Körperakzeptanz als Vorbild für die Fastenzeit

"Jeder Körper hat Würde verdient"

Der Verzicht vor Ostern hat unter Christen Tradition. Es muss aber nicht immer weniger von etwas sein. Manchmal darf es sogar etwas mehr sein. Zum Beispiel, wenn es um die Akzeptanz körperlicher Vielfalt geht.

Autor/in:
Lisa Konstantinidis
Symbolbild: Körperakzeptanz als Vorbild für die Fastenzeit / © Alena Ozerova (shutterstock)
Symbolbild: Körperakzeptanz als Vorbild für die Fastenzeit / © Alena Ozerova ( shutterstock )

In der Fastenzeit überlegen viele Menschen, worauf sie 40 Tage lang verzichten möchten. Süßigkeiten, Autofahren oder doch lieber weniger Plastik und Verpackung kaufen? Worauf auch immer die Entscheidung fällt - es geht in der Regel um einen bewussteren Lebensstil und den Verzicht auf Dinge oder Verhaltensweisen. Dabei gilt es zu überlegen, ob das Weniger in der Fastenzeit nicht auch ein Anlass für ein Mehr sein kann.

Ein Mehr an Akzeptanz und Achtung für den eigenen Körper beispielsweise, was gleichzeitig ein Weniger an Ablehnung gegen ein vermeintlich unperfektes Ich beinhaltet. Zu dick, zu dünn, zu klein, zu groß, zu viele Narben, nicht dem aktuellen Schönheitsideal entsprechend - es gibt viele Gründe, warum Menschen mit ihrem Körper und sich selbst hadern.

Und das beginnt schon in frühen Jahren, wie aktuelle Ergebnisse der HBSC-Studie zu Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland zeigen. Demnach empfinden sich bereits rund 41 Prozent der Mädchen und 30 Prozent der Jungen zwischen 11 und 15 Jahren als zu dick.

Einsatz für mehr "Body-Positivity"

Für eine positivere Einstellung zum eigenen Körper werben seit einigen Jahren vor allem Frauen. Die "Body Positivity"-Bewegung setzt sich für die Akzeptanz aller ein, unabhängig von ihren äußerlichen Merkmalen, und geht damit gegen gängige Schönheitsideale an. In den Sozialen Netzwerken finden sich Unmengen an Posts, die zu mehr Selbstliebe und Körperakzeptanz aufrufen. Neu ist das Konzept nicht - seine Ursprünge lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen, als das Schönheitsideal der Wespentaille in Frage gestellt wurde.

Magda Albrecht ist Autorin und politische Referentin, lebt in Berlin und kritisiert den Umgang mit Menschen, die gesellschaftlichen Schönheits- und Gesundheitsvorstellungen nicht entsprechen: "Gerade in den letzten Jahrzehnten hat sich ein extremes Schönheitsbild gebildet - der schlanke Körper ohne Behinderung, ohne vermeintliche Makel. Wer von der Norm abweicht, soll permanent damit beschäftigt sein, etwas an sich zu ändern", sagt sie.

Dabei brauche es einen möglichst vorurteilsfreien, liebevollen und empathischen Blick auf den Körper - und nicht zuletzt einen gesellschaftlichen Wandel. "Unterschiedlichkeit ist Normalität und sollte wertgeschätzt werden. Wir sollten für eine Welt kämpfen, die vom Mensch und seinen Bedürfnissen ausgeht und nicht versucht, alle in eine Norm zu pressen."

Schönheitsideale halten sich hartnäckig

Obwohl Albrecht positive Erfolge der "Body Positivity"-Bewegung erkennt, sieht sie auch kritikwürdige Entwicklungen. So hätte die Initiative zwar eine gewisse Sichtbarkeit für Körper erreicht, die keinem schlanken Schönheitsideal entsprechen, und eine gesellschaftliche Debatte über Schönheit und Gesundheit angeregt. Es gebe innerhalb der "Body Positivity"-Bewegung aber auch Tendenzen, "zu oberflächlich auf das Thema zu schauen und nur bestimmte Körper zu feiern - die zwar kurvig sind, aber immer noch weitestgehend den Schönheitsnormen entsprechen", wie sie sagt. "Wichtig aber ist, dass jeder Körper Würde verdient hat - egal, ob dick oder dünn, gesund oder krank."

Es gibt eine Reihe von Erklärungen dafür, warum sich bestimmte Schönheitsideale hartnäckig halten: Sie reichen von unbewusst weitergegebenen Körpervorstellungen von Eltern an ihre Kinder bis zu einer unrealistischen Körperinszenierung in den Sozialen Medien. Dass jeder Mensch sein Weltbild verändern und einen vorurteilsbewussten Blick auf die Welt entwickeln kann, davon ist Albrecht jedoch überzeugt. "Wer ein Bewusstsein hat, dass Diskriminierung existiert, kann aktiver dagegen steuern", sagt sie. "Es braucht aber auch konkrete Maßnahmen, um gegen die Schlechterbehandlung dicker Menschen im Gesundheitssystem oder gegen die Diskriminierung beispielsweise im Bewerbungsprozess vorzugehen."

Albrecht sagt, es gehe ihr nicht nur um einen individuellen Kampf, seinen Körper zu akzeptieren und sich damit besser zu fühlen, sondern um etwas Größeres: eine gesamtgesellschaftliche Debatte und einen Wandel von Strukturen. Denn nur so könne man Diskriminierung aufgrund von Äußerlichkeiten ein Ende setzen. Noch so ein Weniger, das eigentlich ein Mehr ist.

 

Quelle:
KNA