Tag der seltenen Krankheiten wirbt für bessere Versorgung

Waisen der Medizin

Etwa 8.000 seltene Erkrankungen sind zur Zeit bekannt. Patienten, die an ihnen leiden, warten oft jahrelang auf Diagnosen und Hilfe. Wegen der geringen Fallzahl fehlt es häufig an Forschung und es werden nur wenige Medikamente entwickelt. 

Autor/in:
Christoph Arens
Ehrenamtliche Helferin bei medizinischer Sprechstunde / © Dominik Asbach (KNA)
Ehrenamtliche Helferin bei medizinischer Sprechstunde / © Dominik Asbach ( KNA )

Schon ihre Namen verheißen nichts Gutes: Wer die Internetseite www.seltenekrankheiten.de besucht, erhält Informationen zum Hereditären Angioödem, zur Transthyretin-assoziierten familiären Amyloid-Polyneuropathie oder zum Alpha1-Antitrypsinmangel.

Fabio beispielsweise, der Sohn des RTL-Wetterexperten Christian Häckl, leidet unter Neurofibromatose, einem Gendefekt, bei dem im gesamten Körper gutartige Tumoren wuchern können.

"Mir ist es wichtig, auf die Erkrankung aufmerksam zu machen, Gelder für die Forschung zu sammeln und nicht zu schweigen. Denn nur so kann man etwas bewirken", sagt Vater Häckl. Und macht damit auf ein großes Problem aufmerksam.

Entwicklung von Medikamenten lohnt sich kaum

Menschen mit seltenen Erkrankungen werden auch als "Waisen der Medizin" bezeichnet. Denn diese Krankheiten werden oft stiefmütterlich behandelt, weil das Wissen gering ist. Die Forschung gestaltet sich angesichts kleiner Patientengruppen schwierig und die Entwicklung von Medikamenten lohnt sich finanziell kaum.

Deshalb wird in Europa und Kanada seit 2008 der "Tag der seltenen Krankheiten" begangen - normalerweise bewusst am 29. Februar, also am seltensten Tag des Kalenders. In Nicht-Schaltjahren ist der 28. Februar Ersatz.

Eine Krankheit gilt in der EU als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer der rund 8.000 seltenen Erkrankungen. In der EU geht man von 30 Millionen Menschen aus. Etwa 80 Prozent der seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt oder mitbedingt; selten sind sie heilbar.

"Selbsthilfe ist oft die einzige Anlaufstelle"

Damit sich überhaupt etwas bewegt, haben Erkrankte und Angehörige zahlreiche Selbsthilfeorganisationen gebildet. Rund 130 von ihnen haben sich unter dem Dach der "Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen" (ACHSE) zusammengeschlossen.

"Die Selbsthilfe ist nicht selten die erste und oft die einzige Anlaufstelle", sagt Schirmherrin Eva Luise Köhler, die Frau des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler und Stiftungsratsvorsitzende der "Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen".

Sie fordert auch Änderungen im Gesundheitssystem. Dazu gehöre etwa die bislang noch zu schleppend verlaufende Einrichtung und Zertifizierung von Zentren, in denen Patienten mit seltenen Erkrankungen diagnostiziert und behandelt werden können.

"Denn weil sie so selten und zugleich so komplex sind, sind sie so schwer zu erkennen. Zugleich mangelt es an Wissen. Es wird zu wenig geforscht, die wenigen Experten sind nicht gut vernetzt", so die frühere First Lady.

Betroffene seien deshalb zu jahrelangen Ärzte-Odysseen gezwungen. Es gebe kaum Therapien und Behandlungsansätze. Sie fühlen sich oft alleingelassen. Köhler betont zudem, dass der Begriff "selten" gar nicht zutreffe: In Mitleidenschaft gezogen würden schließlich auch die Angehörigen - etwa dadurch, dass es im Durchschnitt sieben Jahre dauere, bis eine zutreffende Diagnose gestellt werde.

"Forschung muss vorangetrieben werden"

"Wir wissen noch immer viel zu wenig über seltene Erkrankungen. Daher ist es besonders wichtig, die Forschung auf diesem Gebiet weiter voranzutreiben", erklärte am Dienstag auch der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery.

Geringe Fallzahlen dürften nicht dazu führen, dass die betroffenen Kinder und Erwachsenen vergessen werden. Nach seinen Angaben haben Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin gemeinsam mit der ACHSE zahlreiche Patienteninformationen für Betroffene entwickelt.

Auch das 2010 gegründete Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) soll für Vernetzung und mehr Forschung sorgen.

Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) betonte, seit dem Jahr 2000 seien rund 160 Medikamente in der EU zum Einsatz gegen seltene Krankheiten zugelassen worden. Auch immer mehr seltene Krebserkrankungen ließen sich medikamentös behandeln. "Forschende Pharma-Unternehmen richten ihre Forschung auch am medizinischen Bedarf der Menschen mit seltenen Erkrankungen aus", sagte Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Seit der Jahrtausendwende habe sich viel getan.


Quelle:
KNA