Kommentar zur neuen deutschen Flüchtlingspolitik

Jetzt ist aber die Grenze erreicht!?

"Können wir das schaffen? Ja, wir schaffen das!" Nicht Bob der Baumeister, sondern Kanzlerin Merkel sagte das noch vor wenigen Tagen. Nun sind die Grenzen für Flüchtlinge erst einmal dicht. Ein Kommentar von Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )

Europa grenzt sich ab. Auch wir Deutsche, die gerade noch bewundernswert bereitwillig Tür und Tor für die Notleidenden dieser Welt geöffnet hatten, kontrollieren jetzt erst einmal lieber wieder unsere Grenzen. Die Heimat wird längst nicht mehr irgendwo am Hindukusch, sondern an den bayrischen Grenzen verteidigt: Sicher ist sicher, das waren ja auch einfach zu viele Flüchtlinge auf einmal. Wo soll das denn hinführen, wir können doch nicht die Probleme der ganzen Welt lösen …

Aber wenn die Welt längst ein globales Dorf geworden ist, dann können uns die Probleme auf der anderen Straßenseite eben nicht länger mehr egal sein. Jahrelang haben gerade kirchliche Hilfswerke, Entwicklungshelfer und nicht zuletzt die Bischöfe auf den dringenden Handlungsbedarf in den Krisenregionen dieser Welt hingewiesen. Doch auch Deutschland hat all die Jahre viel lieber Kriegsgüter und Waffen verkauft als Wasserpumpen und Brot geliefert. Wir alle haben viel zu lange weggeschaut – Hauptsache uns geht’s gut und der Euro wird gerettet. Augen zu und durch. Das wird aber nicht mehr länger - wird im globalen Dorf nie mehr  funktionieren. Dass die jetzt wiedereingeführten Grenzkontrollen die Probleme lösen, glauben vermutlich nicht einmal die Vertreter der CSU, die sich jetzt dafür rühmen, Bundesregierung und Kanzlerin wieder auf den richtigen Weg zurückgebracht zu haben. CSU – darf man an dieser Stelle daran erinnern, dass die Buchstaben eigentlich für "Christlich Soziale Union" stehen?

Christlich und sozial war es, was all die Menschen in den vergangenen Wochen und Monaten auf die Beine gestellt haben, um die Notleidenden hier menschenwürdig aufzunehmen. Deutschland erstrahlte weltweit in neuem Licht – München leuchtete ganz besonders. Jetzt naht die Zeit des Oktoberfestes, da möchten bayrische Minister lieber die Zelte auf der Wiesn besuchen als schmucklosen Notunterkünfte und behelfsmäßige Zeltstädte. Dort auf der Wiesn werden übrigens auch in diesem Jahr wieder über sechs (!) Millionen Besucher organisatorisch reibungslos untergebracht und mit allem, was der Mensch so braucht (oder auch nicht braucht) versorgt.

Der bayrische Innenminister war sich nicht zu schade, zu betonen, man wolle die meist muslimischen Flüchtlinge vor dem Anblick der Betrunkenen bewahren, deshalb sollten sie wohl lieber aus dem Bahnhof und dem Stadtbild verschwinden (die Flüchtlinge, nicht die Betrunkenen wohlgemerkt).

Weder ungarischer Nato-Zaun noch  deutscher Bundesgrenzschutz werden die Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, aufhalten. Wer jetzt Tür und Tor verrammelt, der treibt nur die Preise der skrupellosen Schlepper in die Höhe. Wer unvorstellbare Not und Elend jahrelang überlebt hat, wer dem Terror in seiner Heimat gerade noch entkommen ist, wer selbst den Tod im Mittelmeer in Kauf nimmt, der wird sich doch durch solche hilflosen Versuche der europäischen Grenzschützer nicht aufhalten lassen.

Das Haus Europa verriegelt und verrammelt sich gerade. Im Haus wird zudem heftig darüber gestritten, wer wo nicht frühzeitig genug abgeschlossen hat und wer viel zu lange die Terrassentür aufgelassen hat.

Nein, ein solches Haus Europa, das sich den Notleidenden verschließt, ist kein Bauwerk, worauf das ach so christliche Abendland stolz sein kann. Auch wenn sich der ungarische Ministerpräsident noch sehr darauf beziehen mag. "Tor auf, Tor auf"  – wir Deutschen haben weltweit die beste Erfahrung, wie man menschenunwürdige Grenzen und Mauern überwindet. Wir sind das Volk, das weiß, dass Menschenwürde und Menschenrechte nicht mit Füßen getreten werden dürfen. Und gerade wer auf den Namen Jesus Christus getauft ist, der darf daran erinnert werden, dass Hungernden Brot und Fremden Heimat gegeben werden muss. Immer und ohne jede Ausnahme. War da gerade nicht die Kanzlerin, die  Mut machend "Wir schaffen das!" gerufen hat? Auf, ihr Christen Europas – mit Eurem Gott überspringt Ihr Eure eigenen Mauern der Angst!


Quelle:
DR