Wie junge Erwachsene aus dem Süden ein Soziales Jahr in Deutschland absolvieren

Austausch andersherum

Aus den Erfahrungen aus dem Ausland lernen. Es gibt seit vier Jahren ein Programm, indem junge Erwachsene aus dem Ausland nach Deutschland kommen können. Bienfait aus Ruanda und Jyoti sowie Subhadra aus Indien haben es ausprobiert.

Autor/in:
Christoph Arens
Jyoti und Bienfait helfen etwa in Deutschland in Flüchtlingsunterkünften. / © Wolfram Kastl (dpa)
Jyoti und Bienfait helfen etwa in Deutschland in Flüchtlingsunterkünften. / © Wolfram Kastl ( dpa )

In wenigen Tagen kehren die drei jungen Erwachsenen nach zwölf Monaten Freiwilligendienst in ihre Heimat zurück. Mit gewachsenem Selbstbewusstsein und ein wenig Wehmut. Beim Bischöflichen Hilfswerk Misereor in Aachen, das ihren Aufenthalt begleitet hat, zogen sie jetzt eine positive Bilanz.

Bienfait (26) aus Ruanda ist begeistert von deutscher Effizienz bei der Planung von Festen und Arbeit. Jyoti (21) aus Indien hat bei ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr in Köln gelernt, "wie entscheidend ein guter Umgang mit der Zeit ist und wie wichtig es ist, sich selbst zu organisieren". Und ihre Landsfrau Subhadra (23) hat erlebt, dass viele Dinge in Deutschland ganz anders funktionieren als in Indien.

Begrenzte Zeit nach Deutschland

Bientfait, Jyoti und Subhadra profitieren von einer Idee, die immer mehr junge Erwachsene aus Entwicklungsländern für eine begrenzte Zeit nach Deutschland bringt. "Reverse"- oder "Incoming-Programme", so lautet der etwas sperrige Name. Austausch andersherum.

Fünf Jahre nach Einführung des weltwärts-Programms der Bundesregierung, das bislang mehr als 30.000 jungen Deutschen ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland ermöglicht hat, hat das Entwicklungsministerium 2013 auch eine Süd-Nord-Komponente ins Leben gerufen. "Wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt, dass der Austausch keine Einbahnstraße bleibt", ergänzt Misereor-Geschäftsführer Thomas Antkowiak. Auch Jugendliche aus Afrika, Asien und Lateinamerika sollten Gelegenheit zum globalen Lernen erhalten.

Arbeit in einer Flüchtlingsunterkunft

Subhadra, die in Indien Soziologie studiert hat, und die Geschichtsstudentin Jyoti haben sich in Neu-Delhi bereits in der Jugendorganisation Pravah und ihren sozialen Projekten engagiert. In Köln arbeitete Subhadra in einer Flüchtlingsunterkunft des Roten Kreuzes. "Auch in Indien gibt es viele Flüchtlinge", erzählt sie. "Nach dem Jahr in Deutschland kann ich viel besser nachvollziehen, wie fremd man sich in einem anderen Land fühlen kann."

Jyoti und Bienfait, der in Ruanda Informationstechnologie und Betriebswirtschaft studiert hat, arbeiteten bei der Kölner Caritas in einem Jugendcafe und Flüchtlingsunterkünften. Offenen Rassismus hat Bienfait nicht erlebt. Schon aber indirekte Fragen, ob er denn auch wieder in seine Heimat zurückkehren werde und was er überhaupt in Deutschland wolle.

Die Deutschen und die Zeit

"Bei uns in Ruanda erzählt man sich immer, dass die Deutschen keine Zeit für Treffen mit anderen Leuten hätten", erzählt der 26-Jährige. Das wisse er jetzt besser, sagt er und lacht. Dann berichtet er von einem Nachbarschaftsfest in der Flüchtlingsunterkunft. Die Deutschen verbrächten vielleicht weniger Zeit miteinander - das aber sehr effektiv. "Alles war organisiert - bis zu der Frage, wer zum Schluss die Tür abschließt", wundert er sich. 

Solch lebensnahes Lernen ist ganz im Sinne von weltwärts: Insgesamt haben seit 2013 rund 980 Freiwillige aus Ländern des Südens einen weltwärts-Freiwilligendienst in Deutschland geleistet, zieht Projektkoordinator Steffen Stürznickel in Bonn Bilanz. Aktuell sind 523 Freiwillige in der Bundesrepublik.

Positive Zwischenbilanz des Projekts

Eigentlich sollte Ende 2016 entschieden werden, ob das Projekt weitergeführt wird. Ein externer Bewertungsbericht ist aber noch nicht abgeschlossen. Deshalb wurde die Pilotphase bis 2019 verlängert. "Seitens des Entwicklungsministeriums gibt es ein hohes politisches Interesse, die Süd-Nord-Komponente auch nach der verlängerten Pilotphase fortzuführen und auszubauen", versichert Stürznickel. "Auch das Interesse der zivilgesellschaftlichen Partner ist sehr hoch."

Misereor zieht ebenfalls eine positive Zwischenbilanz des Projekts, an dem sich das Hilfswerk 2016 erstmals beteiligt hat. "Auch wir verlängern unsere Pilotphase um ein Jahr und entscheiden dann, ob wir weiter mitmachen", sagt Geschäftsführer Antkowiak. Er räumt ein, dass die Organisation nicht ohne Probleme und mit erheblichem personellen Aufwand verbunden war. Sprachkenntnisse, Unterbringung, Betreuung in der Freizeit und Suche nach geeigneten Projektstellen: "Rein ökonomisch darf man das nicht bewerten", sagt er. Und dennoch sei das Projekt aus seiner persönlichen Sicht eine gute Investition. "Das tut auch Misereor gut. Schließlich zeigen wir da unser junges Gesicht."


Jyoti aus Indien am 24. April 2017 in Aachen. Die junge Frau absolviert in Deutschland ein freiwilliges soziales Jahr. / © Christoph Arens (KNA)
Jyoti aus Indien am 24. April 2017 in Aachen. Die junge Frau absolviert in Deutschland ein freiwilliges soziales Jahr. / © Christoph Arens ( KNA )

Bienfait aus Ruanda am 24. April 2017 in Aachen. Der junge Mann absolviert in Deutschland ein freiwilliges soziales Jahr.  / © Christoph Arens (KNA)
Bienfait aus Ruanda am 24. April 2017 in Aachen. Der junge Mann absolviert in Deutschland ein freiwilliges soziales Jahr. / © Christoph Arens ( KNA )
Quelle:
KNA