Freiheit und Sicherheit aus christlicher Perspektive

Geheimdienst des Glaubens

Gerade Christen müsse die Freiheit wichtiger sein als die Sicherheit, meint Christ und Welt-Autor Wolfgang Thielmann. Er blickt auf den aktuellen Abhörskandal und zieht dabei einen ganz persönlichen Vergleich.

Onlineseelsorge - wer hört mit? (KNA)
Onlineseelsorge - wer hört mit? / ( KNA )

domradio.de: Freiheit muss wichtiger sein als Sicherheit, aber kann man das so einfach zusammenfassen? Geht nicht bei fehlender Sicherheit auch ein Stück Freiheit verloren?

Wolfgang Thielmann: Ja, man muss es gegeneinander abwägen, aber im Notfall muss die Freiheit Vorrang bekommen. Die Freiheit ist das wichtigere Gut. Und irgendwann gilt auch das Umgekehrte, dass die Sicherheit die Freiheit beseitigt, die sie schützen wollte.

domradio.de: Sie vergleichen den aktuellen Abhörskandal mit ihren bäuerlichen Urgroßeltern, die eine Ertragsausfallversicherung ihrer Rinder abgeschlossen, um mehr Sicherheit zu haben. Warum machen Sie das und was ist das Ergebnis dieses Vergleichs?

Thielmann: Ich habe als junger Mensch lange über meine Urgroßeltern gelächelt, aber ich sehe jetzt, sie standen vor so einer Frage, wieviel Sicherheit sie sich kaufen können und wieviel Freiheit sie dafür aufgeben. Sie waren Bauern und hatten Rinder im Stall und dann gab es eine Versicherung, eine Schadensausfallversicherung, wenn die Rinder krank wurden und starben. Es gab im Dorf heftige Diskussionen, ob man eine solche Versicherung abschließt oder ob man das Schicksal, das in Gottes Hand liegt, aus seiner Hand herausnimmt. Andere waren sofort dafür und sagten, das gibt uns Sicherheit. Meine Urgroßeltern haben lange überlegt und sind dann zu dem Schluß gekommen, zwar eine Versicherung abzuschließen, aber immer im Auge zu behalten, dass sie sich letztlich diese Sicherheit nicht kaufen können.

Ich bin heute auch ihrer Meinung, dass man sich gegen ein solches Risiko versichern kann. Wenn die Kühe krank werden, hat das auch immer die ganze Dorfgemeinschaft belastet. Das hat bei ihrer Überlegung den Ausschlag gegeben. Aber ich finde die Überlegung interessant und ich finde sie wichtig, sie anzustellen, also wie weit erwerbe ich mir Sicherheit und was muss ich dafür geben.

domradio.de: Da sind wir wieder bei dem Abwägen zwischen Freiheit und Sicherheit. Sie schreiben in ihrem Artikel, Sie wollen darüber berichten, „warum Kontrolle zwar gut, aber Vertrauen besser ist". Ein neues Wort in der Diskussion um Freiheit und Sicherheit. Kann man in der heutigen Zeit überhaupt noch Vertrauen haben?

Thielmann: Ich glaube ja, vor allen Dingen Vertrauen zu Gott. Jeder Unternehmer braucht letztlich Vertrauen zu Gott, dass die Entwicklung so verläuft, dass er auch seinen Weg, seinen Gewinn macht. Niemand kann letztlich überblicken, welche Konsequenzen sein Handeln dann hat. Man soll klug die Folgen bedenken, aber man soll dann auch den Mut und das Vertrauen besitzen, vorwärts zu gehen. Bei der Sicherheit ist es jetzt so, dass ich mich absichern kann. Man kann auch noch die Mühlsteine im Wasser gegen Feuer versichern, nur da wird es dann absurd und da merken wir, dass uns die Erwartung nach Sicherheit mehr belastet als sie uns gibt.

domradio.de: Wo ist da die Grenze, bis wohin ist es sinnvoll und richtig, die Sicherheit in den Vordergrund zu stellen und bis wohin geht es auf keinen Fall mehr?

Thielmann: Wir haben das politisch ja alles ziemlich genau diskutiert bei der Vorratsdatenspeicherung, beim großen Lauschangriff. Wir haben gesagt, da, wo es um die persönlichen Daten eines Bürgers geht, da ist Vorsicht geboten, da muss auf jeden Fall eine parlamentarische Kontrolle sein. Es darf nicht, so wie es in den USA passiert, schrankenlos überwacht werden. Da ist dann Kontrolle gut, weil sie dahin gehört, da muss eine Kontrolle durch ein parlamentarisches Gremium daher. Das Einzelne muss man abwägen, im Falle einer akuten Terrorbedrohung kann ich die Sicherheitsmaßnahmen mal hochschrauben, nur wichtig ist, dass derjenige, der sie verhängt, der sie tut, Rechenschaft darüber ablegt, was er tut.

domradio.de: Sie kritisieren den US-Geheimdienst NSA ziemlich scharf. Kritisieren vor allem, dass der NSA ungefragt Menschen abhört und ausspioniert. Immer wieder gibt es Menschen, die sagen: Ist mir egal, ich habe ja nichts zu verbergen. Kann einem das eigentlich egal sein?  Thielmann: Ich glaube nicht, jeder von uns hat Dinge, die er mit sich abmachen und mit sich verhandeln möchte. Wir haben zu recht etwa das Briefgeheimnis sehr hoch gehalten, es gibt bei den Kirchen zum Beispiel ein Seelsorgegeheimnis. Seelsorge wird heute auch per E-Mail gemacht und wenn ich fürchten muss, dass irgendwo immer einer mitliest, mithört, dann ist eine Schwelle überschritten.

Der Artikel "Geheimdienst des Glaubens“ von Wolfgang Thielmann ist in der aktuellen Ausgabe der Zeit-Beilage Christ und Welt erschienen.

Das Interview führte Matthias Friebe


Quelle:
DR