Einordnung und Mahnung zum Tag des Versuchstiers

"Tier als Mitgeschöpf akzeptieren"

Vor drei Monaten schockierten Dieseltests an Affen weite Teile der Öffentlichkeit. Zum internationalen Tag der Versuchstiers erklärt der Wuppertaler Pastoralrerefent Werner Kleine, worin das Dilemma liegt - und warum wir unsere Sicht ändern müssen.

Tierversuche an Affen  / © Marijan Murat (dpa)
Tierversuche an Affen / © Marijan Murat ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie bieten Tiersegnungen und auch Gottesdienste mit Tieren an. Die Bewahrung der Schöpfung, und somit auch der Lebewesen, liegt Ihnen als Christ am Herzen. Was denken Sie, wie wichtig sind Versuche an Tieren heute noch?

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent in Wuppertal): Es ist wie bei vielen ethischen Fragestellungen natürlich ein Dilemma. Es gibt Situationen, wo man zurzeit noch nicht auf Tierversuche verzichten kann, wie etwa bei der Entwicklung von Medikamenten. Man muss ja herausfinden, inwieweit Medikamente die erwünschte Wirkung erzielen. Und ehe man an Menschenversuche herangeht, testet man sie eben an Tieren. Da gibt es eine gewisse moralische Vertretbarkeit, auch wenn das niemand wirklich will.

Auf der anderen Seite gibt es Versuche, wie die Dieseltests an Affen, wo die moralische Dimension ganz woanders zu verorten ist. Da ging es auch um die Frage, ob sich die Autoindustrie möglicherweise durch Tests reinwaschen und sich von Konsequenzen befreien kann, indem sie nachweist, dass diese Stickoxide gar nicht so schlimm sein sollen, wie alle Welt glaubt. Da bewegen wir uns natürlich in einer ganz anderen ethischen Dimension, die mit einem Nutzen für den Menschen wenig zu tun hat. So etwas ist natürlich verwerflich.

DOMRADIO.DE: Jetzt sagen Befürworter von Tierversuchen: Die haben die Forschung unheimlich weitergebracht. Diabetes, Kinderlähmung und Tuberkolose sind drei Krankheiten, die man heute heilen kann, weil es Tierversuche gibt. Das war in Ordnung?

Kleine: Als Katholik kennt man natürlich die Erbsündenlehre. Wir Menschen können uns nicht immer die Hände reinwaschen und sagen, dass wir mit allem nichts zu tun haben. Locker darüber hinwegzugehen, geht nicht. Wir haben es hier mit einer Fragestellung zu tun, wo man ohne Tierversuche nicht ausgekommen wäre. Man hätte diese Medikamente nicht entwickeln können. Aber der Mensch muss trotzdem wissen, dass er sich da mit Schuld befleckt, wenn er Mitgeschöpfe für Versuche heranzieht.

In so einem Fall muss dafür gesorgt werden, dass die Tiere, die solchen Untersuchungen unterworfen werden, wenigstens die besten Lebensbedingungen haben. Aber da fängt es sicherlich schon vielfach an, dass Versuchstiere sicherlich nicht artgerecht gehalten werden.

DOMRADIO.DE: Dadurch, dass der Mensch an Tieren ja eigentlich ähnlich wie an Objekten forscht, stellt er sich ja automatisch über sie und nimmt sich wichtiger als das Tier. Ist das in Ordnung?

Kleine: Wenn man auf die neueren Forschungen schaut, kann man das Tier sicher nicht mehr als Sache betrachten. Gerade die neueren biologischen und zoologischen Forschungen zeigen, dass auch im Tierreich Intelligenz eine große Rolle spielt, vielleicht sogar die Frage eines Bewusstseins. Ich denke, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der wir das Tier als Mitgeschöpf noch viel mehr akzeptieren und kennen lernen müssen.

Bisher hat man das Tier eher als Objekt oder gar als Sache behandelt. Das geht ja bis in die Gesetzeslage hinein: Wird ein Tier bei einem Verkehrsunfall getötet, wird zum Beispiel von einer Sachbeschädigung gesprochen. Im Englischen heißt Tier "animal", da steckt das Wort "anima", lateinisch für Seele, drin. Wenn man von dieser Warte ausgeht, merkt man, dass Tierversuche unter einer ganz neuen Perspektive betrachtet werden müssen.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Dr. Werner Kleine / © Christoph Schönbach (privat)
Dr. Werner Kleine / © Christoph Schönbach ( privat )

Geklonte Affen Hua Hua und Zhong Zhong / © Qiang Sun and Mu-ming Poo (dpa)
Geklonte Affen Hua Hua und Zhong Zhong / © Qiang Sun and Mu-ming Poo ( dpa )
Quelle:
DR
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