Wann der Spaß über Gott und Religion aufhört

Ein schmaler Grat zur Blasphemie?

Wie weit dürfen Witze, Karikaturen oder Satire über Gott und Religion gehen? Und wann ist es Gotteslästerung? Zum Tag der Blasphemie spricht der Diakon und Kabarettist Willibert Pauels über Grenzen und unheilbringende Paragrafen.

Karikaturen-Ausstellung über den Tod / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Karikaturen-Ausstellung über den Tod / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie weit darf man gehen, wenn es um Gott und Verunglimpfungen geht?

Wilibert Pauels (Diakon und Kabarettist): Satire darf alles. Gott kann man nicht beleidigen, sondern man beleidigt Menschen, die an Gott glauben und denen das heilig ist. Gott kann man nicht beleidigen, sonst würde man ihn zu einem Monarchen degradieren, der darauf achtet, dass keine Majestätsbeleidigung geschieht. Und wenn Majestätsbeleidigung geschieht, dann wäre dieser Gott beleidigt. Das macht ihn klein. Aber Gott ist größer als alles und natürlich auch größer als jede Beleidigung.

Aber es geht eigentlich darum, dass Menschen in ihrem Empfinden, was ihnen heilig ist, beleidigt werden. Das ist von daher natürlich ein schmaler Grat.

Allerdings halte ich den Blasphemie-Paragrafen, den es ja in vielen, vor allen Dingen fundamentalistischen und islamistischen Systemen gibt, für einen der schlimmsten Paragrafen überhaupt. Denn er öffnet Tür und Tor für Diffamierung. Dafür gibt es viele Beispiele wie unter anderem Pakistan. Dort sitzen viele Menschen im Gefängnis, manche sogar zum Tode verurteilt, weil sie beschuldigt wurden, den Propheten oder Allah beleidigt zu haben.

Von daher hätte ich mir gewünscht, dass alle Zeitungen zum Jahrestag des Anschlags auf das Satiremagazin Charlie Hebdo eine Karikatur des französischen Magazins zum Gedächtnis nachgedruckt hätten. Man hätte damit ganz deutlich zum Ausdruck bringen können, dass es niemals ein Grund sein darf, Menschen zu verfolgen, wenn sie die eigene Religion beleidigen. Das muss man um der Menschen willen aushalten.

DOMRADIO.DE: Wann ist denn vielleicht doch eine Grenze überschritten?

Pauels: Ich sage ich immer "in dubio pro reo" (Latein: "Im Zweifel für den Angeklagten", Anm. d. Red.). Die Freiheit - vor allen Dingen auch der Satire - muss geschützt werden. Denn sobald man sie einschränkt, kommt man ganz schnell dahin, ein totalitäres Regime aufzubauen.

Ich möchte ein ganz konkretes Beispiel nennen. Ich bin kein Freund von Charlie Hebdo, weil es wirklich oft verachtende und beleidigende Karikaturen sind, die sich nicht nur gegen den Islam richten. In einer Ausgabe von Charlie Hebdo war mal eine Karikatur gezeichnet, in der Papst Johannes Paul II. einem Gläubigen ein blutiges Kondom als Kommunion reichte. Das ist natürlich – Entschuldigung für die Ausdrucksweise – unter aller Sau. Aber trotzdem würde ich niemals auf die Idee kommen, Charlie Hebdo zu verfolgen.

Allerdings hat jemand mal gesagt: "Satire ist frei und muss frei bleiben, aber nicht unwidersprochen". Das heißt, es liegt an mir, der sich beleidigt und erniedrigt fühlt, mit den gleichen Mitteln zurückzuschlagen.

Da gibt es ganz tolle Beispiele wie den Heiligen Filippo Neri. Auch er hat derbe Späße der Satire gemacht, denn in seiner Zeit der Renaissance war der Vatikan voll von Korruption und Machtbesessenheit. Er hat sich beispielsweise in der Heiligen Messe, weil viele Priester vollkommen verwahrlost mit der Liturgie umgingen, den Barbier, also den Friseur bestellt. Da war natürlich das Entsetzen groß. Wie kann er es wagen, in der Heiligen Kirche den Barbier zu bestellen? Da hat er dem Priester, der sich beschwerte, gesagt: "Du missachtest diesen Raum durch deine verwahrloste Liturgie, dann kann ich das auch machen."

Die Menschen haben zur damaligen Zeit über die Kirche die derbsten Späße gemacht. Aber Filippo Neri war nie beleidigt, sondern wenn jemand über die damalige Kirche herbe Späße machte, dann hat er sich hingestellt und bessere Späße zurückgegeben. Das ist die Ebene, auf der man sich auseinandersetzen muss.

DOMRADIO.DE: Wäre eine solche Reaktion in irgendeiner Form denn auch auf die heutige Zeit übertragbar?

Pauels: Diese Einstellung gilt in meinen Augen auch grundsätzlich heutzutage. Man sollte niemals mit Gewalt und auch nicht mit den Gesetzen der Blasphemie reagieren. Falls jemand beleidigt wird, haben wir dafür im rechtlichen Sinn die Beleidigungsparagrafen, um etwas gerade zu rücken. Diese sind ausführlich und sehr gründlich. Und dann kann man sich vor Gericht treffen.

Aber allgemein zu sagen, jemand habe die eigene Religion beleidigt und deshalb verfolgt man ihn, bringt nur Unglück und allergrößte Ungerechtigkeit. Deshalb weg mit diesem Paragrafen.

DOMRADIO.DE: Sie sind Kabarettist und Diakon. Nicht selten geht es bei Ihnen auch um Gott, Religion und die Gläubigen. Ist Humor in diesem Zusammenhang angebracht?

Pauels: Ja, natürlich. Ich habe einen Grundsatz. Wenn ich auf der Bühne stehe und Kabarett mache, habe ich ein Publikum vor mir. Ich darf über alles Späße machen, wirklich über alles. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht jemanden demütige. Die einzige Grenze bei der Satire liegt auf der persönlichen Ebene, indem ich jemanden nicht klein mache, nicht demütige und nicht in der Seele verletze.

Das ist aber immer nur auf der persönlichen Ebene "Face to face" (Von Angesicht zu Angesicht, Anm. d. Red.) zu entscheiden. Sobald ich daraus ein allgemeines Gesetz mache, komme ich ganz schnell in die Zensur. Gerade heute ist die "political correctness" (Politische Korrekheit, Anm. d. Red.) eine Art Hyper-Moral der Zensur.

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wieder in diese Zeiten zurückkommen, wo jemand, der zensierte Dinge wie Majestätsbeleidigung oder Gottesbeleidigung sagte, auf dem Scheiterhaufen landete. Diese Zeit muss vorbei sein. Wir müssen aufpassen, dass das nicht wieder über eine andere Schiene passiert.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Willibert Pauels / © Michael Schopps (privat)
Willibert Pauels / © Michael Schopps ( privat )
Quelle:
DR