Dompropst: Eine solche Reliquie ist nicht zu ersetzen

Verlust für Betende

Unbekannte haben aus dem Kölner Dom eine Reliquie mit einem Blutstropfen von Papst Johannes Paul II. gestohlen. Dompropst Gerd Bachner zeigt sich im domradio.de-Interview "tief entsetzt" über den Diebstahl.

Dompropst Gerd Bachner sitzt im Kölner Dom / © Oliver Berg (dpa)
Dompropst Gerd Bachner sitzt im Kölner Dom / © Oliver Berg ( dpa )

domradio.de: Wie haben Sie von dem Diebstahl erfahren?

Gerd Bachner (Kölner Dompropst): Es war morgens früh, da klingelte das Telefon. Am anderen Ende war der Küster und der teilte mir mit, dass eine Betende ganz entsetzt in die Sakristei gekommen war. Sie habe mitgeteilt, dass die Blutreliquie von Johannes Paul II. verschwunden sei. Am Tag vorher, als sie dort betete, sei sie noch da gewesen.

domradio.de: Was war da ihr erster Gedanke, wie haben Sie sich gefühlt?

Bachner: Ich war tief entsetzt und habe gedacht: "Das kann es doch nicht geben." Ich habe mich an vor 26 Jahren zurückerinnert. Da wurde ein Vortragekreuz im Dom gestohlen. Und damals entwickelte sich ein Grundsatz: Den Dom bestiehlt man nicht. Da war der Satz in aller Munde. Der ist mir wieder in den Sinn gekommen.

Es geht hier nicht um das Materielle, sondern es geht hier um einen ideellen Wert, der unersetzbar ist. Vor fünf Minuten erst hat mir eine Frau gesagt, sie sei entsetzt, weil sie regelmäßig an der Reliquie bete und ihr das für ihr Leben und ihren Glauben Kraft spende. Für sie ist es schlimm, dass dieses Reliquiar leer ist. Das ist für sie nicht fassbar. Es ist nicht nur der Dom betroffen, sondern auch die vielen Betenden. 

domradio.de: Wir haben jetzt vom ideellen Wert gesprochen. Können Sie etwas über den materielle Wert sagen? 

Bachner: Es gibt einen kleinen materiellen Wert - nämlich die Einfassung war ein goldener Strahlenkranz. Ich bin kein Kunsthistoriker, um den materiellen Werts zu schätzen, aber der ist im Grunde nicht so hoch. Aber es ist ja so: Etwas Materielles kann man ersetzen, aber eine solche Reliquie ist nicht zu ersetzen. Es ist eine Reliquie, die für viele Gläubige einen sehr hohen Stellenwert hat. Mit diesen Menschen bin ich gemeinsam traurig. 

domradio.de: Der Dom ist eigentlich bewacht, wie konnte es trotzdem zu diesem Diebstahl kommen?

Bachner: Im Schnitt gehen Tag ein und Tag aus 20.000 Menschen in den Dom. An manchen Tagen, wenn es zum Beispiel - wie aktuell - viel und stark regnet, dann suchen auch viele Menschen einfach einen Schutz im Dom und dann sind es wahrscheinlich auch mehr als 20.000 Menschen.

Wir haben natürlich Domschweizer. Aber bei 20.000 Menschen können Sie auch nicht an jedem Punkt und an jeder Stelle sein. Und es kommt hinzu, dass diese Reliquie eine Berührungs-Reliquie ist. Die Menschen gehen genau an diese Stelle der Reliquie, um sie zu berühren und durch diese Berührung einen Segen zu erfahren. Da müsste man schon bei jedem Menschen jemanden daneben stellen. Das lässt sich aber in dieser Weise nicht umsetzen. Das habe ich auch den Domschweizern gesagt, da mache ich ihnen auch in keiner Weise einen Vorwurf. 

domradio.de: Der Dom oder Kirchen haben ja offene Türen – jeder ist jederzeit willkommen. Glauben Sie dass sich das in Zukunft ändern wird?

Bachner: Wir sind wachsam und unsere Wachsamkeit bleibt auch bestehen. Aber auf der anderen Seite muss auch die Möglichkeit, dass Menschen eine solche Reliquie berühren können, um für ihr Leben und ihren Glauben eine Stärkung zu finden, gewährleistet bleiben. Ich kann nur hoffen, dass die Personen, die die Reliquie entwendet haben, das hören und es sich überlegen: "Was haben wir da eigentlich gemacht?" Vielleicht war es ja auch eine spontane Reaktion, die nicht geplant war. Ich kann nur hoffen, dass die Reliquie, wie damals beim Vortragskreuz, wieder auftaucht. Ich appelliere an diese Menschen, die Reliquie zurückzubringen - für die Menschen, denen sie sehr wichtig ist. Diese Reliquie wird diesen Menschen, die sie gestohlen haben, keinen Segen bringen.

Das Interview führte Hannah Radke.


Reliquiar Johannes Paul II / © dpa (dpa)
Reliquiar Johannes Paul II / © dpa ( dpa )
Quelle:
DR