Reporter ohne Grenzen beklagt zunehmenden Druck

Schlusslicht Nordkorea

Die Lage war schlecht und wird schlechter: Die Pressefreiheit weltweit gerät nach Einschätzung von Reporter ohne Grenzen immer mehr unter Druck.

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Von Anna Mertens
"FreeDeniz": Auch die Lage in der Türkei ist schwierig  / © Gregor Fischer (dpa)
"FreeDeniz": Auch die Lage in der Türkei ist schwierig / © Gregor Fischer ( dpa )

"Free Deniz Yücel": Seit Wochen versuchen Unterstützer des deutsch-türkischen Journalisten, die Freilassung des 43-Jährigen zu erwirken. Aber die türkische Regierung verweigert das. Sie wirft dem Korrespondenten der "Welt" unter anderem Terrorpropaganda vor. Konsularbeamte der Bundesregierung haben nicht durchgängig Besuchsrecht. Vor Ostern heiratete Yücel seine Freundin im Gefängnis - damit sie ihn wenigstens besuchen darf.

Yücel ist nur ein Beispiel für die schwierige Lage von Journalisten in der Türkei - in vielen anderen Ländern dieser Welt. Vielerorts ist die Lage aus Sicht von Menschenrechtlern schlechter geworden. Das geht aus der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit hervor, die Reporter ohne Grenzen am Mittwoch veröffentlichten.

Auch Demokratien schränken ein

"Besonders erschreckend ist, dass auch Demokratien immer stärker unabhängige Medien und Journalisten einschränken, anstatt die Pressefreiheit als Grundwert hochzuhalten", sagte Vorstandssprecher Michael Rediske. In den USA, Polen oder Großbritannien trügen gar Spitzenpolitiker ihre Geringschätzung gegenüber Journalisten offen zur Schau.

Zur weltweiten Verschlechterung hat laut Reporter ohne Grenzen etwa das rücksichtslose Vorgehen der Regierungen in Ländern wie Ägypten oder Burundi beigetragen. In der Türkei habe sich die Lage für Journalisten seit dem Putschversuch im vergangenen Sommer deutlich verschlechtert. In Kriegs- und Krisenländern wie Syrien, Libyen oder dem Jemen seien Journalisten unverändert tödlichen Gefahren ausgesetzt.

Nordkorea ist Schlusslicht

Erstmals seit sechs Jahren musste Finnland den ersten Platz auf der Rangliste räumen. Vor Finnland nehmen nun Norwegen und Schweden die Spitzenplätze der Rangliste ein. Veränderungen gab es auch bei den letzten Plätzen: Eritrea verbesserte sich um einen Rang auf Platz 179, während Nordkorea das Schlusslicht ist. Turkmenistan steht weiter auf Platz 178. Deutschland liegt wie im Vorjahr auf Rang 16.

Die Türkei verschlechterte sich dem Bericht zufolge erneut um vier Plätze und steht nun auf Platz 155 der Rangliste. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 haben die Repressionen gegen unabhängige Journalisten und Medien nach Einschätzung von Reporter ohne Grenzen "ein nie gekanntes Ausmaß erreicht". Rund 150 Journalisten sitzen wie "Welt"-Korrespondent Yücel im Gefängnis, etwa 150 Medien wurden geschlossen und Hunderte Presseausweise annulliert. Vor 12 Jahren stand die Türkei noch 57 Plätze weiter vorne in der Liste.

Syrien am gefährlichsten

Auch in Russland, das weiterhin auf Platz 148 rangiert, geht die Regierung weiter hart gegen kritische Medien vor. Und in China, Platz 176, sitzen rund 100 Medienschaffende in Haft. Der Nahe Osten und Nordafrika bleiben die gefährlichste Region für Journalisten. In Ägypten, das auf Rang 161 steht, sitzen nach Angaben der Organisation mehr als 20 Journalisten wegen ihrer Arbeit in Haft. Der jahrelange Krieg in Syrien hat das Land demnach zum gefährlichsten Land für Journalisten weltweit gemacht.

Die größte Verschlechterung bei der Pressefreiheit weltweit gab es laut Angaben der Menschenrechtsorganisation in Nicaragua. Das Land büßte 17 Plätze ein und fiel auf Rang 92. Hintergrund ist die Wiederwahl von Präsident Daniel Ortega, die von Zensur und Einschüchterung von Journalisten geprägt gewesen sei. Unter den EU-Mitgliedsländer gab es vor allem in Kroatien eine deutliche Verschlechterung. Das Land fiel um 11 Plätze auf Platz 74.

Von der Mafia bedroht

Italien dagegen verbesserte sich um 25 Ränge auf Platz 52 verbessert. Dennoch, so Reporter ohne Grenzen, würden in dem Land viele Journalisten bedroht: durch die Mafia.

Bereits Ende 2016 hatte die Menschenrechtsorganisation eine Bilanz des Schreckens veröffentlicht: Mindestens 74 Journalisten wurden demnach wegen ihrer Arbeit im vergangenen Jahr getötet. Die gefährlichsten Länder für Medienschaffende waren Syrien, Afghanistan, Mexiko, der Irak und der Jemen. Unter den Getöteten waren 57 professionelle Journalisten, neun Bürgerjournalisten und acht Medienmitarbeiter. Drei Viertel von ihnen wurde gezielt angegriffen.


Weltkarte zur Lage der Presse- und Informationsfreiheit / ©  A. Brühl, Redaktion: B. Jütte. (dpa)
Weltkarte zur Lage der Presse- und Informationsfreiheit / © A. Brühl, Redaktion: B. Jütte. ( dpa )
Quelle:
KNA