Weitere Details der Studie zu Missbrauch in der Kirche bekannt

Beschämende Einzelheiten

Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche geht weiter. Nun sind neue Details aus der Missbrauchsstudie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz bekannt geworden. Diese zeigen: Betroffen waren meist männliche Minderjährige.

Details zu Missbrauchsstudie bekannt geworden / © Corinne Simon (KNA)
Details zu Missbrauchsstudie bekannt geworden / © Corinne Simon ( KNA )

Die Studie beleuchtet Art und Umfang des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch katholische Geistliche in der Zeit von 1946 bis 2014. Für die Studie wurden mehr als 38.000 Personal- und Handakten aus allen 27 deutschen Bistümern ausgewertet. Betroffen waren meist männliche Minderjährige; über die Hälfte von ihnen war zur Tatzeit jünger als 14 Jahre, die Täter waren im Schnitt 40 Jahre alt. Die meisten Übergriffe geschahen durch intime Berührungen mit den Händen.

In nahezu jedem sechsten Fall kam es zu einer Form von Penetration. Drei Viertel der Betroffenen standen mit den Beschuldigten in einer kirchlichen oder seelsorgerischen Beziehung.

Ergebnisse vorab bekannt geworden

Insgesamt waren demnach 3.677 Kinder und Jugendliche von sexuellen Übergriffen betroffen. Beschuldigt wurden 1.670 Geistliche, mehrheitlich Priester. In der Untersuchung gehen die Wissenschaftler auch der Frage nach, ob spezielle Umstände in der katholischen Kirche den Missbrauch begünstigen. Der Titel der Untersuchung lautet "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz".

Erste Forschungsergebnisse lagen aufgrund von Indiskretionen bereits in dieser Woche mehreren Medien vor, die ausführlich berichteten. Die Deutsche Bischofskonferenz will kommende Woche in Fulda über Konsequenzen aus dem Dokument beraten. Ihr Missbrauchsbeauftragter reagierte bereits bestürzt: "Wir wissen um das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs, das durch die Ergebnisse der Studie belegt wird. Es ist für uns bedrückend und beschämend", erklärte der Trierer Bischof Stephan Ackermann.

Die katholische Kirche ist die erste zivilgesellschaftliche Institution in Deutschland, die sexuellen Missbrauch in ihren Reihen umfassend und über einen langen Zeitraum untersuchen lässt. Die neue Studie bestätigte im Wesentlichen Erkenntnisse eines New Yorker Fachinstituts von 2004. Im Auftrag der US-Bischofskonferenz wurde damals der Missbrauch durch Kleriker in den USA von 1950 bis 2002 untersucht. Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, dass über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten im Durchschnitt 4,4 Prozent aller katholischen Geistlichen des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurden.

Vermutungen über Besonderheiten in der katholischen Kirche

Die Untersuchung im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz wurde erstellt von einem Forschungsteam unter Leitung des Mannheimer Psychiaters Harald Dreßing. Außerdem beteiligt sind das Kriminologische Institut der Universität Heidelberg, das dortige Institut für Gerontologie sowie der Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Gießen.

Die Wissenschaftler äußern auch Vermutungen über Besonderheiten in der katholischen Kirche, die Missbrauch begünstigen könnten. So sei der Zölibat - die Verpflichtung zur Ehelosigkeit der Priester - an sich keine Ursache für sexuellen Missbrauch. Diese Lebensform erfordere aber eine "intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Emotionalität, Erotik und Sexualität". Dies geschehe derzeit nicht ausreichend.

Auch der Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualität sei von Bedeutung, heißt es in dem Text weiter. Homosexualität sei ebenfalls kein Risikofaktor für sexuellen Missbrauch. Die Forscher raten der Kirche zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, welche Bedeutung den spezifischen Moralvorstellungen zu Homosexualität im Kontext des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zukomme. Ihre grundsätzlich ablehnende Haltung zur Weihe homosexueller Männer solle sie überdenken. Stattdessen solle sie dazu beitragen, eine "toleranzfördernde Atmosphäre zu schaffen", heißt es in der Studie. (KNA)


Quelle:
KNA