Seenotretter der Lifeline fordern Europa zum Handeln auf

"Es ist nicht wie im Freibad"

Über 2.100 Menschen starben in diesem Jahr bei ihrer Flucht über das Mittelmeer. Vermutlich ist die Zahl der Toten noch viel höher. Mehr als 1.000 Menschen konnten dank der Mission Lifeline gerettet werden.

Das deutsche Seenotrettungsschiff "Lifeline" / © Annette Schneider-Solis (dpa)
Das deutsche Seenotrettungsschiff "Lifeline" / © Annette Schneider-Solis ( dpa )

Es war ein schwieriges Jahr für die Organisation. Ende Juni wurde das Schiff Lifeline in Malta beschlagnahmt. Seit Juli läuft dort der Prozess gegen den Kapitän Claus-Peter Reisch. Für das Rettungsschiff sollen erforderliche Dokumente für die Seenotrettung nicht vorgelegen haben. Trotzdem hat die Organisation den Mut nicht verloren und ist im Oktober erneut auf das Mittelmeer gefahren.

DOMRADIO.DE: Ein ereignisreiches Jahr geht für die Organisation zu Ende. Was treibt Sie an und lässt Sie nicht aufzugeben?

Axel Steier (Mitbegründer und Vorsitzender von Mission Lifeline): Das sind einfach die Zahlen von Sterbenden. Es ist nicht so wie im Freibad, dass mal was passiert und man da nichts machen kann. Das sind einfach so unvorstellbar große Menschenmassen, die da sterben. Da kann man nicht zuschauen als Europäer oder Europäerin. Das ist unmöglich.

DOMRADIO.DE: Sie bringen viel Mut auf, um Menschen aus Seenot zu retten. Kapitän Reisch wird von vielen Menschen als Held gesehen. Unter anderem bekam er auch den Menschenrechtspreis 2018. Doch es gibt leider auch viele kritische Stimmen, die behaupten die Organisation würde Schlepper unterstützen. Wie widerlegen Sie diese Aussagen und behalten ihren Mut?

Steier: Die Aussagen sind schon widerlegt - auch wissenschaftlich. Als im September keine Rettungsschiffe unterwegs waren, starben so viele Menschen wie noch nie. Momentan stirbt eine von fünf Personen bei der Überfahrt. Das ist unvorstellbar. Wir müssen handeln und das ist die Zielrichtung. Das gilt für Christen genauso wie für Menschen ohne Glauben. Man muss hinsehen und sagen: Wir haben als Menschen eine Verantwortung und müssen etwas tun.

DOMRADIO.DE: Sie erhalten von vielen Seiten Unterstützung. Es gab auch viele Spenden, zum Beispiel seitens der Kirche, unter anderem vom Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx. Wie sehr sind Sie auf diese Unterstützung angewiesen?

Steier: Sehr. Wir sind praktisch auf jeden Euro angewiesen. So ein Schiff ist eine wahnsinnig teure Angelegenheit. Das fängt beim Diesel tanken an, geht über den Kauf von Medikamenten bis zu den Hafengebüren. Ein Schiff zu betreiben, das ist eine Sache, die in die Millionen geht. Bisher haben wir immer ein relativ günstiges Schiff gehabt. Mit der Lifeline konnten wir mit 40.000 Euro im Monat gerade hinkommen. Jetzt sollen wir Berufsschiffe benutzen. Das sind ganz andere Kategorien. Da geht es in die Millionen.

DOMRADIO.DE: Sie möchten den Vatikan als Flaggenstaat für das festsitzende Schiff in Malta gewinnen. Warum denken Sie, wäre das ein starkes Zeichen?

Steier: In Anbetracht dessen, dass uns kein Staat eine Flagge geben möchte, wäre das ein Zeichen, dass die Kirche hinter der Sache steht. Das andere ist, dass der Vatikan ein bisschen was dafür machen muss. Er müsste im Staatsapparat Institutionen schaffen. Aber es ist möglich. Das zeigt eine Untersuchung mit Rechtsgutachten. Ich glaube, man muss alles Mögliche tun. So kennen wir eigentlich auch Papst Franziskus, dass er das versucht.

DOMRADIO.DE: Für die Mission Lifeline geht ein ereignisreiches Jahr zu Ende. Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr 2019?

Steier: Ich wünsche mir, dass es endlich legale Möglichkeiten gibt, Asyl zu beantragen und dass das unsägliche Sterben im Mittelmeer endet.

Das Interview führte Julia Reck.


Axel Steier, Mitbegründer von Mission Lifeline, im Hafen von Valletta  / © Herman Grech (dpa)
Axel Steier, Mitbegründer von Mission Lifeline, im Hafen von Valletta / © Herman Grech ( dpa )
Quelle:
DR