Tag der Organspende: Warum die Bereitschaft sinkt, obwohl Leben gerettet werden könnte

"Richtig. Wichtig. Lebenswichtig."

Wenn es um Organspenden geht, herrscht viel Sorge und Skepsis. Dabei kann ein Organspender insgesamt 60 Lebensjahre schenken, sagt Dr. Axel Rahmel, medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, im Interview mit domradio.de.

Organspende (dpa)
Organspende / ( dpa )

domradio.de: Heute ist Tag der Organspende - das ist ein bundesweiter Motivationstag, der in diesem Jahr unter dem Motto steht: "Richtig. Wichtig. Lebenswichtig."  Der Tag lädt ein, dass wir uns mit dem Thema Organspende auseinandersetzen. Seit mehr als dreißig Jahren findet dieser Tag am ersten Samstag im Juni statt. Wie wichtig ist der Tag der Organspende?

Dr. Axel Rahmel (medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation): Es ist ein wichtiger Tag, weil er verschiedene Dinge miteinander kombiniert: Das eine ist das Anliegen der Patienten, Dank zu sagen für das große Geschenk der Organspende. Darüber hinaus dient der Tag natürlich auch der Information der Bevölkerung. Er gibt die Chance, in Gesprächen auf die verschiedenen Aspekte der Organspende hinzuweisen. 

domradio.de: Wie ist es denn um die Spendenbereitschaft bei uns in Deutschland bestellt?

Dr. Rahmel: Wir haben aktuell etwa 800 oder 900 Menschen, die nach ihrem Tod Organe spenden. Wir hatten schon mal wesentlich mehr, es gab mal mehr als 1.200 Spender. Das ist natürlich besonders für die Patienten bedrückend, deren Name auf der Warteliste steht und die so dringend auf ein Organ hoffen, das ihnen ein neues Leben schenken kann.

domradio.de: Warum geht die Spendenbereitschaft denn trotz aller Aufklärung zurück?

Dr. Rahmel: Im Grunde ist es ganz einfach: Um Spender zu werden, muss man sich mit dem Thema auseinandersetzen. Der Gesetzgeber hat dazu die "Entscheidungslösung" eingeführt. Das heißt, die Bürger erhalten von den Krankenkassen Informationsmaterial zum Thema Organspende. Man braucht ja nur einen Ausweis ausfüllen oder die Bereitschaft in einer Patientenverfügung zu hinterlegen. Es reicht im Grunde auch, sich mit den Angehörigen darüber zu unterhalten und zumindest die Bereitschaft kundzutun; das kann schon sehr helfen. Dahingehend gibt es tatsächlich einen Lichtblick: Die neusten Untersuchungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen, dass sich mehr Menschen mit dem Thema auseinandersetzen. Also wir sind da dann doch hoffnungsvoll.

domradio.de: Hilft dann so ein Tag der Organspende auch dabei, mögliche Ängste abzubauen?

Dr. Rahmel: Ich glaube, Information an die Bevölkerung weiterzugeben, ist ein ganz wesentliches Element. Es gibt natürlich Menschen, die die Sorge haben, dass ihre Behandlung zu früh abgebrochen würde, wenn sie sich als Spender zu erkennen geben. Das Gegenteil ist aber der Fall!Nur ein Mensch, bei dem man alles getan hat, um das Leben zu retten, kann schließlich Organspender sein. Es müssen zum Teil externe Experten hinzugezogen werden, die den Patienten untersuchen; die Sensitivität der Diagnose Hirntod ist also viel höher. Wenn dann trotz all dieser Bemühungen das Leben nicht gerettet werden konnte. Erst dann kann dieser Mensch Organspender werden. Wenn die Therapie aber sehr früh beendet wird, dann ist eine Organspende kaum möglich. Insofern ist Organspende immer ein Zeichen dafür, dass vorher in der Klinik stets alles dafür getan wurde, das Leben zu retten.

domradio.de: Was bedeutet es, gesellschaftlich und emotional, sich für eine Organspende zu entscheiden?

Dr. Rahmel: Da gibt es zwei Aspekte: Wenn Sie Organspender sind und über Ihren Tod hinaus Organe spenden, schenken Sie neues Leben. Ein Organspender kann sieben bis acht Menschen ein neues Leben schenken. Die Untersuchungen zeigen, dass das sechzig neue Lebensjahre sind, wenn alle Organe transplantiert werden. Gleichzeitig ist es auch für die Angehörigen, die oft mit einem ungeheuerlichen, plötzlichen Tod konfrontiert sind, ein gewisser Trost, zu wissen, dass der Verstorbene noch über den Tod hinaus anderen Menschen geholfen hat.

domradio.de: In Erfurt findet heute eine Großveranstaltung statt: Los geht es mit einem Gottesdienst. Wie geht es dann weiter?

Dr. Rahmel: Der Dankgottesdienst ist in der Tat sehr wichtig, weil darin die Möglichkeit geboten wird, Dank auszusprechen. Dann gibt es auf der Zentralbühne immer wieder Talkrunden, in denen Informationen weitergegeben werden und dazwischen wird ein musikalisches Unterhaltungsprogramm aufgeführt. Es gibt viele Zelte, in denen verschiedene Gruppen ihre Informationsmaterialien auslegen und zu Gesprächen bereitstehen. Das ist ja das zentrale Anliegen: Information an die Bevölkerung weiterzugeben, zu motivieren, sich mit der Sache auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu treffen.

domradio.de: Werden in den Talkrunden auch Menschen zu Wort kommen, die ein zweites Leben durch ein gespendetes Organ bekommen haben?

Dr. Rahmel: Die werden ganz sicher dabei sein. Der Tag der Organspende wird ja mitorganisiert von Patientenverbänden. Es sind auch Angehörige von Spendern dabei, sodass alle Blickwinkel  dort beleuchtet werden.

Das Interview führte Carsten Döpp.


 Dr. med. Axel Rahmel (Medizinischer Vorstand DSO) (DSO)
Dr. med. Axel Rahmel (Medizinischer Vorstand DSO) / ( DSO )
Quelle:
DR