Pilgerweg für Menschen mit und ohne Demenz bei Kölner Dreikönigswallfahrt

"Das Thema Demenz nachhaltig platzieren"

Im Rahmen der Dreikönigswallfahrt lädt das Erzbistum Köln am Donnerstag zum dritten Mal zum "Pilgerweg für Menschen mit und ohne Demenz" ein. Er eröffnet die Chance, auch Menschen mit Demenz Teilhabe am kirchlichen Leben zu ermöglichen.

Dreikönigswallfahrt: "Pilgerweg für Menschen mit und ohne Demenz" / © Chrobok (Erzbistum Köln)
Dreikönigswallfahrt: "Pilgerweg für Menschen mit und ohne Demenz" / © Chrobok ( Erzbistum Köln )

DOMRADIO.DE:. Warum ist es Ihnen so wichtig, den Menschen in der Kirche das Thema "Demenz" präsent zu machen?

Elmar Trapp (Abteilung Seelsorge im Sozial- und Gesungheitswesen im Erzbistum Köln und Verantwortlicher für die Veranstaltung): Das Thema ist uns deswegen so wichtig, weil wir in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen in verschiedenen Variationen mitbekommen haben, wie wenig das Thema "Demenz" in unserer Kirche leider immer noch vorkommt. Dass Menschen mit Demenz in Kirchengemeinden nicht immer auftauchen, sich teilweise schamhaft zurückziehen oder die Angehörigen in der Pflege und in der Betreuung so belastet sind, dass sie im normalen Gemeindeleben oft nicht wahrgenommen werden und auftauchen.

Viele Menschen, die sich in Gemeinden engagieren und auch Hauptamtliche sagen, dass es Menschen mit Demenz bei ihnen nicht gebe, dass diese im Altenheim leben und nicht zur Gemeinde gehörten. Dass aber die Altenheime auch zur Gemeinde gehören, haben manche offenbar vergessen.

DOMRADIO.DE: Gab es einen konkreten Anlass, dass Sie den "Pilgerweg für Menschen mit und ohne Demenz" vor zwei Jahren das erste Mal initiiert haben?

Trapp: Konkreter Anlass war unser Projekt "Mensch.Demenz.Kirche.", das leider jetzt im Sommer ausgelaufen ist. Das hat unser Bistum und vor allen Dingen uns in der Steuerungsgruppe drei Jahre lang beschäftigt. Wir haben überlegt, wie wir das Thema "Demenz" nachhaltig platzieren können. Da war die Domwallfahrt, jetzt Dreikönigswallfahrt, ein willkommener Anlass, um zu signalisieren, dass auch Menschen mit Demenz zu unserer Kirche ganz normal dazugehören und dass dadurch Teilhabe ermöglicht wird.

DOMRADIO.DE: Im vergangenen Jahr haben gut 250 Menschen an der Veranstaltung teilgenommen. Wie haben Sie denn die Stimmung da erlebt?

Trapp: Die Stimmung ist ganz toll, kann man einfach nur sagen. Wir hatten letztes und vorletztes Jahr auch wunderbares Wetter, das gehört natürlich auch ein bisschen dazu, das können wir leider nicht steuern. Aber die Menschen sind einfach voller Erwartung. Sie kommen nach Langem wieder mal in die Innenstadt nach Köln, teilweise kommen ja die Menschen von ganz, ganz weit her. Es kommen sogar Leute aus Düsseldorf angereist mit ihren begleitenden Betreuern und Betreuerinnen, aus Einrichtungen, aber auch aus Privathaushalten. Die Stimmung ist ganz erwartungsfroh, einfach hier nach Köln zu kommen, in die Stadt, zum Gottesdienst, zum Dom und miteinander zu singen und zu beten.

Das Ganze ist einfach ein Gesamtpaket, das gut rüberkommt. Zumindest haben die ersten beiden Jahre uns gezeigt, dass die Menschen teilweise sehr ergriffen sind. Beim Einzug in den Dom haben einige ihren Tränen freien Lauf gelassen. Ich habe den Musikerinnen, die aus der Ursulinenschule kommen und die ich letzte Woche extra besucht habe, gesagt, sie sollen sich nicht wundern, wenn die Menschen so ergriffen sind und von ihren Emotionen übermannt werden. Es ist sehr eine dichte Atmosphäre, kann man sagen.

DOMRADIO.DE: Sie singen vorher mit den Teilnehmern Kirchenlieder in der Minoritenkirche. Man hört ja oft, dass Musik bei dementen Menschen noch einmal Hirnregionen aktiviert und sie sich wieder an mehr erinnern. Worum geht es Ihnen dabei?

Trapp: Die Musik ist nicht nur reine Technik, nicht nur ein manipulatives Ding, sondern wir setzen ganz einfach bei der gewohnten Gottesdienstpraxis der Menschen an, die kommen. Wir haben ja noch die Menschen unter uns, die kirchlich sozialisiert und durchaus katholisch groß geworden sind. Da gehörte einfach der Gottesdienst am Sonntag, vielleicht noch am Werktag, dazu. Und da wurden eben diese Lieder, die wir jetzt herausgesucht haben, gesungen.

Und klar, diese Hirnregionen werden durchaus nochmal ganz anders angesprochen. Durch das Singen können wir Menschen - und das haben viele schon wissenschaftlich untersucht - noch besser erreichen. Sie können dann mit den alten Schlagern, die wir eben auch aus der Kirche kennen, bei ihrem Langzeitgedächtnis ansetzen. Natürlich könnten wir auch Karnevalslieder singen, aber das passt nicht so ganz.

DOMRADIO.DE: Wie kommen Sie mit den Teilnehmern in Kontakt?

Trapp: Wir haben natürlich unsere Verteiler über die Altenpastoral. Das ist ein Gemeinschaftswerk der Abteilung Erwachsenenpastoral im Erzbistum Köln und der Altenheimseelsorge. Wir haben da unsere Verteiler, die wir angeschrieben haben. Es ist natürlich auch über die Homepage der Dreikönigswallfahrt beworben worden, aber es hat sich scheinbar auch so gut herumgesprochen, dass die Leute uns schon danach fragen.

Sie wissen ja, in Köln ist etwas, das man zum zweiten oder dritten Mal macht, mindestens Tradition wenn nicht gar schon Brauchtum und das spricht sich rum. Wir haben aber bewusst auch eine Anmeldung vorausgesetzt, weil sonst der Rahmen nachher nicht mehr händelbar und organisierbar wäre.

DOMRADIO.DE: Ist so eine große Veranstaltung für Menschen mit Demenz verwirrend? Es kommen viele Menschen zusammen, es finden Ortswechsel statt – ist es eine große logistische Herausforderung, so etwas zu stemmen?

Trapp: Ganz ehrlich, Sie treffen da genau den Kern bei mir. Ich bin schon ein bisschen nervös, ob dann alles auch so klappt. Aber dank der vielen Betreuenden, die dann mitkommen und die Menschen von vornherein mit begleiten, gehe ich davon aus, dass das gut funktioniert. Wir wissen ja auch nicht, wie viele Menschen tatsächlich dement sind. Es hat keiner auf der Stirn stehen "Ich bin dement". Wir haben einige Helfende dabei, die die Menschen vor Ort in der Kirche begrüßen. Die habe ich gebeten, auf die Leute zuzugehen, ihnen zu helfen, bei Kaffee und Kuchen zu assistieren, vielleicht auch den Weg zur Toilette zu zeigen. Wir brauchen ja behindertengerechte Toiletten, die wir extra aufbauen müssen. Auch ein Kriterium, das in Kirchengemeinden oft vergessen wird. Das ist schon tricky.

Im Dom wurden die Rampen vor zwei Jahren extra abgeflacht, damit wir alle mit Rollatoren und Rollstühlen unter dem Dreikönigsschrein herziehen konnten. Deswegen auch die Begrenzung auf rund 250 Teilnehmende, weil wir gar nicht alle mit Rollstühlen und Rollatoren vorne in die Vierung hineinbekommen, weil Rollstühle und Rollatoren schon den Weg blockieren können.

Die Domschweizer sind auch instruiert, dass sie beim Hochschieben und beim Runterhelfen assistieren, damit keiner vornüber kippt. Es ist schon spannend. Ich bin auch froh, wenn danach alle heil wieder nach Hause fahren können und nichts schief geht.

Das Interview führte Hannah Krewer.


Elmar Trapp / © Chrobok (Erzbistum Köln)

Von der Minoritenkirche pilgerten die rund 200 Teilnehmer in den Kölner Dom / © Chrobok (Erzbistum Köln)
Von der Minoritenkirche pilgerten die rund 200 Teilnehmer in den Kölner Dom / © Chrobok ( Erzbistum Köln )

Von der Minoritenkirche pilgerten die rund 200 Teilnehmer in den Kölner Dom / © Chrobok (Erzbistum Köln)
Von der Minoritenkirche pilgerten die rund 200 Teilnehmer in den Kölner Dom / © Chrobok ( Erzbistum Köln )

Man ist ein Anderer, wenn man auf der linken Seite unter dem Schrein wieder herauskommt“, sagte Domdiakon Raimund Witte / © Chrobok (Erzbistum Köln)
Man ist ein Anderer, wenn man auf der linken Seite unter dem Schrein wieder herauskommt“, sagte Domdiakon Raimund Witte / © Chrobok ( Erzbistum Köln )

Am Weihetag des Domes feierte Domdiakon Raimund Witte mit den Pilgern einen Wortgottesdienst / © Chrobok (Erzbistum Köln)
Am Weihetag des Domes feierte Domdiakon Raimund Witte mit den Pilgern einen Wortgottesdienst / © Chrobok ( Erzbistum Köln )
Quelle:
DR