Bürgermeister tritt wegen NPD-Anfeindungen zurück

Von den Behörden allein gelassen

In Sachsen-Anhalt tritt ein Ortsbürgermeister aus Angst vor Rechtsextremen zurück. Der Grund: Er hatte sich für ein Flüchtlingsheim eingesetzt.

Markus Nierth (dpa)
Markus Nierth / ( dpa )

In Sachsen-Anhalt haben die massiven Proteste gegen ein geplantes Flüchtlingsheim zum Rücktritt eines Ortsbürgermeisters geführt. Der ehrenamtliche Ortsvorsteher von Tröglitz im Burgenlandkreis, Markus Nierth (parteilos, von der CDU nominiert), hatte für eine Willkommenskultur für die etwa 50 Flüchtlinge in der rund 3.000-Seelen-Kommune geworben. Dafür war er in den vergangenen Wochen von Einheimischen und Rechtsextremen stark angefeindet worden. Unter Führung des NPD-Kreisrates Steffen Thiel versammelten sich die Heimgegner in Anlehnung an die "Pegida"-Aufzüge zu wöchentlichen "Lichterspaziergängen" mit oft über 100 Teilnehmern.

Nachdem der Aufzug der Heimgegner am vergangenen Sonntag vor seinem Privathaus enden sollte und die Behörden zunächst keine Möglichkeiten sahen, dies zu verhindern, trat Nierth von seinem Amt zurück. Nierth fühlt sich von den Behörden allein gelassen, schreibt er in seiner Rücktrittsbegründung: "Als ich Donnerstag von diesen Plänen erfuhr, waren kein Verantwortlicher und auch kein Landrat mehr zu erreichen." Weiter schreibt er: "Die Feindschaft von dieser Seite aus [von den Rechten, Anm. d. Red.] hätten ich, und auch meine Familie, noch eine ganze Weile ausgehalten. Was aber dem Fass den Boden ausschlug, war die Erkenntnis, daß man im Landratsamt nicht willig oder fähig ist, von vornherein mit geeigneten Argumenten solch eine Demonstration vor meinem Wohnhaus zu unterbinden."

Angst um seine Familie

Er sei von seinem Amt aus Angst um seine Familie zurückgetreten, so Nierth: "Immerhin geht es hier um meine Kinder und meine Frau, die durchaus Angst davor haben dürfen, daß […] Neonazis und NPD-Anhänger mit ihren lieblich-friedlichen Gesichtern durch unsere Fenster gucken und als Retter des christlichen Abendlandes uns liebevoll segnende Parolen zukommen lassen. Hätte ich meinen Kindern, die in der letzten Zeit schon einiges ertragen mußten, zumuten sollen, daß vor ihren Kinderzimmern bewaffnete Polizisten stehen müssen, und zudem rassistische und hasserfüllte Parolen bis dorthin dringen? Dazu sind mir meine Kinder viel zu wertvoll!"

Der Vorfall hatte bundesweit Empörung ausgelöst. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) plant als Konsequenz eine Verordnung zum besseren Schutz von ehrenamtlichen Politikern. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte: "Hetze gegen Flüchtlinge, Hetze gegen demokratisch gewählte Bürgermeister - das geht gar nicht." Politik und Zivilgesellschaft müssten gemeinsam klar Position beziehen und die Demokratie mit den Mitteln des Rechtsstaates gegen rechtsextreme Umtriebe verteidigen.

Problem in beiden Teilen Deutschlands

Gerade hier sieht Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, das Problem gerade bei Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland: "Prinzipiell gibt es das Problem in beiden Teilen Deutschlands. Das Problem im Osten basiert nur auf einer anderen kulturellen Grundlage: In Ostdeutschland wurde es nur sehr langsam geschafft, zivilgesellschaftliche Strukturen aufzubauen, also engagierte Bürger, die selbstbewusste auftreten und sagen, dass etwas unternommen werden muss. Das ist in vielen Teilen Westdeutschlands selbstverständlicher."

Kahane kritisiert, dass das Thema Rechtsextremismus von den Behörden oft nicht ernst genug genommen wird: "In einer solchen Situation wie in Tröglitz muss natürlich die Polizei da sein, müssen die Bürger da sein, muss die Verwaltung da sein, da müssen die politischen Parteien sich hinstellen und sagen: 'Das kommt überhaupt nicht in Frage, den Mann müssen wir schützen.' Das scheint alles nicht passiert zu sein, insofern ist das schon eine Katastrophe für die lokale Demokratie."


Quelle:
epd , DR