Kirche und Politik fordern bessere medizinische Versorgung "Illegaler"

Keine Papiere? - Kein Arzt

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße fordert größere Sensibilität für Flüchtlinge ohne Aufenthaltserlaubnis. Auch Politik und Caritas verlangen eine gesicherte medizinische Versorgung von "illegalen" Zuwanderern.

Medizinische Versorgung von Flüchtlingen  / © Ingo Wagner (dpa)
Medizinische Versorgung von Flüchtlingen / © Ingo Wagner ( dpa )

"Mangelnde Papiere dürfen keinen Mangel an Menschenwürde bedeuten", sagte der Vorsitzende der Migrationskommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz am Freitag in Berlin. Es sei Aufgabe der Kirche, sich derer anzunehmen, die im Verborgenen lebten. Auch Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität sollten einen Anspruch auf medizinische Grundversorgung haben, sagte Heße. Das gelte auch für Schwangere. Sie müssten ihr Kind frei von Angst auf die Welt bringen können und die erforderliche Vor- und Nachsorge erhalten.

"Leben in der Illegalität"

Damit unterstützt Heße ein aktuelles Positionspapier des "Katholischen Forums Leben in der Illegalität". Darin fordert das Forum, dass öffentliche Stellen, die mit Flüchtlingen ohne Aufenthaltserlaubnis in Kontakt kommen, diese nicht unbedingt der Ausländerbehörde melden müssen. Dem Katholischen Forum gehören unter anderem die Caritas, der Malteser-Hilfsdienst und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst an.

Das Katholische Forum "Leben in der Illegalität" wurde auf Initiative der Deutschen Bischofskonferenz gegründet. Darin sind Institutionen vertreten, die sich für Zuwanderer ohne Aufenthaltsstatus engagieren. Zudem kooperiert das Forum mit dem Rat für Migration, einem bundesweiten Zusammenschluss von Wissenschaftlern, und der Katholischen Akademie in Berlin.

Recht vs. Praxis

Zwar sei teilweise die Übermittlungspflicht von Daten an die Ausländerbehörde aufgehoben, trotzdem meldeten Gesundheits- oder Sozialämter weiterhin immer wieder den Aufenthaltsstatus von Patienten weiter, kritisierte der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbands, Georg Cremer, zum Abschluss einer Tagung des Katholischen Forums "Leben in der Illegalität" am Freitag in Berlin. "Änderung von Rechtsnormen bedeutet nicht unbedingt eine Veränderung in der Praxis."

Menschenrechte nicht durchsetzbar

Der migrations- und religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, kritisierte, dass sogenannte Illegale ihre Menschenrechte nicht durchsetzen könnten, wenn der Preis die drohende Abschiebung sei, weil ihre Daten den Ausländerbehörden übermittelt werden. Es habe sich gezeigt, dass die Aufhebung der Pflicht zur Datenweitergabe nicht ausreiche. Darum müsse es ein gesetzliches Verbot geben. "Die Rechtsordnung muss legitime staatliche Interessen und die Wahrung der Menschenrechte überein bringen", so Beck.

"Versorgung muss Vorrang haben"

Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, mahnte: "Versorgung muss Vorrang haben und nicht die rechtliche Ordnung." Notwendig seien gesetzliche Änderungen, gerade für Schwangere, damit deren Versorgung nicht nur während der Geburt, sondern auch danach und schon während der Schwangerschaft gesichert sei. Auch Cremer bezeichnete die Situation von schwangeren Frauen in der Illegalität als "in keiner Weise zufriedenstellend".

Der SPD-Innenpolitiker Lars Castelucci plädierte dafür, dass Thema Illegalität grundsätzlicher anzugehen und Wege zu suchen, damit Menschen erst gar nicht in diesen Zustand kämen. "Humanitäre Visa" seien ein Instrument dafür. Auch Jelpke rief dazu auf, über Legalisierungsprogramme zu diskutieren. Demgegenüber sahen Cremer und Beck größere Erfolgschancen für Verbesserungen in einzelnen Bereichen.

Machen statt Wahlkampf

Beck verwies auf die gegenwärtigen rechtspopulistischen Strömungen und sagte: "Aktuell ist kein guter Zeitpunkt für einen Gesamtwurf. Wir sollten uns darauf konzentrieren, dass illegale Zuwanderer eine gesicherte Gesundheitsversorgung haben, in Jobs nicht ausgebeutet werden und ihre Kinder eine Geburtsurkunde bekommen." Aus diesen Themen könnten "die Rechten keinen Honig saugen". Cremer sagte mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst: "Ich bin sehr dagegen, Illegalität zum Wahlkampfthema zu machen, denn ich habe Sorge, dass das dann nach hinten losgeht."


Erzbischof Stefan Heße / © Marcus Brandt (dpa)
Erzbischof Stefan Heße / © Marcus Brandt ( dpa )
Quelle:
KNA , epd