Sozialbericht für Deutschland erschienen

Von Armutsrisiko und Familienglück

Alle zwei Jahre stellt das Statistische Bundesamt seinen "Datenreport - Sozialbericht für Deutschland". Die Zahlen beleuchtet die objektiven Lebensverhältnisse und das subjektive Wohlbefinden der Bürger. Auch 2011 bleibt die Familie wichtig, der Trend geht hier aber zu Patchwork. Das Armutsrisiko steigt.

 (DR)

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat in den vergangenen zehn Jahren zugenommen. Der Anteil der Frauen, die ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst finanzieren, wuchs zwischen 2000 und 2010 um vier Prozentpunkte, wie aus dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Sozialbericht hervorgeht. Im alten Bundesgebiet sind es 42 Prozent der Frauen ab 15 Jahren, in den neuen Ländern 45 Prozent.

Der Datenreport wurde vom Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben. Er untersucht Themen wie die Verteilung materiellen Wohlstands oder Erwerbsarbeit, aus denen sich Rückschlüsse über die Lebensqualität und den gesellschaftlichen Fortschritt ziehen lassen. Seit 1985 erscheint er regelmäßig alle zwei Jahre.

Insgesamt finanzierte 2010 die Hälfte der Bevölkerung ab 15 Jahren laut Bericht ihren Lebensunterhalt überwiegend aus eigener Erwerbstätigkeit. 27 Prozent lebten von Renten, Pensionen oder eigenem Vermögen, 15 Prozent wurden von Angehörigen finanziert. Acht Prozent erhielten Sozialleistungen.

Der Ost-West-Unterschied bleibt…
Zwischen Ost und West bestünden weiterhin Unterschiede in der Einstellung zur Erwerbstätigkeit, erklärte Roland Habich vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Dies zeigt sich etwa beim Thema Familie und Beruf. 66 Prozent der Westdeutschen bewerteten die Konsequenzen, wenn Frauen erwerbstätig seien, eher positiv, in Ostdeutschland seien dies 92 Prozent.

Bei der Armutsgefährdung zeichnet der Bericht ein eher düsteres Bild. 16 Prozent der Bevölkerung waren 2008 laut Erhebung armutsgefährdet. Dabei spielen die Kosten für das Wohnen eine besondere Rolle. Ein Drittel aller Armutsgefährdeten sah sich 2009 durch diese finanziell schwer belastet. 16 Prozent von ihnen konnten nach eigenen Angaben ihre Wohnung nicht angemessen heizen. Jeder dritte Armutsgefährdete sah sich zudem nicht in der Lage, jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen.

Für diejenigen Deutschen, die mit ihrem Einkommen im unteren Fünftel des Bundesdurchschnitts liegen, hat sich zudem das Risiko erhöht, arm zu bleiben. In den 80er Jahren lag das Risiko bei 57 Prozent, heute bei 65 Prozent, wie Habich erklärte.

….und die Bildung wichtig….
Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, forderte anlässlich des Berichts mehr Investitionen in die Bildung. Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt sei mit 6,8 Prozent in 2009 "ganz nüchtern betrachtet" zu gering, um der wirtschaftlichen Relevanz von Bildung gerecht zu werden, kritisierte er.

2009 hatten ein Viertel der deutschen Bevölkerung und 53 Prozent der hier lebenden Ausländer keinen oder noch keinen beruflichen Bildungsabschluss. Zwar wachse die Zahl der jungen Menschen mit Fachhochschul- oder Hochschulzulassung (2009: 43 Prozent). Laut OECD-Bericht liege Deutschland aber auf einem der unteren Plätze, was die Qualität der Abschlüsse betrifft, dazu fehle es trotz überfüllter Hörsäle an hochqualifizierten Arbeitskräften.

….genau wie die Familie
Die Familie hat laut Sozialbericht weiterhin einen hohen Stellenwert, das Heiraten dagegen weniger. 2010 lebten 18,2 Millionen Ehepaare in Deutschland, rund 1,3 Millionen weniger als vor zehn Jahren. Dafür gab es 2,6 Millionen gemischt- oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, knapp ein Viertel mehr als vor zehn Jahren. Die Zahl der Alleinstehenden nahm um 18 Prozent auf 17,4 Millionen zu, die der Alleinerziehenden um 15 Prozent auf 2,7 Millionen.

Die Mehrheit der Bevölkerung (je nach Altersgruppe zwischen 70 und 80 Prozent) gibt dabei an, dass es Familie zum Glück braucht. Zugleich erhöht Familie tatsächlich die Lebenszufriedenheit, die bei Menschen mit Familienbindung laut Bericht über dem Durchschnitt liegt.