Erste Muslima im US-Kongress - Antwort auf Trump

Aus dem Flüchtlingslager ins Repräsentantenhaus

Ilhan Omar ist eine von hundert Frauen, die im Januar in den US-Kongress einziehen. Als Muslima und Ex-Flüchtling verkörpert sie den amerikanischen Traum.

Autor/in:
Bernd Tenhage
 (DR)

Sie ist alles, was Donald Trump nicht ist: eine Frau mit dunkler Hautfarbe, die den Demokraten angehört und als Muslima einen Hijab trägt. Die 36-jährige Ilhan Omar wanderte mit ihren Eltern als Teenager aus einem Flüchtlingslager in Somalia in die USA ein. Im Repräsentantenhaus in Washington vertritt sie künftig ihren Wahlbezirk in Minnesota.

"Hier begrüßen wir nicht nur Einwanderer, wir schicken sie sogar nach Washington", rief die frischgewählte Kongressabgeordnete ihren jubelnden Anhängern in der Wahlnacht Anfang November zu, als sie Geschichte schrieb. Ausgerechnet in Trumps Amerika zieht erstmals eine Frau muslimischen Glaubens auf den Kapitolhügel.

Unter Planen gehaust

Omar ist die Antwort der Wähler auf Muslim-Bann, Mauer und Trumps Politik der geschlossenen Tür, die seit zwei Jahren versucht, das Gesicht der USA zu verändern. Sie kam als jüngstes von acht Geschwistern im Bürgerkriegsland Somalia zur Welt und verbrachte vier Jahre im Flüchtlingslager von Dadaab im Osten Kenias.

Die frühere Nachbarin Faduma Kuusow erinnert sich an die notdürftige Unterkunft der Omars, die unter Planen hausten, die sie über ein Stangengerüst gezogen hatten. "Die Lagersicherheit war eine Katastrophe. Mädchen und Frauen wurden vergewaltigt." Fließendes Wasser gab es nur selten, der Schulunterricht für die Lagerkinder fiel für volle zwei Jahre aus. Ilhan sei sehr schüchtern gewesen, so die etwas ältere Kuusow. "Sie sprach nicht viel."

Vom Kriegsflüchtling zur Direktorin und Politikerin

1995 siedelte die Familie in die USA über. Die erste Station führte sie nach Arlington in Virginia. Die damals 13-Jährige sprach kein einziges Wort Englisch. Zwei Jahre später dann der Umzug nach Minneapolis. Hier besuchte sie die Edison High School, studierte später an der North Dakota State University Politik und Internationale Beziehungen.

2015 übernahm die ehrgeizige Frau Führungsverantwortung und avancierte zur politischen Direktorin des "Women Organizing Women Network". Ein Jahr später zog sie in das Parlament des Staates Minnesota ein. In ihrem Stimmbezirk lebt die größte somalische Gemeinschaft in den USA.

"Trump ein Tyrann"

Für US-Präsident Donald Trump findet die inzwischen dreifache Mutter deutliche Worte. Er sei ein "abstoßender Tyrann", der eine "hetzerische Politik" betreibe. In die Nesseln setzte sie sich mit unvorsichtiger Kritik an Israel. So twitterte sie 2012 unter dem Eindruck israelischer Luftbombardements auf Palästinenser, sie hoffe, Gott erwecke die Menschen aus ihrer Hypnose und helfe ihnen, "die bösen Taten zu sehen".

Noch Mitte dieses Jahres hielt ihr ein jüdischer Kolumnist vor, eine "Juden-Hasserin" zu sein. Omar hält solche Vorhaltungen für "unbegründet". Sie sieht vielmehr anti-muslimische Vorurteile dahinter. Im Wahlkampf warb sie für die Zweistaaten-Lösung in Nahost.

Der "rechtmäßige Platz" Israels in der Region müsse anerkannt werden.

Von Boykottmaßnahmen gegen Israel hat sie sich im August ausdrücklich distanziert.

Bereits Akzente gesetzt

Wie die meisten neugewählten Frauen der Demokraten gilt sie als Vertreterin des linken Lagers. Ein Mindestlohn von 15 Dollar gehört zu einer ihrer Kernforderungen, ebenso staatliche Hilfen für Studenten aus armen Familien. Schon bevor sie am 3. Januar offiziell in das Repräsentantenhaus einzieht, setzt Omar Akzente. Anfang der Woche reichten die Demokraten einen Antrag ein, der im neuen Kongress das Tragen religiöser Kopfbedeckungen gestatten soll. Die Hijab-Trägerin hat maßgeblich an dem Vorhaben mitgewirkt. Mit ihrer Karriere in ihrer zweiten Heimat genießt die zierliche Frau nicht nur im demokratischen Lager Anerkennung. Auch die alte Heimat ist stolz auf das Flüchtlingskind, das es bis nach Washington geschafft hat.

"Ihre Stimme im Kongress repräsentiert die Minderheiten, und Flüchtlinge sind Minderheiten", so der Cousin ihres Vaters, Omar Sheikh Ahmed, der immer noch im Flüchlings-Camp Dadaab lebt. Und ihre alte Nachbarin Kuusow wünscht sich nichts mehr als ein Wiedersehen.

"Bitte komme uns hier in Dadaab besuchen."


Quelle:
KNA