Open Doors beklagt Zunahme der Christenverfolgung

"Als Christen werden sie direkt hingerichtet"

Die Gewalt gegen Christen hat 2019 drastisch zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt der Weltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks Open Doors. Mehr als 9.500 Kirchen seien attackiert, geschlossen oder zerstört worden. 

Zerbrochene Figur in einer Kirche / © Tacio Philip Sansonovski (shutterstock)
Zerbrochene Figur in einer Kirche / © Tacio Philip Sansonovski ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie schreiben in Ihrem Bericht von immer stärkerer digitaler Überwachung durch neue technische Hilfsmittel. Die spielen diktatorischen Regimes natürlich in die Hände, liefern ihnen die Mittel zu immer perfideren Kontrollen. Ist dieser Trend jetzt vermehrt zu beobachten?

Markus Rode (Geschäftsführer von Open Doors Deutschland): Der Trend setzt sich international durch. Ein besonderes Beispiel hierfür ist Indien, wo es überall Installationen von biometrischen Gesichtserkennungsystemen gibt - man sagt, um die Kriminalität zu senken. In Wirklichkeit hat man dabei ganz besonders die Christen im Visier. Denn Indien hat sich zum Ziel gesetzt, ein hinduistisches Land zu sein, wo jeder Inder ein Hindu sein muss. Da werden Christen gerade jetzt extrem verfolgt.

DOMRADIO.DE: Sie sprechen davon, dass sich die Gewalt gegen Christen und ihre Kirchen insgesamt dramatisch verschlimmert hat. Woran machen Sie das fest?

Rode: Man kann zum Beispiel sehen, wie viele Kirchen im letzten Jahr attackiert, geschlossen und zerstört wurden. Deren Zahl hat sich verfünffacht. Das heißt, wir haben ein Level von 9.500 Kirchen, die geschlossen, attackiert und zerstört wurden. Darüber hinaus haben wir natürlich auch eine extreme Zunahme der Gewalt. Ein Beispiel ist Afrika, die Länder südlich der Sahara - dort haben wir zum Beispiel Burkina Faso ganz neu auf dem Weltverfolgungsindex.

Islamistische Gruppen kommen dort direkt zu den Gottesdiensten, oft mit Motorrädern. Sie bitten die Pastoren nach draußen und exekutieren sie dort. In Nigeria etwa gibt es sogenannte "Roadblocks" (Straßensperren, Anm. d. Red.). Das ist auch eine neue Form: Man hält die Menschen an einer Straße an und schaut, ob Sie eine ID-Card haben. Sind sie Christen, werden sie direkt hingerichtet. Sind Sie Muslime, werden sie durchgewunken.

Ein anderes Negativ-Beispiel ist Sri Lanka, wo am Ostersonntag 2019 rund 250 Menschen bei einem Anschlag ermordet worden, der größte Teil davon Christen. Also, es ist derzeit ein extremes Maß an Gewalt gegen Christen zu beobachten.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns noch auf das Negativ-Ranking der Länder mit der stärksten Verfolgung von Christen schauen. Nordkorea ist seit Jahren schon trauriger Spitzenreiter. Da hat sich auch nach dem Treffen zwischen Trump und Kim Jong Un nichts zum Besseren bewegt?

Rode: Für die Christen hat sich gar nichts zum Besseren bewegt, eher zum Schlechteren. Das liegt unter anderem daran, dass die Grenze zu China immer dichter gemacht wird. Das heißt, hier kooperieren die chinesischen Behörden mit nordkoreanischen Geheimdiensten. Menschen, die über die Grenze nach China kommen, werden im Prinzip auch wieder zurückgeführt. Circa 70.000 Christen sind dort in Arbeitslagern. Und die nordkoreanischen Geheimdienste sind abgerichtet, Christen zu finden und auszulöschen.

DOMRADIO.DE: Auf Platz zwei bis fünf folgen dann mit Afghanistan, Somalia, Libyen und Pakistan allesamt muslimische Staaten. Und dann auf Platz sechs ein Land, aus dem es zuletzt eigentlich ganz gute Nachrichten gegeben hat - Eritrea nämlich. Sie machen trotz Friedensabkommen mit dem Nachbarn Äthiopien keine Verbesserung für die Christen vor Ort aus?

Rode: Leider nicht. Es war natürlich unsere Hoffnung, dass es besser wird. Präsident Isayas Afewerki hat Angst, seine Macht zu verlieren. Er hat allein im Mai 2019 wieder Hunderte Christen verhaften lassen. Im Juni wurden 22 christliche Kliniken im Land geschlossen und beschlagnahmt. Und wenn man sich vorstellt, dass dort Hunderte von Christen in Schiffscontainern gefangen sind, ohne Gerichtsverfahren, nur mit der Chance rauszukommen, wenn sie unterschreiben, dass sie nicht mehr am christlichen Leben teilnehmen, dann sieht man, mit welcher Brutalität dieses Regime gegen Christen vorgeht.

DOMRADIO.DE: Sie fordern verstärktes Engagement westlicher Politiker und Promis gegen solche Christenverfolgung. Dass das durchaus etwas bringen kann, zeigt ja der Fall Asia Bibi in Pakistan.

Rode: Ja, es ist positiv, dass Asia Bibi nach immerhin neun Jahren aus der Todeszelle entlassen wurde. Sie saß dort ja, weil sie unschuldig wegen Blasphemie angeklagt war. Selbst Politiker, die sich für sie vor Ort eingesetzt haben, wurden ermordet. Das zeigt, wie schwer es ist, jemanden freizubekommen. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Viele Christen haben für sie gebetet. Viele Politiker aus aller Welt haben sich auch in stiller Diplomatie für sie eingesetzt, sodass sich schließlich die Türen geöffnet haben. Das ist ein ermutigendes Zeichen, nicht locker zu lassen, weiterzumachen.

Asia Bibi hat sich selbst aus dem Exil in Kanada gemeldet und hat gesagt: "Es ist so wichtig. Ich bin zwar frei, aber es gibt immer noch viele Menschen, die in Todeszellen in Pakistan sitzen. Und bitte machen Sie weiter. Setzen Sie sich weiterhin für diese Menschen ein." Das ist ein Appell, den ich auch vonseiten Open Doors an alle weitergeben möchte. Es lohnt sich, sich für diese Menschen einzusetzen. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Open Doors Geschäftsführer Markus Rode / © N.N. (Open Doors)
Open Doors Geschäftsführer Markus Rode / © N.N. ( Open Doors )
Quelle:
DR
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