Homosexueller Katholik hofft auf offenere Kirche

"Ich bin von Gott so geschaffen"

Sie markieren den Beginn einer Entkriminalisierung von Homosexualität, die Straßenschlachten in den USA vor 52 Jahren, bekannt als Christopher Street Day. Jahrzehnte später ist Kirche bei dem Thema noch sehr zurückhaltend. Warum?

Kreuz auf Regenbogenfahne / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kreuz auf Regenbogenfahne / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Ihnen der Christopher Street Day?

Thomas Pöschl (Vorstand der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexualität und Kirche): Es ist die Erinnerung an dieses Ereignis in New York, und es ist natürlich der Tag, an dem man sich selber feiern kann, an dem man sich zeigen kann und an dem man auch die Forderungen der schwul-lesbischen Community, der LGBT-Community, neu artikuliert und wieder zur Sprache bringt.

DOMRADIO.DE: Es ist immer noch ein weiter Weg bis zur Gleichberechtigung von Homosexuellen, besonders in der katholischen Kirche, die sogar verbietet, homosexuelle Paare zu segnen. Warum engagieren Sie sich in einer Institution, die sich so ablehnend Homosexuellen gegenüber verhält?

Pöschl: Weil die katholische Kirche meine Kirche ist. Ich bin seit der Taufe katholisch. Und ich bin, denke ich, auch so wie ich geschaffen bin, ein schwuler Mann oder ein schwuler Junge damals gewesen. Das habe ich mir beides selber nicht ausgesucht. Das ist mir gegeben und darum engagiere ich mich an der Stelle.

DOMRADIO.DE: Wie reagieren Sie denn darauf, wenn der Vatikan anordnet, homosexuelle Paare dürfen nicht gesegnet werden?

Pöschl: Wir wissen ja seit langem, dass sich der Vatikan im Hinblick auf Sexualität sehr, sehr schwertut. Für mich ist viel wichtiger, dass es in den Kirchen, in der evangelischen und katholischen in Deutschland Aufbrüche gegeben hat, in der evangelischen schneller, in der katholischen langsamer. Deswegen lohnt sich, sich da zu engagieren. Wir sehen inzwischen auch mit dem Synodalen Weg, dass es auch eine breitere Basis gibt und auch eine mehrheitliche Sicht, dass an der Stelle die Gleichberechtigung einfach vorangebracht werden muss.

DOMRADIO.DE: Was glauben Sie, warum tut sich die katholische Kirche denn so schwer mit der Homosexualität? Was sind da mögliche Ursachen?

Pöschl: Ich glaube, dass die katholische Kirche insgesamt eine Kirche ist, die sehr stark von Angst geprägt ist. Das sieht man auch daran, dass die Priester, die Bischöfe, die auch sonst irgendwie ein ängstliches, furchtsames Verhalten zeigen, sehr viel weniger offen sind als die, die angstfreier sind.

Und ein natürlicher Umgang mit Homosexualität und Sexualität insgesamt ist gerade im Klerus aufgrund des Zölibats nicht möglich.

DOMRADIO.DE: Es gibt Menschen, die sagen, es stehe schon im Alten Testament der Bibel, Homosexualität sei eine Sünde. Schließlich habe Gott die Menschen als Adam und Eva erschaffen oder wie man auf Englisch polemisiert als "Adam and Eve" und nicht als "Adam and Steve".

Pöschl: Ich denke, was in der Bibel steht, wird ständig ausgelegt und muss auch ausgelegt werden. Diese Auslegung, wie Sie es beschrieben haben, ist ja überholt. Die Exegeten können heute sagen, dass diese Formulierungen überhaupt nichts mit Liebe zu tun haben und überhaupt nichts damit zu tun haben, dass Menschen so geschaffen sein könnten, sondern immer so, dass Menschen sich verhalten, entgegen der Form, wie sie geschaffen sind.

Wir wissen heute, dass es laut der Humanwissenschaften genauso natürlich ist, gleichgeschlechtlich zu leben, wie verschiedengeschlechtlich zu leben. Als glaubender Mensch sage ich, dass ich halt einfach von Gott so geschaffen bin.

DOMRADIO.DE: Haben Sie die Hoffnung, dass sich was ändert, dass die Kirche offener und ehrlicher wird in diesem Bereich?

Pöschl: Ja, das habe ich. Denn wenn ich zurückblicke auf die Anfänge der HuK (Homosexualität und Kirche, Anm.d. Red.) 1977, sind das über 40 Jahre her. Es hat sich die evangelische Kirche lange Zeit nicht bewegt und sie hat sich schließlich bewegt. Warum soll die katholische das nicht genauso schaffen?

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR
Mehr zum Thema