Wie das Ordensleben heutzutage aussieht

So wie im "Namen der Rose" ist es nicht

"Mir ist aufgefallen, dass es Vorurteile oder falsche Vorstellungen vom Ordensleben gibt", sagt die Journalistin Stephanie Mende. Mit ihrem neuen Buch will sie damit aufräumen. Das zeigen die Portraits von ganz unterschiedlichen Nonnen und Mönchen.

Ordensschwester / © Cristian Gennari (KNA)
Ordensschwester / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO:DE: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch über meist noch recht junge Nonnen und Mönche zu schreiben?

Stephanie Mende (Journalistin und Buchautorin): Ich bin selber immer mal wieder zu Auszeiten in Klöstern und ich leite auch Seminare im Kloster. Bei den Gesprächen mit den anderen Gästen oder auch mit meinen Seminarteilnehmern ist mir aufgefallen, dass es einfach viele Vorurteile oder falsche Vorstellungen vom Ordensleben gibt.

Viele haben eine mittelalterliche Vorstellung wie bei "Name der Rose" und sind dann doch immer wieder ganz überrascht, wenn ein Mönch beispielsweise ein Handy hat. Da war es mir einfach ein Anliegen, mal Licht ins Dunkel zu bringen und aufzuzeigen, wie das Ordensleben heute aussieht und warum sich Menschen heute eben zu diesem Weg entscheiden.

DOMRADIO.DE: Das haben sie dann getan und dafür insgesamt 16 Frauen und Männer zwischen 23 und 92 Jahren getroffen. Hatten Sie da die Qual der Wahl?

Mende: Ein bisschen schon. Es hätte natürlich noch andere interessante Ordensleute gegeben, aber mein Anspruch war einfach, eine Bandbreite zu zeigen. Bei einem 92-jährigen Mönch war es vor über 70 Jahren eine andere Motivation ins Kloster zu gehen als heute bei einer 23-jährigen jungen Frau.

Es ging mir einfach darum, ein breites Bild der unterschiedlichen Orden zu zeigen. Es gibt kontemplative Orden, die zurückgezogen leben, und es gibt karitativ tätige Orden. Da wollte ich einfach ein Spektrum aufzeigen, damit es für den Leser auch möglichst interessant ist.

DOMRADIO.DE: Die Ordensleute in Ihrem Buch haben völlig unterschiedliche, persönliche Hintergründe. Das reicht von der Bierbrauerin über die Bürokauffrau bis hin zum Physiker. Gibt es trotzdem etwas, das sie alle verbindet?

Mende: Ich glaube, die Suche nach Gott ist tatsächlich das, was alle verbindet, und es verbindet auch alle, dass sie irgendwann in ihrem Leben die tiefe Berufung gespürt haben und die Berufung für das Ordensleben. Der Ruf zu einem Leben für Gott war dann so stark, dass man dem einfach nicht mehr entkommen konnte. Es ist durchaus die eine oder andere Person dabei, die sich zuerst innerlich dagegen gewehrt hat und es gar nicht wahrhaben wollte, dass das jetzt die angesagte Lebensform ist.

DOMRADIO.DE: Welche Geschichte unter den vielen hat Sie besonders berührt?

Mende: Ich muss mehrere nennen. Mich hat zum einen die Geschichte von Pater Remigius aus St. Ottilien sehr berührt, der 92 Jahre alt ist. Der ist als ganz junger Mann, als Soldat im Zweiten Weltkrieg eingezogen worden und hat damals in der Kriegsgefangenschaft ein Gelübde abgelegt, dass er ins Kloster geht, wenn er zurückkommt. Das hat er zwei Monate nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft dann auch umgesetzt. Das fand ich sehr berührend.

Und ich finde auch die Geschichte von Pater Timotheus, dem heutigen Prior von Sankt Ottilien, sehr berührend. Der war vorher als promovierter Teilchenphysiker tätig. Diesen Schritt zu gehen, wenn man schon in sehr jungen Jahren eine tolle Karriere erreicht hat, zu sagen, ich lasse alles hinter mir und trete in ein Kloster ein, fand ich auch sehr berührend. Zumal das auch in dem Fall mit einem persönlichen Schicksalsschlag verbunden ist. Das sind einfach mehrere Faktoren, die einen zum Staunen bringen, dass solche Wege möglich sind.

DOMRADIO.DE: Sie stellen sowohl Vertreterinnen und Vertreter aktiver als auch kontemplativer Orden vor. Würden Sie sagen, der Schritt in einen kontemplativen Orden ist doppelt krass?

Mende: Für mich persönlich wäre es so. Vielleicht kurz zum Hintergrund: In dem kontemplativen Orden - das sind beispielsweise die Klarissen der ewigen Anbetung - habe ich eine junge Frau interviewt. Es ist so, dass die Frauen nur einmal pro Woche eine Stunde spazieren gehen und ansonsten sind sie tatsächlich in ihrer strengen Klausur. Das wäre für mich persönlich sehr krass.

Für Schwester Serafina, mit der ich in Bautzen bei den Klarissen gesprochen habe, ist es wohl genau die richtige Lebensform. Die hat es sich schon als Jugendliche gewünscht, dass sie in diesen Orten eintreten darf. Aber ich denke, da muss man einfach eine ganz besondere Berufung haben, dass man so ein Leben leben kann und leben will.

DOMRADIO.DE: Was können diese Porträts der Ordensleute Menschen sagen, die gar nicht mit dem Gedanken spielen, ins Kloster zu gehen?

Mende: Ich denke, was rauskommt, ist eine tiefe Zufriedenheit. Das, was Menschen, die nicht im Kloster sind oder damit nichts zu tun haben, oft als großen Verzicht empfinden, ist genau das, was den Ordensleuten die tiefe Zufriedenheit vermittelt.

Ich denke, wenn man die Porträts liest, dann kann man einfach mal sein eigenes Leben überprüfen und überlegen, an welchen Stellen man mit seinem Leben wirklich sehr zufrieden sein kann. Man muss eben nicht immer höher, weiter oder schneller als die ganzen Superlativen kommen, die uns momentan durch die Corona-Krise sowieso etwas ausgebremst haben.

Dass man einfach mehr Zufriedenheit in seinem Leben empfindet und einfach mal dankbar auf das schaut, was man schon erreicht hat oder was schon da ist, war zumindest das, was ich nach den Gesprächen sehr stark mitgenommen habe.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Abschottung im Kloster / © AnaBelartPhoto (shutterstock)
Abschottung im Kloster / © AnaBelartPhoto ( shutterstock )

Mönch mit Holzkreuz und Rosenkranz / © Friso Gentsch (dpa)
Mönch mit Holzkreuz und Rosenkranz / © Friso Gentsch ( dpa )
Quelle:
DR
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