Nach der Brandkatastrophe von Titisee-Neustadt

Noch lange keine Normalität

Vor zwei Monaten starben in der Behinderteneinrichtung im Hochschwarzwald 14 Menschen. Es war die größte Brandkatastrophe in Deutschland seit langem. Verarbeitet haben die Betroffenen das Erlebte noch lange nicht.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

Vor der ausgebrannten Werkstatt steht noch ein Grablicht im Schnee. Die durch Explosion und Hitze geborstenen Fenster sind mit Spanplatten notdürftig verschlossen. "Wir haben die Räume winterfest gemacht, für eine Sanierung oder die Vorbereitungen für einen Wiedereinzug ist es noch zu früh", sagt Gerhard Wienandts vom Caritasverband Freiburg, dem Träger der Behinderten-Werkstätte. "Wir lassen unseren Mitarbeitern Zeit, das Erlebte in Ruhe zu verarbeiten. Das sagen uns auch alle psychologischen Experten."

Frühestens in einem halben Jahr könnte die Werkstatt neu eröffnet werden. Vor zwei Monaten starben in der Behinderteneinrichtung im Hochschwarzwald 14 Menschen. Es war die größte Brandkatastrophe in Deutschland seit langem. Besondere Betroffenheit löste aus, dass die meisten der Opfer behindert waren.

Mittlerweile ist weitgehend geklärt, wie es zu dem Unglück kam. Aus einem mit einer Gasflasche betriebenen Heizofen trat Gas aus und entzündete sich in einer Explosion. Der Ofen, der seit Jahren in der Einrichtung stand, sollte am Tag des Unglücks bei einem Weihnachtsmarkt eingesetzt werden. Mutmaßlich löste ein Bedienfehler, ein falsch angeschlossener Schlauch oder ein versehentliches Auf- statt Zudrehen die Katastrophe aus. In den Tagen nach der Katastrophe wurden alle Gasflaschen und -Kartuschen aus allen Einrichtungen des Freiburger Caritasverbands entfernt.

"Wir brauchen noch Zeit"

Derzeit wertet die Staatsanwaltschaft Freiburg den jetzt vorliegenden schriftlichen Abschlussbericht des Brandsachverständigen aus. Erst dann wird sich entscheiden, ob das Ermittlungsverfahren weitergeht oder eingestellt wird, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Ein technischer Defekt gilt weiter als unwahrscheinlich. Die Betreuerin, die am Unglückstag den Heizofen testete, starb in den Flammen. Es ist aber unter anderem noch nicht eindeutig geklärt, ob sie die alleinige Schuld am Unglück trifft.

Die Caritas spricht von einem tragischen Unfall. Eindeutig belegt sei zudem, so Wienandts, dass die Caritas alle Sicherheitsauflagen in dem nur wenige Jahre alten Gebäude erfüllte. Auch die Feuerwehr war in Rekordzeit vor Ort. Alle 14 Opfer starben im Raum, in dem das Gas explodierte. Die übrigen mehr als 80 Mitarbeiter konnten gerettet werden oder sich selbst über die Fluchtwege in Sicherheit bringen. Zwei Monate nach dem Unglück wird noch eine Rollstuhlfahrerin wegen ihrer schweren Verbrennungen im Krankenhaus behandelt.

"Von Normalität sind wir noch weit entfernt. Das Unglück ist immer wieder ein Thema. Auch wenn die Behinderten individuell sehr verschieden mit dem Erlebten umgehen", sagt Ergotherapeutin Bea Mayer. Sie arbeitet mit 15 schwerst-mehrfach Behinderten im Förderbereich der Werkstatt. Die zwei Gruppen haben nach dem Unglück ihre vorübergehende Bleibe in den Räumen eines Altenheims nahe der ausgebrannten Werkstatt gefunden. "Für den Übergang ist diese Lösung prima. Mittelfristig wollen wir wieder zurück. Aber die Stimmung ist unterschiedlich. Wir brauchen noch Zeit."

Welle der Solidarität

Die meisten der rund 100 Werkstattarbeitsplätze von Titisee-Neustadt wurden ins 15 Kilometer entfernten Löffingen verlegt. Ein Industriebetrieb, der schon lange mit der Behindertenwerkstatt zusammenarbeitet, bot Räume an, die die Caritas zunächst für sechs Monate zu günstigen Konditionen mieten konnte. Bestimmte Zulieferungsarbeiten können derzeit aber wegen am Übergangsstandort fehlender Maschinen nicht übernommen werden.

Insgesamt löste die Katastrophe eine Welle der Solidarität aus. Mehr als 150.000 Euro Spenden gingen ein. Gelder, die nach Angaben der Caritas ausschließlich und unbürokratisch den Angehörigen der Opfer zugute kommen. Etwa für psychologische Hilfen.

Der Caritas-Vorstand suchte den Kontakt zu den betroffenen Familien. "Wir haben mit allen gesprochen und waren auf allen Beerdigungen", berichtet Wienandts. Wichtig sei es auch gewesen, die psychologische Hilfen für die Behinderten aufzustocken: "Der erste Schock ist vorbei. Aber von einer vollständigen Aufarbeitung sind wir noch weit entfernt."


Quelle:
KNA