Wenn das Beschenken zu einem leeren Ritus wird

Schenken wir noch oder bestellen wir nur?

Die Suche nach dem richtigen Weihnachtsgeschenk braucht Zeit. Bequemer und schneller ist da Onlineshopping, elf Millionen Pakete werden pro Tag verschickt. Der Kapuzinermönch Bruder Paulus meint, es brauche eine andere Geschenkkultur.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Elf Millionen Pakete am Tag in der Vorweihnachtszeit, inwiefern müssen wir ein schlechtes Gewissen haben?

Bruder Paulus (Kapuzinermönch und Medienexperte): Wir müssen schon ein schlechtes Gewissen haben, dass wir vieles einfach unnötig verschicken. Man kann doch eigentlich auch ins Geschäft gehen, auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Man macht es aber lieber mit dem Mausklick und belastet dadurch die Umwelt. Es ist schon viel Verpackungsmüll, der zusammenkommt. Insgesamt wird zu wenig nachgedacht über das, was man sich schicken lässt.

DOMRADIO.DE: Es werden in jedem Jahr mehr Pakete, ungefähr eine Million mehr pro Tag, die im vergangenen Jahr dazugekommen sind. Dabei geht es eigentlich um etwas anderes, verschwindet die christliche Botschaft unter den ganzen Geschenken?

Bruder Paulus: Die meisten Pakete, die verschickt werden, sind nicht nur Weihnachtspakete. Man muss auch sehen, dass der Warenhandel in Deutschland auch außerhalb der Weihnachtszeit schon sehr groß ist. Das Schenken ist zu einem leeren Ritus geworden, ich sehe hinter dem, was bei mir so ankommt, nicht mehr viel Herz. Man steckt in einer Adressdatei und wird wie alle anderen beschickt. Ich glaube, da sollte jeder mal schauen, wäre es nicht auch wirkungsvoller weniger zu schenken? Vor allen Dingen auch ehrlicher? Ich glaube, wir brauchen eine neue, ehrliche Geschenkkultur.

Man muss auch an die Menschen dahinter denken, an die Zusteller und diejenigen, die es einpacken. Sie werden sicher nicht alle richtig entlohnt. Ich hoffe, dass diejenigen, die in den nächsten Tagen ein Geschenk an der Haustür kriegen, vielleicht auch noch einen Euro als Trinkgeld für den Paketzusteller haben.

DOMRADIO.DE: Wie kommt das bei Familie und Freunden an, wenn man weniger oder nichts schenkt?

Bruder Paulus: Von nichts hab ich nicht gesprochen, aber wir haben gerade heute noch im Kloster über frühere Adventszeiten gesprochen, wie es in der Kindheit war. Da hat man die Laubsäge rausgeholt und selber mal ein Bild ausgesägt.

DOMRADIO.DE: Warum schenken wir uns an Weihnachten überhaupt etwas? Von der Theologie her ist ja eigentlich das Osterfest das größte und auch wichtigste christliche Fest.

Bruder Paulus: Ich glaube schon, dass wir in der Weihnachtszeit insbesondere feiern, dass Gott uns beschenkt hat mit der Welt, mit dem Leben, dass das Leben ein einziges Geschenk ist und voller Überraschungen steckt. So wollen wir auch mit den Geschenken dem Anderen aussagen, du bist ein Geschenk für mich.

Wenn man ganz ehrlich ist, ist es sehr viel leichter zu schenken, als sich beschenken zu lassen. Sich richtig in Erstaunen setzen zu lassen, weil ein anderer nachgedacht, ausgesucht und etwas persönlich formuliert hat. Du bist ein Geschenk, das ist auch eine besondere Freude zur Weihnachtszeit, weil Gott uns das so sagt.

DOMRADIO.DE: Was schenken Sie zu Weihnachten? Wie gehen Sie mit dem Verschenken um?

Bruder Paulus: Ich tue mich schwer damit, Geschenke auszusuchen und im Laden zu kaufen. Ich schreibe lieber einen ehrlichen Brief und überrasche jemanden mit liebevollen Zeilen, das braucht eine halbe Stunde und ist viel tiefsinniger. Am Ende dann auch für den anderen treffender, als ein ausgesuchtes Geschenk, das ich bezahlt habe.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth (KNA)
Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth ( KNA )
Quelle:
DR