Neue Wege in der Altenheimseelsorge

Unterwegs mit leichtem Gepäck

Menschen werden immer älter. Das verändert die Aufgabe der Altenheimseelsorge. Unter dem Titel "Unterwegs mit leichtem Gepäck" diskutiert das Kölner Diözesanforum Altenheimseelsorge über neue Wege in der Begleitung alter Menschen.

Wichtiger denn je: Altenheimseelsorge / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Wichtiger denn je: Altenheimseelsorge / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

DOMRADIO.DE: Inwiefern verändern sich Altenheimseelsorge und die Bedürfnisse von Bewohnern?

Dr. Peter Bromkamp (Diözesanreferent für Altenheimseelsorge): Weil sich die Bedürfnisse von Bewohnern ändern, muss sich auch Altenheimseelsorge ändern. Menschen, die ins Altenheim kommen sind heute deutlich älter und meist auch pflegebedürftiger. Der Anteil der Menschen mit Demenz steigt, derzeit beträgt der Anteil bereits etwa 70 Prozent. Und auch das soziale Umfeld der Bewohner, ihre Angehörigen und die Aufgaben in einem Pflegeheim verändern sich. Und es ist Aufgabe der Altenheimseelsorge, sich dem zu stellen. Seelsorge entwickelt sich hin zu individueller Einzelbegleitung.

DOMRADIO.DE: Wie reagieren Sie auf diese sich verändernden Bedürfnisse?

Bruno Schrage (Referent für Caritas-Pastoral): Zur Kompetenz in der Pflege und in den Sozialen Diensten gehört vor allem die Biografiearbeit: Das heißt, sich auf die individuellen Bedürfnisse von Bewohnerinnen und Bewohnern einzustellen. Wir stellen fest, dass viele heute mit ganz anderen religiösen Fragen in unsere Häuser kommen. Bei uns finden unterschiedliche Religionen ein Zuhause: Und es ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen, Menschen aller Religionen im Alltag zu begleiten.

Bei einer Demenz steht oft die Frage im Raum: Verliere ich meine Identität? Verliere ich sie dann auch bei Gott? Kennt Gott mich noch? Wie gehen wir als Angehörige damit um?

Aber es geht auch beispielsweise um Fragen einer digitalen Wirklichkeit: Es gibt zum Beispiel Versuche, demente Menschen mittels einer virtuellen Reise in die Vergangenheit anzusprechen und anzuregen.  

All das gehört zu guter Beziehungsarbeit. Und darin steckt immer auch das Angebot, sich zu fragen: Was hat das eigentlich mit meiner Religiosität und dem christlichen Glauben zu tun?

DOMRADIO.DE: Sie haben im Erzbistum Köln ein neues Seelsorge-Konzept entwickelt: Was bisher vielleicht ein einziger Pfarrer geleistet hat, übernehmen jetzt zum Teil Pfleger oder andere Heimmitarbeiter. Was steckt dahinter?

Schrage: Wir haben sehr früh gemerkt, dass die Menschen heute weniger nach Ritualen fragen, sondern nach einer individuellen Begleitung. Und es sind unsere Pflegenden und Mitarbeiter aus dem sozialen Dienst, die in einer Beziehung zu den Menschen stehen.

Und die haben schon frühzeitig klargestellt: Das ist Teil ihrer Aufgabe. Sie haben eingefordert, die Menschen mehr begleiten zu können. So entstand das Konzept "Begleiterinnen und Begleiter in der Seelsorge", wo Mitarbeiter aus dem sozialen oder Gesundheitsbereich für seelsorgerische Arbeit geschult und dafür auch teilweise freigestellt werden. Dabei muss man auch deutlich anerkennen: Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki unterstützt dieses Konzept finanziell, weil ihm Seelsorge so wichtig ist.

Das heißt: hier wird ein ergänzendes System aufgebaut. Und im Erzbistum Köln haben wir mittlerweile 120 Kolleginnen und Kollegen aus den karitativen Einrichtungen in der Seelsorge qualifiziert und beauftragt.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Seelsorge? Gemeinsames Beten?

Schrage: Man fragt zunächst einmal nach den religiösen Bedürfnissen und fragt: Was bewegt sich gerade im Alter? Hier brechen viele religiöse Fragen überhaupt erst neu auf. Vieles war bisher eher "fromm", gelernt, übernommen. Und jetzt ist viel Zeit, jetzt stellen sich existenzielle Fragen und jetzt möchten die Menschen Deutung, sie möchten begleitet werden und spüren plötzlich: da sind kompetente Menschen, die mir ein Angebot machen, es gibt einen Gott, es gibt Jesus Christus, eine Begleitung im Leben – jeder Einzelne ist gewollt. Alles das spielt eine Rolle und am Ende können auch das Gebet und das Sakrament stehen.

DOMRADIO.DE: An diesem Dienstag findet das "Diözesanforum Altenheimseelsorge" statt, das einzige im deutschsprachigen Raum, das sich mit diesem Thema beschäftigt. Der Titel lautet: "Unterwegs mit leichtem Gepäck" – warum dieser Titel?

Bromkamp: Der Ausspruch stammt aus der Bibel: Als Jesus damals die Jünger aussandte, gingen sie mit nichts als Sandalen und Stock, um Gott zu den Menschen zu bringen oder bei den Menschen zu suchen. Es gibt mittelalterliche Bewegungen wie die Beginen, die sich auch stets mit leichtem Gepäck auf den Weg machten.

Und wir wünschen uns, dass wir wenig Belastendes mitnehmen: Nur unsere Haltung, unsere Kompetenz und unsere Sensibilität. Und wir erleben auch, dass Menschen die in Altenheimen leben, "Gepäck" haben. "Jeder hat sein Päckchen zu tragen" ist eine Redensart, die dazu passt. Wir möchten mittragen und wir hoffen, dass dieses Gepäck, das Menschen zu tragen haben, nicht so schwer wird.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR