Kardinal Woelki besucht Konzert in der CulturKirche Oberberg

Über Musik miteinander im Dialog

Klagelieder, Friedenslieder und Wiegenlieder aus unterschiedlichen Teilen der Welt standen auf dem Programm eines spirituellen Konzertes mit Geflüchteten und Einheimischen in der CulturKirche Oberberg. Es ging um die universelle Sprache der Musik.

Hesham Ahmad Mohammad und Masud Suleaman aus Syrien / © Beatrice Tomasetti (DR)
Hesham Ahmad Mohammad und Masud Suleaman aus Syrien / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Zunächst zaghaft, dann immer vernehmbarer stimmt Masud Suleaman ein Lied aus seiner Heimat Syrien an. Dazu spielt er auf seiner Tambur, einer kurdischen Langhalslaute. Mit geschlossenen Augen scheint er ganz versunken in diese Musik, die auch die Zuhörer mitnimmt auf eine Reise in den Mittleren Osten. Erst verhalten, im Verlauf des Trommelrhythmus aber zunehmend lauter unterstützt den arabischen Gesang seines Freundes schließlich Hesham Ahmad Mohammad mit seiner Darboka, auch das ein typisches Instrument für die Gegend, aus der beide Musiker stammen.

Die zwei Männer, die das "spirituelle Konzert" von Geflüchteten und Einheimischen in der CulturKirche Oberberg an diesem Abend eröffnen, wirken wie ein längst eingespieltes Team. Dabei haben sie sich eigentlich erst über das spontane Musikmachen kennengelernt, dann aber schnell Gemeinsamkeiten entdeckt. Nach ihrer Flucht 2015 – Masud stammt aus der multiethnischen Stadt Qamischli im Nordosten Syriens an der Grenze zur Türkei und Hesham aus Aleppo, wo er als Grundschullehrer gearbeitet hat – haben sie in Waldbröl Fuß gefasst. Mittlerweile gehören sie zu einer festen Gruppe von Flüchtlingen und einheimischen Oberbergern, die sich regelmäßig auf Initiative von Klangkünstler Jochen Fassbender treffen. Auch Montaha Bodo, die im Verlauf der Darbietungen den Part an einem Plattenglockenspiel übernimmt, und ihr Mann Abdalhalim Ibrahim an der Flöte sind Teil dieses Ensembles.

Kunst der Improvisation

"Ich wohne gegenüber einem Asylbewerberheim. Es war die fehlende Willkommenskultur in meiner Umgebung, die mich dazu gebracht hat, ein Musikangebot für Flüchtlinge zu machen und sie zu mir nach Hause einzuladen", erzählt Fassbender und schildert, wie es zu dieser Initiative kam. "Jeder, der teilnehmen wollte, war willkommen – egal aus welchem Land, ob Mann oder Frau, jung oder alt, Musiker oder Nichtmusiker." Mittlerweile versammelt der Klangkünstler Menschen aus Somalia, Marokko, Kurdistan, dem Iran und Irak um sich. Denn Fassbender ist bekannt für seine unkonventionellen Methoden von Musikvermittlung. Sein Ansatz ist, sich über alle kulturellen Grenzen hinweg über die "universelle Sprache der Musik", wie er sagt, zu verständigen. Dabei spielen die Kunst der Improvisation und das sensible Aufeinanderhören und –eingehen eine große Rolle.

Die Musikinstrumente, die Fassbender dafür einsetzt, wurden zum Großteil von ihm selbst entwickelt. Beim eigentlichen Spiel dann nur wenige Vorgaben zu machen, um den Musizierenden Freiraum zur Entfaltung zu ermöglichen – das ist sein pädagogisches Ziel. "Jeder soll sich selbst beweisen können, dass er einen Sinn für musikalische Schönheit hat und dadurch auch in der Lage ist, schöne Klänge zu erzeugen, selbst wenn er vorher noch nie ein Instrument in der Hand gehalten hat." Letztlich gehe es bei dieser Form des Musizierens darum, in einen Dialog miteinander zu treten – und auch um Heilung. "Schließlich ist ein Instrument das Gegenteil einer Waffe." Kultur im Einklang – dieses doppelsinnige Motto definiert Fassbender als sein Anliegen.

Kirchenchöre aus Engelskirchen und Loope mit dabei

Dass unter den Flüchtlingen und Einheimischen auch richtig gute Musiker sind, die völlig neue Instrumente wie eben die Tambur, die Oud, auch das ein Lauteninstrument, oder die Neyhambone, eine persische Sackpfeife, mitbrachten, aber auch ihre Geige oder Trompete, bereichert an diesem Abend in Osberghausen sichtlich die unerwartete Vielfalt dieses musikalischen Miteinanders. Schließlich handelt es sich fast ausschließlich um Laien, die sich im Altarraum der CulturKirche präsentieren. Ramadan Zin zum Beispiel, ein elfjähriger Junge, singt mit zarter Stimme ein syrisches Kinderlied, eine junge Frau aus Somalia ein Friedenslied.

Später schlägt Ramadan ein Lithophon an, ein Klanginstrument aus Steinen, das mechanisch in Schwingung gerät, während sich die Musikerin Ruth Stöcker gemeinsam mit Montaha Bado an einem Plattenglockenspiel betätigt. Zwischendurch sind die Kirchenchöre von Engelskirchen und Loope mit mehrstimmigen Sätzen zum Mitsingen von der Orgelempore herunter zu hören. Andere zaubern ungekannte Klänge mit Glasröhrenspiele. Alle gemeinsam sorgen sie so für ganz neue Musik, die – vielleicht gerade wegen ihrer Fremdheit – unter die Haut geht und die über 200 Zuhörer spürbar bewegt.

Wenige Mittel für Teilhabe notwendig

"Schlaf, Kindchen, schlaf…" Jochen Fassbender fordert schließlich alle Zuhörer in der CulturKirche dazu auf, diese beruhigende Melodie mitzusummen. Am Ende des Abends sollen die Grenzen noch einmal fließen: zwischen Wiegenliedern in  kurdischer, arabischer, persischer und deutscher Sprache. Für jeden der Anwesenden soll eine kurze Sequenz dieses wunderbaren Klangteppichs der Improvisation Wiedererkennungswert haben.

Es braucht nur wenige Mittel, um Menschen einzubeziehen und Teil haben zu lassen an einem großen Ganzen. Dafür ist dieses Konzert der hör- und sichtbare Beweis. Und auch dafür, dass es mit einer originellen Idee gelingen kann, viele unterschiedliche Menschen aus weiten Teilen dieser Welt für ein gemeinsames Projekt zu begeistern und aus ihrer unfreiwilligen Isolation zu holen. "In unserer CulturKirche setzen wir über unsere kircheninterne Gemeinschaft hinaus auf den Dialog und mit einem solchen Konzert auf eine Begegnung der Kulturen", formuliert es Kreisdechant Christoph Bersch. "Dabei fühlen wir uns mit ihnen verbunden in der geistlichen Dimension unseres Glaubens."

"Musik ist etwas, was uns vereint, aufblühen lässt, berührt", sagt Diakon Patrik Oetterer nach dem Konzert. "Wir sind froh, dass Sie hier bei uns wohnen und uns bereichern", wendet er sich direkt an die Geflüchteten. Und er wünscht ihnen, dass sie sich in Oberberg beheimaten können und sich ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen erfüllt. Schließlich dankt er dem prominentesten Gast an diesem Abend, Rainer Maria Kardinal Woelki, dass er von der ersten Stunde an für genau diese Aufnahme und Beheimatung von Flüchtlingen im Erzbistum Sorge getragen habe. Und Oetterer spricht ihm Mut zu, sich auf diesem Weg nicht beirren zu lassen.


Jochen Fassbender (r.) macht Musik mit Flüchtlingen / © Beatrice Tomasetti (DR)
Jochen Fassbender (r.) macht Musik mit Flüchtlingen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Kreisdechant Bersch begrüßt die Konzertbesucher / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kreisdechant Bersch begrüßt die Konzertbesucher / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Abdalhalim Ibrahim ist eigentlich Karikaturist, spielt aber auch Flöte / © Beatrice Tomasetti (DR)
Abdalhalim Ibrahim ist eigentlich Karikaturist, spielt aber auch Flöte / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Auch mit Steinen lassen sich Klänge erzeugen / © Beatrice Tomasetti (DR)
Auch mit Steinen lassen sich Klänge erzeugen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ramadan Zin spielt das Lithophon / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ramadan Zin spielt das Lithophon / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Montaha Bado und die Musikerin Ruth Stöcker am Plattenglockenspiel / © Beatrice Tomasetti (DR)
Montaha Bado und die Musikerin Ruth Stöcker am Plattenglockenspiel / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Zuhörer beteiligen sich mit unterschiedlichen Klanginstrumenten / © Beatrice Tomasetti (DR)
Zuhörer beteiligen sich mit unterschiedlichen Klanginstrumenten / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Superintendent Jürgen Knabe, Caritasdirektor Peter Rothausen, Kreisdechant Christoph Bersch / © Beatrice Tomasetti (DR)
Superintendent Jürgen Knabe, Caritasdirektor Peter Rothausen, Kreisdechant Christoph Bersch / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR