Welttag "Cities for Life" zur Abschaffung der Todesstrafe

"Wir sind da sehr hoffnungsvoll"

Seit 20 Jahren organisiert die Gemeinschaft Sant'Egidio den Weltttag "Cities for Life". Bekannte Gebäude werden beleuchtet oder angestrahlt, um für den Respkt gegenüber dem Leben und gegen die Todesstrafe einzutreten.

Hinrichtungsraum in den USA / © Kiichiro Sato (dpa)
Hinrichtungsraum in den USA / © Kiichiro Sato ( dpa )

DOMRADIO.DE: Welche Gebäude sind das heute und was findet heute darüber hinaus statt?

Pfr. Dr. Matthias Leineweber (2. Vorsitzender der Gemeinschaft "Sant'Egidio"): In Berlin wird das Rote Rathaus beleuchtet, in Bremen die Stadtmusikanten, in Leipzig läutet die Goerdeler-Glocke, die an den antifaschistischen Zeugen erinnert und in Würzburg wird die Festung über dem Main grün beleuchtet. Also ganz verschiedene, typische Gebäude. Das ist eine Aktion, die auf diesen Tag hinweist.

Eine andere Aktion sind Dichterlesungen oder auch, dass Zeugen bei Veranstaltungen sprechen. Das ist natürlich dieses Mal etwas eingeschränkt wegen der Pandemie. In Deutschland ist zum Bespiel ein Zeuge unterwegs, Joaquin Martinez, vor allen Dingen in Schulen, der von seinen Erfahrungen berichtet. Er war im Todestrakt in den USA und spricht mit Jugendlichen, um ihnen auch ein bisschen die Gründe zu erklären, warum man sich gegen die Todesstrafe einsetzen könnte.

DOMRADIO.DE: Heute Abend wird auch das Kolosseum in Rom feierlich beleuchtet. Warum haben Sie sich für dieses Gebäude entschieden?

Leineweber: Das Kolosseum ist ein sehr typisches Gebäude, wo in der Antike einfach viele Hinrichtungen stattfanden. Und damit verbindet man einfach meistens diese Freude am Töten, bei diesen Spielen und Gladiatorenkämpfen. Und deswegen soll es jetzt statt ein Symbol für das Töten zu sein, die Freude zum Leben symbolisieren. Damit diese Tendenz endgültig auch von unserer Welt verschwindet, dass man Menschen das Leben nimmt.

DOMRADIO.DE: Gibt es für alle, die gegen die Todesstrafe angehen, momentan auch gute Nachrichten?

Leineweber: Ja, zum Glück gibt es gute Nachrichten. Seit es die Kampagne gibt, hat sich zum Beispiel in den USA die Tendenz umgekehrt: Es gibt immer mehr Staaten, die die Todesstrafe abschaffen. Dieses Jahr Virginia als 23. US-Bundesstaat, in den letzten sieben Jahren waren es sieben Bundesstaaten. Das ist eine sehr wichtige Tendenz. Joe Biden hat dieses Jahr die Hinrichtungen auf Bundesebene ausgesetzt.

Wir erinnern uns an letztes Jahr, am Ende der letzten Präsidentschaft wurden noch mal 13 Menschen, auch eine Frau, hingerichtet. Das waren Massenexekutionen. Es war ein schreckliches Erlebnis und ich glaube, das hat Biden auch dazu veranlasst, diesen Beschluss zu verhängen, im Moment niemanden hinzurichten. Es gibt in Afrika viele Länder, die das überlegen, wie Malawi oder Sierra Leone. Und wir hoffen, dass Afrika bald nach Europa ein Kontinent ohne Todesstrafe sein wird.

DOMRADIO.DE: Und was sind umgekehrt die schlechten Nachrichten?

Leineweber: Im Zusammenhang mit dem Terrorismus und dem Fundamentalismus, das haben wir ja alle in den Medien verfolgt, gibt es wieder eine Zunahme von Hinrichtungen, gerade durch islamistische Bewegungen. Es gibt Tendenzen, auch von Populisten, die auch in Europa wie in Ungarn sagen: Wir würden die Todesstrafe wieder lieber einführen, um einen harten Staat zu haben, der Kriminalität bekämpft. Wobei man sagen muss: Diese Praxis bekämpft keine Kriminalität. Die Staaten, die die Todesstrafe beibehalten, sind meistens Staaten mit einer höheren Kriminalität.

DOMRADIO.DE: Auch Papst Franziskus wendet sich gegen Gewalt und gegen die Todesstrafe. Die Todesstrafe sei eine unmenschliche Maßnahme, die in jeglicher Weise ihrer Anwendung gegen die persönliche Würde verstoße, sagte er. Er wünscht sich eine Kultur der Wertschätzung und des Friedens. Was bringt es, wenn der Papst alle Menschen guten Willens dazu aufruft?

Leineweber: Zumindest mal für die katholische, und ich würde auch sagen, für die christliche Welt, ist er ein sehr wichtiger Zeuge. Er wird sehr gehört, er wird geschätzt. Er hat ja auch vor einigen Jahren den Katechismus noch mal so verändert, dass die katholische Kirche in keiner Weise die Todesstrafe befürwortet, er hat das noch mal deutlich formuliert.

Und er pflegt ja auch den interreligiösen Dialog und bringt diesen Respekt vor dem Leben auch immer in seine Gespräche mit ein. Zum Beispiel, mit dem Islam, mit dem Großimam von al-Azhar in Ägypten, Ahmad al-Tayyeb. Das sind sehr wichtige Zeugen und es ist wichtig, dass solche Persönlichkeiten ihre Stimme erheben, denn sie werden natürlich mehr gehört als ich persönlich als einfaches Mitglied einer geistlichen Gemeinschaft.

DOMRADIO.DE: Gar keine Todesstrafe mehr auf der ganzen Erde: Sind wir davon noch weit entfernt? Wie wollen Sie das erreichen?

Leineweber: Es gibt natürlich einige Großmächte wie China oder auch die USA, in denen noch hingerichtet wird. Aber wir sind sehr hoffnungsvoll, weil sich in den letzten 20 Jahren weltweit sehr, sehr viel getan hat. Ich erinnere an die UNO-Resolution für ein Moratorium letztes Jahr im Dezember. 123 Länder der Welt haben sich dafür ausgesprochen, vier Länder sind neu dazugekommen. Das ist doch eine eindeutige Tendenz in diesen zwanzig Jahren.

In den 90er-Jahren ist so eine Resolution noch gescheitert. Da war die Mehrheit dafür, die Hinrichtungen fortzusetzen. Wir sind da sehr hoffnungsvoll. Das ist eine zähe Arbeit, die dauert auch lange. Wir haben öfters auch Kongresse mit Justizministern, auch die muss man überzeugen und ihnen helfen, dass sie Mechanismen entwickeln können, wie es Alternativen gibt zur Todesstrafe.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR
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