Das Erzbistum Köln kritisiert Forderungen der Partei "Die Linke" scharf

"Finger weg vom Religionsunterricht!"

Die Katholische Kirche hat am Montag die Forderung der Partei "Die Linke" nach einem Pflichtfach Ethik anstelle des Religionsunterrichts an NRWs Schulen scharf kritisiert. Christoph Westemeyer vom Erzbistum Köln betonte die Bedeutung des Religionsunterrichts für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Im domradio-Interview kündigte er "erbitterten Widerstand" der Kirchen an, sollte die Politik entsprechende Pläne in Angriff nehmen.

 (DR)

domradio: Schauen wir erst mal auf die Rechtslage: Der Religionsunterricht ist als einziges Unterrichtsfach im Grundgesetz als ordentliches Lehrfach für öffentliche Schulen abgesichert und steht unter staatlicher Aufsicht. Kann man Reli einfach so durch Ethik ersetzen?
Westemeyer: Das ist ganz sicher nicht der Fall, dass man das so einfach machen kann. Besonders interessant an dem Vorschlag der Partei Die Linke ist ja eine Ironie der Geschichte: Heute feiern wir den 20. Jahrestag des Mauerfalls - und hier werden wieder Mauern aufgerichtet, Mauern in den Köpfen, von denen man glaubte, die wären langsam rund. Der Religionsunterricht ist ein Pflichtfach, das kann gar nicht so einfach gekippt werden. Das ist das einzige Fach mit Verfassungsrang. Von daher wird man große Geschütze auffahren müssen, um da ranzukommen.

domradio: Wie läuft denn der Religionsunterricht in NRW - lassen sich viele Schüler vom Unterricht befreien?
Westemeyer: Das ist eine landläufige Meinung, die wir nicht bestätigen können. Insgesamt liegt in Deutschland der Meldedurchschnitt bei fünf Prozent - und das geht durch alle Schulformen und ganz Deutschland. Unter fünf Prozent ist die Beteiligung derer, die sich freiwillig vom Religionsunterricht befreien lassen wollen.

domradio: In den östlichen Bundesländern ist "Ethik" etabliert - was halten Sie vom Schulfach Ethik?
Westemeyer: Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass das Schulfach Ethik nicht das Fach ist, das dem Religionsunterricht auf Augenhöhe begegnen kann. Weil der Religionsunterricht - und das ist ja eine Schlussfolgerung aus den leidvollen Erfahrungen der Geschichte - nicht vom Staat verantwortet werden soll, sondern eben ein Fach ist, das in der inhaltlichen Verantwortung der Kirchen liegt. Die haben dafür zu sorgen, dass die Inhalte dort korrekt wiedergegeben werden. Religionslehrer sind im Auftrag ihrer Kirchen unterwegs, egal welcher Konfession sie angehören. Nicht der Staat bestimmt, was im Unterricht, wo es um Werte, Sinnperspektiven für das Leben und den Glauben geht, gesagt wird.

domradio: Warum ist der Religionsunterricht so wichtig?
Westemeyer: Der Religionsunterricht ist für Kinder möglicherweise noch eine der ganz wenigen Chancen, wo sie sich überhaupt noch mit dem auseinandersetzen können, was in ihrem Innersten vorgeht, wo sie fragen können: Woher komme ich, wohin gehe ich, was ist das Ziel meines Lebens? Oder bei den kleineren Kindern in der Grundschule wird man zunächst mal fragen: Was ist mit meinem Opa, der letzte Woche gestorben ist? Kinder müssen die Chance haben, den Glauben und die Antworten des Glaubens im Religionsunterricht kennen zu lernen.

domradio: Hannelore Kraft, die Spitzenkandidatin der NRW-SPD hat angekündigt, dass sie am Religionsunterricht festhalten möchte. Sehen Sie trotzdem "Reli" in NRW gefährdet - so wie in Berlin?
Westemeyer: Man muss den Anfängen wehren. Man darf, glaube ich, auch von dem Wolf im Schafspelz keine falschen Illusionen haben. Es ist ja so, dass mittlerweile aus Hessen die Bemerkung der FDP hochkam, wenn es nicht möglich wird für die muslimischen Gläubigen einen Religionsunterricht analog zu dem der Christen einzurichten, dass man dann vielleicht auch das gesamte Modell des konfessionellen Religionsunterrichts in Frage stellen will. Von daher kann man nur sagen: Finger weg davon, es wird sonst auf erbitterten Widerstand stoßen.

Das Interview führte Monika Weiß.

Hintergrund
Der Religionsunterricht beziehungsweise der "Unterricht in den verschiedenen Religionen" könne weiterhin zusätzlich angeboten werden, sei jedoch freiwillig, erläuterte der stellvertretende Landessprecher Ralf Michalowsky am Sonntag in Hamm dem epd. Auf dem Landesparteitag nahmen die Delegierten eine entsprechende Passage in der Präambel ihres Programms für die Landtagswahl im Mai kommenden Jahres mit 85 Prozent der Stimmen an.

Zudem wolle die Linke in NRW erreichen, dass die "Ehrfurcht vor Gott" als erzieherisches Ziel aus der NRW-Landesverfassung gestrichen wird, sagte Michalowsky weiter. Die Delegierten in Hamm hätten sich für eine entsprechende Änderung von Artikel sieben ausgesprochen. Neben der Ehrfurcht vor Gott werden in der Verfassung auch Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln sowie Achtung vor der Überzeugung des anderen als weitere erzieherische Ziele genannt.

Im Vorfeld hatte die Düsseldorfer Schulministerin Barbara Sommer (CDU) betont, dass sie am Religionsunterricht in NRW festhalten wolle. Mit Blick auf die zunächst in einem Entwurf des Landtagswahlprogramms geäußerte Forderung einiger Linken, den Religionsunterricht ganz abschaffen zu wollen, hatte die Ministerin erklärt, dass dies eine Abkehr von den Werten und Grundsätzen der Verfassung bedeute. Das Fach sei "ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung von Wertebewusstsein und Moralität". Am Sonntag sprach der Generalsekretär der CDU in NRW, Hendrik Wüst, von einer Diskriminierung Gläubiger.

Auch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erteilte am Sonntag dem gesamten Politik-Programm der Linken eine scharfe Absage. In Düsseldorf rief Rüttgers "alle Demokraten im Land", auch die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Hannelore Kraft und die SPD in NRW auf, "sich klar von der Linken zu distanzieren und jede Zusammenarbeit mit dieser radikalen Partei auszuschließen".

Vom Grundgesetz  abgesichert
Der Religionsunterricht ist als einziges Unterrichtsfach im Grundgesetz als ordentliches Lehrfach für öffentlichen Schulen abgesichert. Er steht unter staatlicher Aufsicht und ist eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Religionsgemeinschaften. Die Hauptanbieter von Religionsunterricht an Schulen sind die evangelische und katholische Kirche. In NRW gibt es seit 1985 auch griechisch-orthodoxen Religionsunterricht, der zu Beginn des laufenden Schuljahres für Kinder aus serbisch- und russisch-orthodoxen Familien erweitert wurde. Für Kinder jüdischen Glaubens wird in den jüdischen Gemeindehäusern jüdischer Religionsunterricht überwiegend nachmittags erteilt.

In Duisburg und Köln wird seit 1999 im Rahmen eines Modellversuchs an etwa 130 Schulen Islamkunde erteilt. Künftig soll es in NRW einen regulären islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache mit hierzulande ausgebildeten Lehrern geben. Ein landesweiter Schulversuch soll voraussichtlich nach den Sommerferien 2010 starten. In NRW gibt es rund 310.000 muslimische Schüler. Für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts muss auch das Landesschulgesetz geändert werden.