Flüchtlingsbischof mahnt die Politik zu mehr Engagement

Flüchtlingsfamilien brauchen Unterstützung

Beim Katholischen Flüchtlingsgipfel der Deutschen Bischofskonferenz forderte der Hamburger Erzbischof Heße mehr Unterstützung und Förderung gerade für Flüchtlingsfamilien. Denn die Familie gebe den Geflüchteten Halt.

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Von Karin Wollschläger
Eine Flüchtlingsfamilie bereitet ihr Essen über einem offenen Feuer in einem Flüchtlingslager auf Samos zu / © Angelos Tzortzinis (dpa)
Eine Flüchtlingsfamilie bereitet ihr Essen über einem offenen Feuer in einem Flüchtlingslager auf Samos zu / © Angelos Tzortzinis ( dpa )

Der katholische deutsche Flüchtlingsbischof Stefan Heße mahnt gerade in der Pandemie ein Festhalten am Engagement für Flüchtlinge an. "Angesichts von Corona hört der Flüchtlingsstrom natürlich nicht auf, und wir als Kirche können nicht darüber hinweggehen und sagen, es gibt Wichtigeres", sagte der Hamburger Erzbischof am Mittwoch beim fünften Katholischen Flüchtlingsgipfel der Deutschen Bischofskonferenz, der coronabedingt erstmals als Videokonferenz stattfand. Vor rund 130 Experten und Praktikern aus der Flüchtlingshilfe forderte Heße mehr Unterstützung und Förderung gerade für Flüchtlingsfamilien. 

Mehrjähriges Verfahren bei Familiennachzug unbefriedigend

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), hob hervor, dass geflüchtete Familien in Deutschland angesichts von Corona vor besonderen Herausforderungen stünden. Homeschooling etwa sei oft mangels technischer Ausstattung kaum möglich. Sie sei froh, so Widmann-Mauz, dass nach einer coronabedingten sechsmonatigen Aussetzungen nun wieder die Verfahren für Familiennachzug anlaufen. Zugleich räumte sie ein, dass die oft mehrjährige Dauer der Verfahren unbefriedigend sei. Ausdrücklich dankte Widmann-Mauz den Kirchen für ihre Unterstützung, gerade auch in der Pandemie. 

Familie hat eine schützende Funktion

Heße betonte die Wichtigkeit von Familienzusammenführungen: "Denn Familie ist ein wesentlicher Faktor für die Stabilität einer Person und das gesellschaftliche Miteinander." Thomas Faist, Professor für Transnationale Beziehungen, Entwicklungs- und Migrationssoziologie an der Universität Bielefeld, betonte: "Der Familiennachzug ist unabdingbar für die Integration." Gerade auch mit Blick auf Traumata oder deren Verarbeitung hätten Familien eine schützende Funktion. Zugleich gebe es beim Nachzug große Hürden. Zum einen könnten etwa volljährige Geschwisterkinder kaum nachgeholt werden, zum anderen ziehe sich der Nachzug oft über drei bis vier Jahre: "Das sind in der Regel verlorene Jahre für die Integration hier in Deutschland." 

Keine Integration ohne Teilhabe

Faist unterstrich, zur Integration von Flüchtlingen gehöre gesellschaftliche Teilhabe genauso wie soziokulturelle Anerkennung. Dazu zählten die Bereiche Bildung, Arbeit, Wohnen, Politik und Gesellschaft. "Eine erfolgreiche Teilhabe etwa in Schule und Ausbildung ermögliche überhaupt erst ein Zugehörigkeitsgefühl und Anerkennung", so Faist. "Anerkennung wiederum ist wichtig zur Vermeidung von Diskriminierung." 

Schutz von Flüchtlingen eingeschränkt

Erzbischof Heße sagte, die Situation der Flüchtlinge in den vergangenen Monaten, insbesondere in den Lagern auf den griechischen Inseln, sei Anlass zu großer Sorge. Es gebe die Befürchtung, dass der Flüchtlingsschutz in Zeiten der Pandemie faktisch eingeschränkt werde. Der Erzbischof appellierte an die Politik, sich für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus den griechischen Camps einzusetzen. Heße erinnerte an die jüngsten Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, wonach 2019 rund 79,5 Millionen Menschen auf der Flucht waren; 2015 waren 65 Millionen.


Erzbischof Stefan Heße / © Lars Berg (KNA)
Erzbischof Stefan Heße / © Lars Berg ( KNA )
Quelle:
KNA