Gut fünfeinhalb Monate nach Beginn des Prozesses gegen den Kapitän des Dresdner Flüchtlingsrettungsschiffs Lifeline, Claus-Peter Reisch, ist der Angeklagte vor Gericht in Malta erstmals zu Wort gekommen. "Ich hatte eineinhalb Stunden Zeit, um meine Sicht der Dinge zu erklären", sagte Reisch nach der Verhandlung im maltesischen Valletta am Dienstag. Er habe ausgesagt, dass er bei der Registrierung des Schiffes keinen Fehler erkennen könne.
Der 57-jährige Bayer zeigte sich erleichtert, dass der Prozess nun vorankomme, nachdem er zuvor bereits fünfmal "für mehr oder weniger nichts" in die maltesische Hauptstadt gereist sei. Dies sei Zeit- und Geldverschwendung gewesen, erklärte der Kapitän. Die Verhandlung wird demnach am 11. Januar fortgesetzt.Reisch steht seit dem 2. Juli in Valletta vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, das von der Dresdner Hilfsorganisation "Mission Lifeline" betriebene Schiff fehlerhaft registriert zu haben. Im Falle einer Verurteilung droht Reisch eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr.
Die "Lifeline" hatte Anfang Juli mit 234 Flüchtlingen an Bord erst nach tagelanger Irrfahrt im Mittelmeer in Malta anlegen dürfen. Kurz darauf wurde sie beschlagnahmt. Nach Angaben der Hilfsorganisation fuhr das Schiff bei seinen Einsätzen unter niederländischer Flagge. Während die maltesischen Behörden die korrekte Registrierung des Schiffs bezweifeln, kritisierte "Mission Lifeline" wiederholt politische Motive für den Prozess, um das Rettungsschiff am Auslaufen zu hindern.
(epd / Stand 18.12.18)
30.12.2018
Über 2.100 Menschen starben in diesem Jahr bei ihrer Flucht über das Mittelmeer. Vermutlich ist die Zahl der Toten noch viel höher. Mehr als 1.000 Menschen konnten dank der Mission Lifeline gerettet werden.
Es war ein schwieriges Jahr für die Organisation. Ende Juni wurde das Schiff Lifeline in Malta beschlagnahmt. Seit Juli läuft dort der Prozess gegen den Kapitän Claus-Peter Reisch. Für das Rettungsschiff sollen erforderliche Dokumente für die Seenotrettung nicht vorgelegen haben. Trotzdem hat die Organisation den Mut nicht verloren und ist im Oktober erneut auf das Mittelmeer gefahren.
DOMRADIO.DE: Ein ereignisreiches Jahr geht für die Organisation zu Ende. Was treibt Sie an und lässt Sie nicht aufzugeben?
Axel Steier (Mitbegründer und Vorsitzender von Mission Lifeline): Das sind einfach die Zahlen von Sterbenden. Es ist nicht so wie im Freibad, dass mal was passiert und man da nichts machen kann. Das sind einfach so unvorstellbar große Menschenmassen, die da sterben. Da kann man nicht zuschauen als Europäer oder Europäerin. Das ist unmöglich.
DOMRADIO.DE: Sie bringen viel Mut auf, um Menschen aus Seenot zu retten. Kapitän Reisch wird von vielen Menschen als Held gesehen. Unter anderem bekam er auch den Menschenrechtspreis 2018. Doch es gibt leider auch viele kritische Stimmen, die behaupten die Organisation würde Schlepper unterstützen. Wie widerlegen Sie diese Aussagen und behalten ihren Mut?
Steier: Die Aussagen sind schon widerlegt - auch wissenschaftlich. Als im September keine Rettungsschiffe unterwegs waren, starben so viele Menschen wie noch nie. Momentan stirbt eine von fünf Personen bei der Überfahrt. Das ist unvorstellbar. Wir müssen handeln und das ist die Zielrichtung. Das gilt für Christen genauso wie für Menschen ohne Glauben. Man muss hinsehen und sagen: Wir haben als Menschen eine Verantwortung und müssen etwas tun.
DOMRADIO.DE: Sie erhalten von vielen Seiten Unterstützung. Es gab auch viele Spenden, zum Beispiel seitens der Kirche, unter anderem vom Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx. Wie sehr sind Sie auf diese Unterstützung angewiesen?
Steier: Sehr. Wir sind praktisch auf jeden Euro angewiesen. So ein Schiff ist eine wahnsinnig teure Angelegenheit. Das fängt beim Diesel tanken an, geht über den Kauf von Medikamenten bis zu den Hafengebüren. Ein Schiff zu betreiben, das ist eine Sache, die in die Millionen geht. Bisher haben wir immer ein relativ günstiges Schiff gehabt. Mit der Lifeline konnten wir mit 40.000 Euro im Monat gerade hinkommen. Jetzt sollen wir Berufsschiffe benutzen. Das sind ganz andere Kategorien. Da geht es in die Millionen.
DOMRADIO.DE: Sie möchten den Vatikan als Flaggenstaat für das festsitzende Schiff in Malta gewinnen. Warum denken Sie, wäre das ein starkes Zeichen?
Steier: In Anbetracht dessen, dass uns kein Staat eine Flagge geben möchte, wäre das ein Zeichen, dass die Kirche hinter der Sache steht. Das andere ist, dass der Vatikan ein bisschen was dafür machen muss. Er müsste im Staatsapparat Institutionen schaffen. Aber es ist möglich. Das zeigt eine Untersuchung mit Rechtsgutachten. Ich glaube, man muss alles Mögliche tun. So kennen wir eigentlich auch Papst Franziskus, dass er das versucht.
DOMRADIO.DE: Für die Mission Lifeline geht ein ereignisreiches Jahr zu Ende. Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr 2019?
Steier: Ich wünsche mir, dass es endlich legale Möglichkeiten gibt, Asyl zu beantragen und dass das unsägliche Sterben im Mittelmeer endet.
Das Interview führte Julia Reck.
Gut fünfeinhalb Monate nach Beginn des Prozesses gegen den Kapitän des Dresdner Flüchtlingsrettungsschiffs Lifeline, Claus-Peter Reisch, ist der Angeklagte vor Gericht in Malta erstmals zu Wort gekommen. "Ich hatte eineinhalb Stunden Zeit, um meine Sicht der Dinge zu erklären", sagte Reisch nach der Verhandlung im maltesischen Valletta am Dienstag. Er habe ausgesagt, dass er bei der Registrierung des Schiffes keinen Fehler erkennen könne.
Der 57-jährige Bayer zeigte sich erleichtert, dass der Prozess nun vorankomme, nachdem er zuvor bereits fünfmal "für mehr oder weniger nichts" in die maltesische Hauptstadt gereist sei. Dies sei Zeit- und Geldverschwendung gewesen, erklärte der Kapitän. Die Verhandlung wird demnach am 11. Januar fortgesetzt.Reisch steht seit dem 2. Juli in Valletta vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, das von der Dresdner Hilfsorganisation "Mission Lifeline" betriebene Schiff fehlerhaft registriert zu haben. Im Falle einer Verurteilung droht Reisch eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr.
Die "Lifeline" hatte Anfang Juli mit 234 Flüchtlingen an Bord erst nach tagelanger Irrfahrt im Mittelmeer in Malta anlegen dürfen. Kurz darauf wurde sie beschlagnahmt. Nach Angaben der Hilfsorganisation fuhr das Schiff bei seinen Einsätzen unter niederländischer Flagge. Während die maltesischen Behörden die korrekte Registrierung des Schiffs bezweifeln, kritisierte "Mission Lifeline" wiederholt politische Motive für den Prozess, um das Rettungsschiff am Auslaufen zu hindern.
(epd / Stand 18.12.18)