Vigilfeier des Altenberger Lichts im Altenberger Dom

"Mut ist Wut, die gebetet hat"

Der "Wutbürger" hat es mittlerweile in den deutschen Sprachgebrauch geschafft. Doch woher kommt diese allgegenwärtige Wut und wie geht man mit ihr um? Das war das Thema des Altenberger Lichtes, zu dem hunderte Jugendliche zum 1. Mai zusammenkamen.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Stimmungsvolles Licht im Altenberger Dom / © Ina Rottscheidt (DR)
Stimmungsvolles Licht im Altenberger Dom / © Ina Rottscheidt ( DR )

In violettes und rotes Licht ist das Innere des Altenberger Domes getaucht, es ist Mitternacht. Weihrauchschwaden ziehen gemächlich durch die Luft und die Stille ist andächtig, während das Licht von einer Kerze zur anderen gereicht wird. Hunderte Jugendliche und junge Erwachsene waren aus dem Erzbistum Köln und darüber hinaus an diesem Vorabend zum 1. Mai ins Bergische Land gekommen, um dort gemeinsam die Vigil zu feiern und das Altenberger Licht zu entzünden.

Das Altenberger Licht ist eine Initiative der katholischen Jugendseelsorge im Erzbistum Köln: Seit 1950 wird es traditionell in einem Gottesdienst in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai im Altenberger Dom entzündet. Dabei wird ein Licht mit der Osterkerze entzündet, das die Gläubigen dann in den nachfolgenden Tagen in die Gemeinden und Gemeinschaften im Erzbistum Köln und weit darüber hinaus tragen.

Ist Wut etwas Schlechtes?

Für viele Jugendliche war es das erste Mal: "Ich habe das bislang noch nie selbst erlebt und immer nur davon gehört", sagt Niklas (23) aus Swisttal bei Bonn. "Die Stimmung, das gemeinsame Gebet, das gemeinsame Singen, das ist schon toll!" "Die Atmosphäre und die Lichter waren so schön", sagt Julia (17) aus Velbert "Und mir hat gefallen, dass man zur Ruhe kam und nachdenken konnte. Ich habe auf jeden Fall ein paar Denkanstöße bekommen". Maja (15) aus Kuchenheim in der Eifel war besonders überrascht von der Predigt: "Weil man doch eigentlich von klein auf gesagt bekommt, dass "Wut" etwas Schlechtes ist", sagt sie. 2Dass das auch positiv gesehen werden kann, fand ich gut!"

"M(W)utmensch" war das Motto des diesjährigen Altenberger Lichtes. "Überall sind Menschen wütend", sagt der Kölner Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp, "und zwar nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche." "Wutbürger" war das Wort des Jahres 2010 und oftmals hätten die Menschen auch allen Anlass dazu, wütend zu sein, so Schwaderlapp. Darum habe man sich für das Thema entschieden.

Wut verwandeln

Dabei müsse Wut nicht notwendigerweise etwas Negatives sein, etwas, das es zu vermeiden gelte. "Ich halte jetzt kein Plädoyer dafür, dass wir alle ständig ausflippen sollten“, sagte der Jugendseelsorger in seiner Predigt in Altenberg. Aber Wut sei auch immer ein Ausdruck dafür, dass einem Dinge nicht egal sind. Auch Gott sei manchmal wütend. „Und ich bin heilfroh um diesen Gott, der seine Menschen so leidenschaftlich liebt, dass er sich auch mal zu Zorn reizen lässt. Alles andere wäre Gleichgültigkeit“, rief er den Jugendlichen zu.

Wichtig sei jedoch, diese Wut zu verwandeln, fuhr er fort: „Mut ist Wut, die gebetet hat! Mut bleibt nicht einfach nur beim Schimpfen stehen, sondern verwandelt Wut in Energie und Leidenschaftlichkeit, die uns uns antreiben, die Welt zu verändern und Gutes zu tun!“

Tradition seit der Nachkriegszeit

Manuel (15) aus Kuchenheim hat bei der Predigt interessiert zugehört. Das Motto gefalle ihm, sagt er und es sei Aufgabe der Kirche, den Menschen Mut zu machen und dieser ganzen Wut in der Welt entgegenzutreten. "Und wer, wenn nicht wir Jugendliche in der Kirche müssen uns kümmern!", fügt er hinzu. Der siebzehnjährigen Julia hat besonders der letzte Satz der Predigt gefallen: "Morgen versuche ich es noch mal", schloss Schwaderlapp. Für sie ein Appell, nicht aufzugeben: "Egal, was passiert, ob man wütend oder traurig ist", sagt sie, "man sollte einfach weitermachen. Das hat etwas Positives in mir ausgelöst."

Seinen Ursprung hat das Altenberger Licht in der Nachkriegszeit, als Jugendliche ein Zeichen für den Frieden und die Versöhnung zwischen den Völkern setzen wollten. Altenberg war schon seit den 1920er Jahren weit über die diözesanen Grenzen hinaus wichtig für die Jugendpastoral in ganz Deutschland gewesen. Pfadfinderverbände hatten sich dort gegründet, Gruppenleiterschulungen und Treffen zahlreicher junger Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet fanden dort statt. Unter dem Eindruck der Schrecken des Zweiten Weltkrieges entzündeten im Jahr 1950 junge Menschen in Altenberg erstmals an der Osterkerze ein Licht und brachten es dann symbolträchtig in die Nachbarländer Polen und Frankreich. Bis heute sei das Altenberger Licht ein Zeichen dafür, dass junge Leute Verantwortung für den Frieden in der Welt und die Versöhnung zwischen den Völkern übernehmen, sagt Jugendseelsorger Schwaderlapp.

Mit der feierlichen Aussendungsmesse am 1. Mai tritt das Licht in den kommenden Tagen seine Reise in die Gemeinden und Pfarreien im ganzen Erzbistum an. Zwei Tage voller Programm, gemeinsamer Gebete und Gemeinschaft: für die 15jährige Maja eine neue Erfahrung. "Der Zusammenhalt und die Möglichkeit, andere Jugendliche aus dem ganzen Bistum kennen zu lernen, finde ich toll", sagt sie und für sie steht fest: "Her komme ich nächstes Jahr auch wieder hin!"


Im Altenberger Dom / © Henning Martin Schoon (privat)
Im Altenberger Dom / © Henning Martin Schoon ( privat )

Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp / © Ina Rottscheidt (DR)
Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp / © Ina Rottscheidt ( DR )

"Flamme mit Hoffnung und Mut zur Veränderung" / © Ina Rottscheidt (DR)
"Flamme mit Hoffnung und Mut zur Veränderung" / © Ina Rottscheidt ( DR )

Aussetzung des Allerheiligsten und Anbetung / © Ina Rottscheidt (DR)
Aussetzung des Allerheiligsten und Anbetung / © Ina Rottscheidt ( DR )

Mitfeiernde während der Vigil / © Ina Rottscheidt (DR)
Mitfeiernde während der Vigil / © Ina Rottscheidt ( DR )

Projektchor unter der Leitung von Wilfried Kaet / © Ina Rottscheidt (DR)
Projektchor unter der Leitung von Wilfried Kaet / © Ina Rottscheidt ( DR )

Das Altenberger Licht wird entzündet / © Ina Rottscheidt (DR)
Das Altenberger Licht wird entzündet / © Ina Rottscheidt ( DR )

Aussendungsfeier Altenberger Licht / © Henning Martin Schoon (privat)
Aussendungsfeier Altenberger Licht / © Henning Martin Schoon ( privat )

Übergabe des Altenberger Lichts / © Henning Martin Schoon (privat)
Übergabe des Altenberger Lichts / © Henning Martin Schoon ( privat )
Quelle:
DR