Kurswechsel nach Flüchtlings-Referendum in Ungarn gefordert

"Tragfähige Lösungen finden"

Nach dem gescheiterten Referendum zur EU-Flüchtlingspolitik in Ungarn hat Europaparlamentspräsident Martin Schulz die Regierung in Budapest zu einem Kurswechsel aufgerufen. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst begrüßte die Ungültigkeit des Referendums.

Flüchtlinge in Ungarn (dpa)
Flüchtlinge in Ungarn / ( dpa )

"Ungarn sollte nun konstruktiv daran mitarbeiten, dass wir zu vernünftigen und tragfähigen Lösungen für die großen Herausforderungen in Europa kommen", sagte Schulz der Funke Mediengruppe am Montag. Der Versuch, die Flüchtlingspolitik innenpolitisch zu instrumentalisieren, sei gescheitert.

Die Bevölkerung in Ungarn konnte am Sonntag darüber abstimmen, ob das Land an der von der EU beschlossenen Umverteilung von Flüchtlingen teilnehmen soll oder nicht. Das Referendum scheiterte, weil sich nicht die notwendigen 50 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten.

Keine Angst vor Flüchtlingen

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) beurteilte die Ungültigkeit des Referendums als positiv. Die niedrige Wahlbeteiligung lege nahe, dass eine klare Mehrheit der Ungaren keine Angst vor Flüchtlingen habe, erklärte die Organisation auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in Brüssel. Zudem zeige die Wahlbeteiligung, dass ein Großteil der Ungarn auf eine gemeinsame europäische Lösung der Flüchtlingskrise hoffe.

Orban in der Pflicht

Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), sagte der "Welt" (Montag), man könne das Ergebnis der Abstimmung nicht ignorieren. Die Ungarn wollten "keine verbindlichen Quoten, soweit ihr Parlament diesen nicht zustimmt". Der Ausgang des Referendums ändere aber nichts daran, dass die Staats- und Regierungschefs bei den Migrationsfragen zu Ergebnissen kommen müssten. Hier stehe auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban in der Pflicht.

Die Grünen-Fraktionschefin im EU-Parlament, Rebecca Harms, sieht keine Möglichkeit für eine Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Länder. Es sollten sich jene EU-Länder zusammentun, "die ihren internationalen Verpflichtungen zum Beispiel gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention gerecht werden wollen", sagte Harms dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Sie schlug vor, dass diese Gruppe mit den Vereinten Nationen feste Quoten zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus Syrien aushandeln solle.

Eine gerechte Verteilung notwendig

EU-Parlamentsvizepräsident Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sagte der "Welt", ein gerechter Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge bleibe ein langfristiges Ziel europäischer Politik. "Man kann das nicht erzwingen, ganz klar"; es brauche dafür sowohl den Dialog als auch Verständnis für die Menschen in Mittel- und Osteuropa. "Auch in Deutschland tun sich die östlichen Bundesländer schwerer mit der Aufnahme von Flüchtlingen als wir hier im Westen."

Der ungarische Bischof Asztrik Varszegi bedauerte die hohe Zustimmung zu einer Abschottung des Landes. Eine "lang anhaltende Propaganda der gegenwärtigen Machthaber in Ungarn" habe versucht, von jedem Bürger "eine ablehnende Haltung gegen Flüchtlinge zu erzwingen", kommentierte der Erzabt der Benediktinerabtei Pannonhalma im Portal "szemlelek.blog.hu". Ziel dieser Kommunikationsoffensive, die auf besonders harte Weise geführt worden sei, sei die Absicht, keine Flüchtlinge aufzunehmen. Allerdings sei dieses Ziel verfehlt worden.


Quelle:
KNA