Prälat Moll über selige und heilige Ehepaare

"Sie hatten etwas Überzeitliches"

Meist werden einzelne Menschen selig- oder heiliggesprochen, seltener ist die Kanonisation im Doppelpack. Zu diesem Phänomen hat Helmut Moll, Kölner Beauftragter für Selig- und Heiligsprechungsverfahren, eine Monografie herausgebracht.

Autor/in:
Esther von Krosigk
Prälat Helmut Moll / © Sabine Kleyboldt (KNA)
Prälat Helmut Moll / © Sabine Kleyboldt ( KNA )

KNA: Herr Prälat Moll, warum kommen "Single"-Heilige soviel häufiger als Ehepaare vor?

Helmut Moll (Beauftragter für Selig- und Heiligsprechungsverfahren im Erzbistum Köln): Unter den 6.600 heiliggesprochenen Katholiken in der Kirchengeschichte finden sich tatsächlich nur 60 Ehepaare. Das liegt daran, dass die Menschen, die Christus nachfolgten, es meist in direkter Weise taten - also unverheiratet und in Treue gegenüber Gott lebten. Deshalb sind viele Priester und Ordensleute selig- und heiliggesprochen worden.

KNA: Ist die Ehe an sich möglicherweise nicht so hoch angesehen bei Gott? Schließlich schreibt der Apostel Paulus: "Ich sage aber den Ledigen und den Witwen: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. Wenn sie sich aber nicht enthalten können, so sollen sie heiraten; denn heiraten ist besser als in die Glut geraten."

Moll: Der heilige Paulus kommt aus dem Alten Testament und meint: "Ich möchte, dass alle so leben wie ich". Und er war unverheiratet. So war er ungeteilt für Gott da, der Verheiratete teilt sich jedoch auf. Er will für Gott und für seinen Partner da sein. Jesus sagt aber ebenfalls, dass auch die Ehe nicht das alleinige ist, sondern dass es nur solche erfassen, die treu und endgültig füreinander da sind. Und weil es auch damals schon hartherzige, rechthaberische und egoistische Menschen gab - also wenig von Liebe erfüllte - gibt Jesus klar vor: Die Ehe ist ein Sakrament, mit der Bindung an Gott, und diese Bindung ist endgültig.

KNA: War es den von Ihnen beschriebenen Ehepaaren bestimmt, einander zu finden, um gemeinsam heilig zu werden?

Moll: Wir unterscheiden zwei unterschiedliche Typen: Da sind die Märtyrer-Ehepaare; sie lebten bis zur Zeit Kaiser Konstantins beziehungsweise in der frühen Neuzeit ab dem 16. Jahrhundert, als die Christenverfolgung in Asien einsetzte. Das andere sind die Bekenner-Ehepaare: Die Partner haben beschlossen, ein konsequent christliches Leben zu führen. Bei beiden Typen der Ehe finden wir gewisse Übereinstimmungen zwischen Mann und Frau: Im Falle der Märtyrer bedeutete Ehe eben Gemeinsamkeit im Leben wie im Tod. Sie sind am gleichen Tag unter den gleichen Bedingungen gestorben: indem sie verbrannt oder am Galgen aufgehängt wurden, oder sie kamen durch Verhungern oder Verdursten in Verliesen um. Bei den Bekenner-Ehepaaren ist es offensichtlich, dass die Voraussetzungen sehr ähnlich waren - sie besaßen eine große spirituelle Übereinstimmung, sie hatten die gleiche Lebensweise und die gleichen Bildungsvoraussetzungen. Oft handelte es sich bei ihnen auch um Herrscher eines Landes - wie etwa in Bamberg Heinrich II. und Kunigunde, - welche viel für die Kirche taten.

KNA: Was macht überhaupt ein heiliges Ehepaar aus? Muss es keusch leben und sich besonderen Regeln unterwerfen?

Moll: Diese Menschen haben einfach ein ganz christliches Leben geführt. Das italienische Ehepaar Beltrame Quattrocchi hatte vier Kinder, die Franzosen Louis und Zelie Martin sogar neun. Sexualität war nicht verboten. Im Gegenteil: Die Liebe zeigte sich auch in der Fruchtbarkeit der Ehe. Ihre Devise war: Wenn wir vor Gott einander Ja gesagt haben, bleiben wir zusammen, halten wir zusammen, stehen wir zusammen. Diese Ehepaare haben zwar in ihrer jeweiligen Zeit gelebt, aber sie hatten etwas Überzeitliches. Sie haben sich gegenseitig ein für alle Mal gesagt: Du und Du für immer.

KNA: Ihr Buch nennen Sie eine Antwort auf die «heutige Scheidungsmentalität». Was können moderne Paare, von denen 90 Prozent längst nicht mehr unberührt in die Ehe gehen, von diesen tief gläubigen und sittsamen Paaren lernen?

Moll: Rund 80 Prozent aller Jugendlichen wünschen sich, dass ihr Partner ihnen treu bleibt. Aber sie können es nicht leben, weil die heutige Gesellschaft sehr nachgiebig ist und die sogenannte Kultur der Vorläufigkeit predigt: "Solange Du mir gefällst, solange Du schön bist und ich keinen besseren finde, bleibe ich bei Dir." Wenn ein vermeintlich besserer Partner kommt, lassen sie den anderen fallen wie eine heiße Kartoffel. Die von mir vorgestellten Ehepaare dagegen waren herausragend durch ihre Verlässlichkeit, Endgültigkeit und Treue. Ihre Form der Ehe war von keinem Zeitgeist geprägt und damit beispielhaft. 

Helmut Moll

Der Kölner katholische Theologe und Historiker Helmut Moll ist Herausgeber des Martyrologiums "Zeugen für Christus" mit Lebensbildern von rund 1.000 deutschen und deutschstämmigen Märtyrern. Das zweibändige Werk im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz ist inzwischen in siebter Auflage erschienen und umfasst auch Märtyrer des 20. Jahrhunderts.

Prälat Helmut Moll / © Sabine Kleyboldt (KNA)
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Quelle:
KNA