Proteste bei Kirchenprofanierung in Kerpen-Manheim

Wenn Kirche dem Bagger weichen muss

Taufen, Erstkommunion und Hochzeiten: Die Kirche St. Albanus und Leonardus von Pfarrer Ludger Möers in Kerpen-Manheim war ein Ort der Erinnerung. Nun rückt der Tagebau näher und es hieß Abschied nehmen. Mit Demonstranten vor der Tür.

Pfarrer Ludger Möers beim Gottesdienst in der Kirche / © Ralf Roeger (dpa)
Pfarrer Ludger Möers beim Gottesdienst in der Kirche / © Ralf Roeger ( dpa )

DOMRADIO.DE: Am vergangenen Samstag haben Sie mit Ihren Gemeindemitgliedern die letzte Heilige Messe gefeiert. Die Kirche wurde entweiht und ist ab sofort nur noch ein Gebäude mit Altar und Kirchturm. Denn die Kirche und auch der Ort müssen den Kohlebaggern weichen. Die Einwohner von Manheim sind schon fast komplett nach Manheim-Neu umgezogen. Die Gläubigen waren in der Kirche, davor hatten sich Demonstranten und ein Polizeiaufgebot versammelt. Die Demonstranten forderten mehr Engagement der Kirche für den Klimaschutz. Wie haben Sie die Situation erlebt?

Pfarrer Ludger Möers (Sankt Albanus und Sankt Leonhardus in Kerpen-Manheim): Wir hatten einen schönen Gottesdienst für uns zum Abschied von der Kirche geplant und das hat auch geklappt. Wir waren mit gut 300 Personen, Gemeindemitgliedern in der Kirche und haben einen langen und schönen Gottesdienst miteinander gefeiert. Die Messe war am Ende ein wenig traurig, weil wir von der schönen Kirche Abschied genommen haben.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie denn diesen Abschied gestaltet?

Möers: Wir haben ihn so gestaltet, dass wir eine normale Messe gefeiert haben. Aber anstelle der Predigt, gab es dann von bis zu achtzehn Personen, Erinnerungen und Geschichten rund um die Kirche. Hinweisen möchte ich auf eine Dame zum Beispiel, die gemeinsam mit ihrem Ehemann da war, den sie vor 70 Jahren geheiratet hat. Am Ostermontag haben sie noch die Taufe ihres vierten Urenkels erlebt. Wir hatten wirklich Zeitzeugen und junge Menschen da, die sich an ihre Taufe oder Erstkommunion erinnert haben. So hatten wir viele schöne Erinnerungszeiten.

DOMRADIO.DE: Da prallten zwei Welten aufeinander: In der Kirche ein stiller Moment, die Besinnung, die Erinnerung und davor Polizei und Demonstranten. Hat denn ein Abschied trotz dieser Umstände funktioniert oder hat das irgendwie Ihre Andacht beeinflusst oder wie muss man sich das vorstellen?

Möers: Nein, die Demonstranten waren ja draußen. Denen ging es um Politik, um Klimawandel, Braunkohle-Stopp oder anderes, was wir so zum Teil mitbekommen haben. Aber wir waren in der Kirche und konnten dort unseren Gottesdienst ungestört feiern. Wir haben uns nicht davon beeinflussen lassen. Es war nur eine skurrile Situation, zu wissen, ich fahre zum Gottesdienst und werde irgendwie unter Polizeischutz dann in die Kirche geleitet. Das war schon ein bisschen komisch. Viele Gottesdienstteilnehmer haben es auch als komisch empfunden und wurden zum Teil als Verräter oder sonst irgendwie beschimpft. Das war nicht das, was man erwartet, wenn man aus dem Gottesdienst herausgeht.

DOMRADIO.DE: Gab es auch ein Gespräch und Austausch oder ging man da einfach so an den Demonstranten vorbei?

Möers: Ich glaube nicht, dass man mit laut schreienden Protestierern ins Gespräch kommen kann. Vorher und nachher hatten wir verschiedene Gespräche. Wir haben uns auch auf Gespräche mit Menschen eingelassen, mit denen man in Ruhe reden konnte, aber nicht mit bestimmten Protestgruppen, die dann auch andere Ziele hatten, als unsere eigentlichen. Da ging es nicht um Kirche oder Gottesdienst, da ging es um das große Allgemeine rund um den Tagebau.

DOMRADIO.DE: Wie stehen denn die Gemeindemitglieder zu der Forderung generell, dass Kirche mehr für den Klimaschutz tun soll?

Möers: Wir haben uns am vergangenen Samstag um die Seelsorge gekümmert, wir haben grundsätzlich gesagt, für uns geht es jetzt darum, dass die Menschen aus dem Ort Manheim in den Ort Manheim-Neu umgezogen sind und darauf warten, dass wir dort dann bald mit dem Neubau der Kapelle beginnen und die Hauptteile der alten Kirche, wie Altar, Taufstein und Fenster mitnehmen können. Das war denen wichtig. Wir wollten von diesem Ort Abschied nehmen. Im alten Ort existieren noch gut 18 Haushalte. Für uns war wichtig: Kirche ist immer da, wo die Menschen sind. Die Menschen sind an einen neuen Ort weggezogen. Deswegen zieht die Kirche dann mit.

DOMRADIO.DE: Es geht ja in Mannheim-Neu weiter. Übergangsweise werden Gottesdienste in einem Gartenhaus veranstaltet, aber eine neue Kirche ist geplant. Es geht also weiter. Was noch kommt, ist der Abriss der alten Kirche. Werden Sie das miterleben?

Möers: Ich denke schon, weil wir hier wohnen, werden wir auch das mitbekommen. Wir erleben jetzt auch schon, dass der alte Ort Manheim zurückgebaut wird, wie das so schön ausgedrückt wird. Vier Häuser werden abgerissen, die Infrastruktur ist weg. Gas, Wasser, Strom ist abgeklemmt und jedes Mal, wenn man nach Manheim fährt, gibt es neue Einblicke, weil dann ganze Straßenzüge weg sind und man ganz andere Sichten auf die Kirche bekommt.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Pfarrkirche St. Albanus im Kerpener Ortsteil Manheim / © Marius Becker (dpa)
Pfarrkirche St. Albanus im Kerpener Ortsteil Manheim / © Marius Becker ( dpa )
Quelle:
DR