Münsteraner Weihbischof beklagt Versagen der Politik

Waffenlieferungen nur letztes Mittel

In der Debatte um deutsche Waffenlieferungen in den Irak hat der Münsteraner Weihbischof Dieter Geerlings unterstrichen, dass Unterstützung mit Waffen nur das letzte Mittel sein dürfe. Der Politik wirft er Versagen vor.

Weihbischof Dieter Geerlings (KNA)
Weihbischof Dieter Geerlings / ( KNA )

domradio.de: Die Bundesregierung ja jetzt beschlossen, Waffen in den Nordirak zu liefern. Ist das der richtige Weg?

Weihbischof Geerlings: Da kann man bei dieser sehr komplizierten Angelegenheit natürlich drüber streiten. Die Deutsche Bischofskonferenz hat ja dazu Stellung genommen. Man muss nur genau lesen, sie hat gesagt: Wenn alle Optionen ausgeschöpft sind, dann ist ein Weg denkbar, dass man Waffen liefert. Gemeint ist damit die Schutzverantwortung für Menschen, die brutal verfolgt werden. Dann bin ich, wenn auch zähneknirschend, der Meinung, dass dieser Weg gegangen werden muss. Als ich heute mit jesidischen und christlichen Familien gesprochen habe, habe ich gehört, dass in manchen Familien von 80 Angehörigen an einem Tag über die Hälfte ermordet wurden. Da wurde Kindern der Kopf abgeschlagen, ich will da lieber nicht weiter drüber sprechen, weil es unfassbar ist. Was ich damit sagen möchte, dass trotzdem auch andere Optionen weiter verfolgt werden müssen. Es werden von der Bundesregierung Waffen geliefert in diese Gebiete des mittleren Ostens an Staaten, die immer wieder die ganze Situation destabilisieren. Und hier muss ganz im Sinne von Papst Franziskus ein Stopp vorgestellt werden, damit das nicht weiter passiert. Und es muss gemeinsam mit der UN darüber nachgedacht werden, mit Blauhelmsoldaten einen Schutzkorridor einzurichten für die Flüchtlinge im Irak. Und davon höre ich aus Regierungskreisen im Moment noch zu wenig.

domradio.de: Sie befürchten also, dass die deutschen Waffen nicht in die richtigen Hände gelangen?

Weihbischof Geerlings: Ja, diese Befürchtung habe ich. Diese Situation offenbart zudem ein Politikversagen der westlichen Regierungen. Und zwar seit über 10 Jahren, die ISIS-Gruppe ist ja nicht vom Himmel gefallen, das alles hat sich doch langsam aufgebaut. Das hängt ja auch mit Syrien und der Stellung der Türkei zusammen. Da hat man die Augen geschlossen, hat sich zu sehr herausgehalten.

domradio.de: Sie sprachen über den Kontakt mit jesidischen und christlichen Familien aus dem Irak, die im Münsterland leben. Ändern deren Berichte den Blick auf die Dinge?

Weihbischof Geerlings: Sicherlich. Weil man sehr betroffen ist, wenn man das hört.  Es sind ja abertausende Familien, denen ein solches Schicksal widerfahren ist. Das macht betroffen, wenn man hört, dass die Extremisten Vergewaltigung religiös rechtfertigen, weil es dort eine Stundenehe gibt, über die immer nur der Mann bestimmt. Es werden Frauen verheiratet, vergewaltigt und dann wieder geschieden, dann kommt die nächste dran. Und das wird mit deren Auslegung des Islams begründet! Dann ist man schon sehr betroffen, und das verändert noch einmal den Blick auf die ganze Situation.

domradio.de: Wie kann konkret aus Deutschland der Bevölkerung im Nordirak geholfen werden?

Weihbischof Geerlings: Die Kirche kann humanitäre Hilfe leisten, das ist aber natürlich nicht der große Wurf, wir können praktisch nur über Caritas International helfen. Unser Bischof hat als Anreiz 50.000 Euro zur Verfügung gestellt und die Menschen aufgefordert, an Caritas International zu spenden. Die hat in den Flüchtlingsgebieten Zentren, aus denen heraus Hilfsgüter an die Menschen gebracht werden können. Aber dadurch ist noch nicht die nötige Hilfe abgedeckt. Es gibt Familien, die noch gar nichts erhalten haben. Es gibt Gebiete, wo die Caritas nicht mehr hinkommt. Und wir können nur auf die Politik Einfluss nehmen, wir können selber keine Politik machen, wir können nur unsere Meinung sagen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR