Diskussion um Bluttest zur Bestimmung von Trisomie 21

Irgendwann eine Routineuntersuchung?

Werden Krankenkassen bald den Bluttest zur Früherkennung von Trisomie 21 zahlen? Michaela Dedreux hat eine Tochter mit Down-Syndrom, die sich schon mit Kanzlerin Merkel traf. Wie blickt sie als Mutter auf diese Entwicklung?

Blutproben im Labor / © epa Keystone Dominic Favre (dpa)
Blutproben im Labor / © epa Keystone Dominic Favre ( dpa )

Die gesetzlichen Krankenkassen werden künftig voraussichtlich die Kosten für den so genannten "Praena-Test" übernehmen, mit dem die Trisomien 21, 18 und 13 beim ungeborenen Kind diagnostiziert werden können. Auf einen entsprechenden Beschlussentwurf habe sich das zuständige Entscheidungsgremium im Grundsatz geeinigt, berichtet der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe.  

Michaela Dedreux ist die Mutter von Natalie Dedreux, die bekannt wurde, weil sie 2017 in der "ARD-Wahlarena" Angela Merkel mit dem Thema Spätabtreibungen konfrontierte. Später durfte sie die Bundeskanzlerin nochmal persönlich treffen. DOMRADIO.DE sprach mit der Mutter über die aktuelle Diskussion.

DOMRADIO.DE: Sollte der "Praena-Test" Kassenleistung werden oder nicht - wie sehen Sie das?

Michaela Dedreux: Das ist natürlich eine sehr schwierige Frage, die ich nicht so einfach beantworten kann. Grundsätzlich finde ich, dass weniger der Test oder der medizinische Fortschritt das Problem sind. Den haben wir und den können wir nicht aufhalten. Ich finde vielmehr, das Ganze müsste auf politischer und gesellschaftlicher Ebene diskutiert werden und wir müssen es begleiten. Ich kritisiere, dass man ohne größeres Nachdenken solche Tests als Routineuntersuchung ausgibt, ohne mit den Menschen, die es betrifft, auch wirklich darüber zu reden.

Mein Albtraum wäre, dass das irgendwann in einem Standard-Screening untersucht wird. So wie man heute Eisen- oder Folsäurewerte misst, schaut man dann auch mal eben, ob das ungeborene Kind Trisomie 21, 18 oder 13 hat, ohne dass den Frauen überhaupt eine Wahlmöglichkeit gelassen wird. Das finde ich sehr schwierig.

DOMRADIO.DE: Was befürchten Sie, wenn das zum Standard würde?

Dedreux: Es wird künftig wesentlich weniger Menschen mit einer Trisomie geben. Das Problem haben wir jetzt schon, weil es eine der wenigen Formen von Chromosom-Variationen ist, die mit nahezu 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit erkannt wird. Man gibt vor, dass man mit dem Test überprüfen kann, ob ein Kind gesund ist oder nicht.

Es ärgert mich sehr, wenn Ärzte sagen, die Frauen hätten ein Recht darauf zu wissen, ob ihr Kind gesund ist oder nicht. Da stecken zwei Denkfehler drin, erstens: Trisomie 21 ist keine Krankheit und wenn sie bei einem Kind nachgewiesen wird, sagt das überhaupt nichts über den Gesundheitszustand des Kindes aus. Und zweitens: Wenn das Kind keine Trisomie 21 hat, ist das auch keine Garantie dafür, dass es gesund ist.

Das ist eine total irreführende Diskussion: Wir dürfen nicht vergessen, dass über 90 Prozent der in Deutschland anerkannten Schwerbehinderungen nach der Geburt eintreten, durch Sauerstoffmangel im Gehirn beispielsweise oder durch Unfälle, später im Leben. Hier wird etwas als problematisch, tragisch und belastend dargestellt, ohne dass man überhaupt darüber nachgedacht oder sich das mal angeschaut hat.

DOMRADIO.DE: In neun von zehn Fällen entscheiden sich Eltern, die die Diagnose "Trisomie 21" vor der Geburt ihres Kindes erhalten, für eine Abtreibung. Warum glauben Sie, ist das so?

Dedreux: Ich glaube zum einen, dass die Frauen oft nicht gut beraten werden. Viele Ratschläge gehen in die Richtung: "Tun Sie sich das doch nicht an! Sie können doch noch mal schwanger werden." Es gibt sicherlich Gynäkologen, die das anders machen, aber es sind meiner Meinung nach immer noch zu viele, wo die Beratung klar in eine Richtung läuft. Es hat möglicherweise rechtliche Gründe, dass die Ärzte fürchten, verklagt zu werden.

Das andere Thema ist: Wir müssten einfach in der Gesellschaft Menschen mit Trisomie 21 oder grundsätzlich Menschen mit einer Behinderung den Platz einräumen, der ihnen zusteht, nämlich mittendrin: Im Kindergarten, in der Schule, bei der Arbeit, beim Sport, in der Freizeit. Sie sollten dazugehören und nicht exkludiert werden. Wenn sich unsere Gesellschaft mehr in diese Richtung bewegen würde, dann würden sich auch weniger Familien gegen ein solches Kind entscheiden.

DOMRADIO.DE: Wenn solche Tests Standard werden, müssen sich dann Eltern irgendwann rechtfertigen, wenn sie sich trotz der Diagnose für das Kind entscheiden?

Dedreux: Ja klar, das ist heute schon so. Ich hatte das große Glück, dass mir die Frage: "Warum habt ihr dieses Kind bekommen?" nie gestellt wurde. Aber auch mir hat jemand, als ich nach meiner Tochter mit Down-Syndrom noch ein weiteres Kind bekam, jovial auf die Schulter geklopft und gesagt: "Dieses Mal guckt ihr aber genauer hin, ne?" Da war ich sprachlos.

Ich finde, wir haben kein Recht auf Gesundheit und Unversehrtheit. Dinge, die von der Normalität abweichen, gehören zu unserem Leben dazu und bereichern es. Meine Tochter ist jetzt 20 Jahre alt und mein Leben wäre völlig anders verlaufen, wenn sie nicht so auf die Welt gekommen wäre, wie sie ist. Das war nicht immer leicht, aber mein Leben ist schön!

DOMRADIO.DE: Was würden Sie Eltern erzählen, die vor so einer Entscheidung stehen, weil sie die Diagnose gerade bekommen haben?

Dedreux: Ich würde ihnen sagen: "Traut Euch das zu, ihr schafft das!" Ich höre ganz oft von Leuten: "Ich könnte das nicht. Ich hätte das nicht geschafft!" Ich weiß auch nicht, ob ich mir das vorher zugetraut hätte, aber als die Situation da war, mussten wir sie so annehmen.

Unerwartete Situationen bringt das Leben mit sich. Auch wenn unsere Kinder gesund auf die Welt kommen, auch wenn sie schon 30 oder 40 sind. Ich glaube, wenn man als Eltern und als Familie seine Kinder willkommen heißt und sie liebt, dann schafft man alles.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.


Michaela und Natalie Dedreux mit Bundeskanzlerin Angela Merkel / © Oliver Berg (dpa)
Michaela und Natalie Dedreux mit Bundeskanzlerin Angela Merkel / © Oliver Berg ( dpa )

Natalie Dedreux nach einer Pressekonferenz zum Thema Bluttests auf Down Syndrom / © Britta Pedersen (dpa)
Natalie Dedreux nach einer Pressekonferenz zum Thema Bluttests auf Down Syndrom / © Britta Pedersen ( dpa )
Quelle:
DR
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