Bischöfe und Gauck eröffnen bundesweite Interkulturelle Woche

Flüchtlingspolitik mit Vernunft und Mitgefühl

Mit einem ökumenischen Gottesdienst im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck ist am Sonntag im Mainzer Dom die 40. bundesweite Interkulturelle Woche eröffnet worden. Sie hat das Motto "Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt".

Bundespräsident Gauck / © von Erichsen (dpa)
Bundespräsident Gauck / © von Erichsen ( dpa )

Bei einem anschließenden Festakt in der Mainzer Staatskanzlei rief Gauck zu einem von Vernunft und Mitgefühl geleiteten Umgang mit dem Zuzug von Flüchtlingen auf. "Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich", betonte Gauck. Er mahnte eine weder von Ängsten noch von Träumereien bestimmte breite gesellschaftliche Debatte darüber an, wie eine humane Aufnahmepolitik auch künftig gesichert werden könne.

Es gelte, die Spannung zwischen Wollen und Können zu erkennen und in diesem Konflikt kluge Entscheidungen zu treffen. Gerade weil das so schwer sei, sollte allen, die es versuchten, Respekt gelten. Gauck äußerte die "dringende Bitte", dass sich "die Besorgten und die Begeisterten" nicht gegenseitig denunzierten und bekämpften, sondern sich in einem konstruktiven Dialog begegneten.

Gauck: Ordnung, Flexibilität und Phantasie

Der Bundespräsident machte deutlich, dass die Bewältigung der mit dem Zuzug der Flüchtlinge verbundenen Herausforderungen Geld, Zeit und Mühe kosten werde. Er sprach von einer Kraftanstrengung, wie sie die Bundesrepublik selten habe meistern müssen. Nach Ansicht Gaucks werden auch unpopuläre Entscheidungen und unbequeme Schritte notwendig werden. Die Bewältigung der gestellten Aufgaben aber könne gelingen. Eine der Voraussetzungen dafür ist nach Gaucks Worten, "dass der Zustrom der Schutzsuchenden besser steuerbar wird".

Der Staat müsse eine sehr große Gruppe von Neuankömmlingen mit dem Nötigsten versorgen und ihnen, falls sie blieben, Chancen eröffnen. Was jetzt gebraucht werde seien neben Ordnung auch Flexibilität und Fantasie. Es gehe darum, eine kreative Haltung zu fördern, die nicht sage, warum etwas unmöglich sei, sondern frage, wie es möglich werde. In Erinnerung an die Nazi-Zeit äußerte der Bundespräsident, dass es die Menschen in Deutschland freuen dürfe, dass aus dem Land, aus dem vor einem Menschenleben Hunderttausende hätten fliehen müssen, ein Zufluchtsort geworden sei.

Europäische Aufgabe

"Was vor uns liegt, ist im Übrigen nicht allein eine Aufgabe für uns Deutsche", sagte Gauck. Vielmehr hätten die Europäer sie gemeinsam zu meistern - nicht mit Schuldzuweisungen, sondern in Solidarität. Die Beschlüsse des jüngsten Flüchtlingsgipfels der europäischen Staats- und Regierungschefs nannte Gauck einen ersten Schritt dazu.

Mit Blick darauf, dass unter den Flüchtlingen auch Menschen sein könnten, die Konflikte aus ihrer Heimat in Deutschland weiterführen wollten, sagte Gauck: "Wir wollen in diesem Land keinen religiösen Fanatismus. Gotteskrieger müssen wissen: Der Rechtsstaat duldet keine Gewalt. Er wird die Täter konsequent verfolgen." Das gelte auch für jene Gewalttäter, die Flüchtlingsheime anzündeten

Gelebte Gemeinsamkeit

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, rief im Eröffnungsgottesdienst dazu auf, den nach Deutschland kommenden Flüchtlingen von Anfang an aussichtsreiche Bildungs- und Berufsperspektiven zu eröffnen und ihnen eine aktive Teilhabe am Gemeinwesen zu ermöglichen. Ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft gelinge auf Dauer nur durch erfahrene und gelebte Gemeinsamkeit, durch Begegnung, Teilhabe und Integration.

Ausdrücklich dankte Marx allen, die in den vergangenen Wochen und Monaten dafür gesorgt hätten, dass der Ansturm von Flüchtlingen habe bewältigt werden können. Sein besonderer Dank galt den ehrenamtlichen Helfern in der Flüchtlingsarbeit. Sie hätten mit ihrer spontanen Hilfsbereitschaft ein überwältigendes Bild von Gast- und Menschenfreundlichkeit gezeichnet. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, betonte, die gottgegebene unveräußerliche Menschenwürde gelte allen. Es gebe keine spezielle Christenwürde. Es gehe darum, die Würde aller Menschen zu bewahren.

Kardinal Lehmann: Segensreiche Einrichtung

In einem Grußwort an die Teilnehmer des Gottesdienstes in seiner Mainzer Bischofskirche bezeichnete Kardinal Karl Lehmann die Gründung der Interkulturellen Woche vor 40 Jahren als segensreich. Mit Blick auf das aktuelle Motto "Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt" sagte der Kardinal, diese Einsicht sei eine wesentliche Voraussetzung für eine größere Teilnahme aller Menschen hierzulande an den allgemeinen Rahmenbedingungen zur Gleichberechtigung.

Der Gottesdienst stand unter dem biblischen Leitwort "Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob". Die Kollekte soll der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Mainz zugutekommen. An den Gottesdienst schloss sich ein Festakt in der Mainzer Staatskanzlei an. Dazu hatten die Kirchen, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (beide SPD) eingeladen.

Die vormals als Woche der ausländischen Mitbürger bezeichnete jährliche Interkulturelle Woche ist eine Initiative der beiden großen Kirchen und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie in Deutschland. Sie zielt darauf, Vorurteile gegenüber Ausländern abzubauen und will für eine gemeinsame Zukunft werben. Der Freitag der Interkulturellen Woche ist jeweils "Tag des Flüchtlings".

 


Quelle:
KNA