von der Antike bis in die Gegenwart - und schließt mit seiner umfassenden Darstellung eine Forschungslücke. Dabei zeigt er zum einen: Mögen die jüngeren Blasphemie-Fälle auch Ausdruck interkultureller Konflikte sein, so folgen doch viele Erscheinungsformen von Schmähung und Herabsetzung des Heiligen und Religiösen altbekannten Mustern. Zum anderen macht Schwerhoff deutlich, was Debatten über Bestrafung oder Tolerierung der Lästerer jeweils über die zeitgenössischen Machtverhältnisse und kollektiven Mentalitäten aussagen.

Glaube an einen Gott

Und es ist der Monotheismus, der Glaube an einen Gott, der mit dem Phänomen Blasphemie an Fahrt aufnimmt. Schwerhoff erläutert: "Es ist zwar kein exklusives Merkmal der monotheistischen Religionen, aber tatsächlich gewinnt die Blasphemie ihre eigentliche Bedeutung und Schärfe durch den unbedingten Wahrheits- und Treueanspruch des einen Gottes."

So finden sich an mehreren Stellen der Bibel diesbezüglich klare Worte, am deutlichsten im Alten Testament, im dritten Buch Mose: "Wer den Namen des Herrn schmäht, hat den Tod verdient, die ganze Gemeinde wird ihn steinigen" (Leviticus 26,16).

Blasphemie diente, wie Schwerhoff ausführt, im frühen Christentum auch als "Identitätsgenerator" durch die Abgrenzung und Herabsetzung von anderen Göttern und Religionen. Lästerungsvorwürfe wurden aber auch innerhalb des Christentums gezielt eingesetzt, um etwa gegen mittelalterliche Ketzerbewegungen oder später die Reformation Front zu machen.

Zugleich trat im Mittelalter das "Problem" zutage, dass blasphemisches Reden völlig selbstverständlich zum Alltag der Menschen gehörte. Der Fachterminus der "Zungensünden" kam auf, und manch sündige Zunge wurde zur Strafe öffentlich an einen Balken genagelt, samt Sünder. "Das abendländische Christentum war so stark blasphemisch gefärbt, wie kaum eine andere Religion, bis heute unterscheidet es sich dadurch stark zum Beispiel vom Islam", konstatiert Schwerhoff.

Grenzverläufe zwischen Heiligem und Profanem

Bemerkenswert ist auch der Wandel, wie die Sanktionierung von Gotteslästerung von kirchlicher und weltlicher Seite begründet wurde.

So erklärte 1675 ein englischer Richter, Religion müsse gegen Gotteslästerer in Schutz genommen werden, weil sie die Grundlage der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung darstelle. Je weiter die Moderne schließlich voranrückte, umso häufiger wurde Blasphemie auch als legitime Form der Kritik an Macht- und Herrschaftsverhältnissen gesehen.

Nicht zuletzt dank zahlreicher illustrer Beispiele ist es überaus erhellend, bei der Lektüre mit Schwerhoff zusammen die Grenzverläufe zwischen Heiligem und Profanem durch die Jahrhunderte hindurch abzuschreiten.


Quelle:
KNA