Ökumenisches Netzwerk verteidigt Kirchenasyl

"Widerstand gegen eine willkürliche Gesetzgebung"

Mithilfe des Kirchenasyls konnten sich viele Flüchtlinge vor einer drohenden Abschiebung schützen. Seitdem die Regelungen verschärft wurden, geht die Zahl der Kirchenasyle stark zurück. Wäre Widerstand dagegen ein Gesetzesbruch?

Symbolfoto Kirchenasyl / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolfoto Kirchenasyl / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Zahlen sind gesunken. Aber ist das so leicht auf diese neue Regelung zurückzuführen? Es sind ja auch andere Gründe möglich.

Marianne Arndt (Gemeindereferentin & Mitglied im Ökumenischen Netzwerk "Asyl in der Kirche"): Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Zahlen aufgrund der neuen Regelung so gesunken sind, weil es natürlich die Situation für die Gemeinden, die sich dazu bereiterklären, um ein Vielfaches erschwert. Wenn man überlegt, im Bereich der Dublin-Fälle war es früher so, man hat die Menschen im Kirchenasyl über das Katholische Büro in Düsseldorf angemeldet und dann waren das keine untergetauchten Leute. Und nach sechs Monaten griff die Dublin-Regelung. Das heißt, dass sie nicht mehr in ihr Herkunftsland und auch nicht mehr in das Land abgeschoben werden konnten, wo sie als erstes europäischen Boden berührt hatten. Das ist ja oft die Situation, dass Geflüchtete aus dem afrikanischen Raum zuerst in Italien landen und dann werden sie willkürlich nach Italien wieder zurückgeschoben.

DOMRADIO.DE: Das Kirchenasyl hat im Grunde diese sechsmonatige Frist überbrückt. Und jetzt ist die Frist nach der neuen Regelung auf 18 Monate erweitert.

Arndt: Ganz richtig. Weil man Kirchenasyl nicht mehr als eine gemeldete Adresse ansieht sondern als untergetauchte Adresse. Und deswegen gilt die Regelung von 18 Monaten.

DOMRADIO.DE: Das heißt, selbst wenn eine Kirchengemeinde jemanden aufnimmt, darf nach einem halben oder einem Jahr selbst noch abgeschoben werden.

Arndt: Wenn in einem Dublin-Fall die 18 Monate nicht erreicht wurden, darf abgeschoben werden. Wenn der Mensch die 18 Monate erreicht hat und er nachweisen kann, dass er 18 Monate hier in Deutschland war, wird sein Asylverfahren hier in Deutschland fortgesetzt.

DOMRADIO.DE: Kann man vielleicht sagen, dass die Fälle auch weniger geworden sind oder sind es nur die Zahlen? Es kann ja sein, dass das Kirchenasyl illegal trotzdem noch stattfindet und dass das nicht mehr gemeldet wird.

Arndt: Leider Gottes sind die Fälle nicht zurückgegangen, sondern die Bereitschaft ist zurückgegangen. Wir müssen hier deutlich sehen, dass die Zahl der katholischen Kirchen, die zum Kirchenasyl bereit sind, leider sehr gering ist, weil wir Kirchenleute zu wenig Mut haben und den Menschen zu wenig Mut machen. Die evangelische Kirche ist heillos überfordert und weiß nicht, wohin mit den vielen Anfragen, und auch ich bekomme fast täglich Anfragen. Und wir wissen kaum, wohin mit den Fällen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, der Bedarf ist nach wie vor gleich hoch. Denn es könnte ja auch sein, dass einfach weniger Menschen nach Deutschland geflüchtet sind und möglicherweise die Menschen besser aufgefangen werden. Das alles schließen Sie aber aus?

Arndt: Es sind im Moment sicher auch weniger Leute, die nach Deutschland kommen. Aber die Asylgesetzgebung hat sich ja auch um ein Vielfaches verschärft und darum ist die Not bei den weniger werdenden Fällen immer größer. Es bilden sich aber aufgrund dieser Situation Quellen des Bürgerasyls. Das heißt Quellen des zivilen Ungehorsams, wo wir Menschen aufnehmen, die von ihrem Schicksal und Leben bedroht sind und die im Kirchenasyl keinen Unterschlupf mehr finden.

DOMRADIO.DE: Wie ist denn die Situation in Köln?

Arndt: In Köln ist es leider so, es gibt etliche evangelische Plätze des Kirchenasyls, um die 20 Plätze. Leider Gottes gibt es im Moment keine katholische Kirche, die sich daran beteiligt, was ich selber als katholisch aktive und in dem Feld auch beruflich aktive Frau äußerst schade finde.

DOMRADIO.DE: Worauf führen Sie das zurück?

Arndt: Ich bin jetzt 30 Jahre im pastoralen Dienst und hatte die Gelegenheit mit Kardinal Woelki kurz drüber zu sprechen. Und habe ihm gesagt, Herr Kardinal, wir müssen dieses Thema unbedingt angehen. Er sagt, die Gesetzeslage ist aber verschärft und da müssen wir vorsichtig sein. Ich habe gesagt, Ich glaube, wir als katholische Kirche müssen Mut haben. Wir als katholische Christen müssen da ein deutliches Zeichen setzen, dass es um Recht und Gerechtigkeit und um den Schutz der Menschenwürde geht.

DOMRADIO.DE: Aber das heißt, Gesetz brechen.

Arndt: Das heißt, mutig Widerstand leisten. Die evanglische Kirche ist mutiger und auch sehr hilfreich. Und wir wissen ja, dass fast 90 Prozent oder mehr als 90 Prozent der Kirchenasylfälle nachher wirklich im positiven Sinne beschieden werden. Das heißt, ich erlebe es nicht als Gesetzesbruch, sondern als Widerstand gegen eine willkürliche Gesetzgebung, um diesen einzelnen Menschen nochmal eine Möglichkeit auf Recht und Gerechtigkeit und Schutz zu geben.

Das Interview führte Andreas Lange.

 

Quelle:
DR