Bonifatiuswerk: "Willkommenstasche" für Flüchtlinge

Willkommenskultur gestalten und leben

Die meisten Deutsche verurteilen die Stimmungsmache gegen Zuwanderer und wollen gegensteuern. So auch das Bonifatiuswerk, das eine "Willkommenstasche" initiierte, wie Generalsekretär Monsignore Georg Austen domradio.de erklärte.

"Willkommenstaschen" des Bonifatiuswerks / © Patrick Kleibold, Bonifatiuswerk
"Willkommenstaschen" des Bonifatiuswerks / © Patrick Kleibold, Bonifatiuswerk

domradio.de: Sie haben in Berlin eine neue Willkommensinitiative vorgestellt. Was genau umfasst diese Initiative?

Monsignore Georg Austen: Die Willkommensinitiative ist in den Rahmen unserer Diaspora-Aktion im November eingebettet. Im November eines jeden Jahres findet ja der Diaspora-Sonntag statt. Der steht in diesem Jahr unter dem Motto "Keiner soll alleine glauben - damit der Glaube Früchte trägt". Die Willkommenskultur ist eine Frucht des Glaubens. Dadurch, dass momentan viele Flüchtlinge und Zuwanderer kommen, bekommt die Frage der Willkommenskultur noch einmal eine eigene Dynamik und Herausforderung. Als wir diese Initiative geplant haben, war das noch gar nicht so in Sicht. Es ging vielmehr insgesamt um Neuankommende in unseren Gemeinden. Das können Zugezogene, Arbeitssuchende, Flüchtlinge oder Migranten sein. Wir stellen uns die Frage, wie wir dann mit diesen Menschen umgehen. Eine Frucht unseres Glaubens ist es, Menschen willkommen zu heißen, ihnen eine Heimat zu geben und ihnen zur Seite zu stehen. Das ist für mich auch ein Kennzeichen unserer christlichen Gemeinden.

domradio.de: Ein Teil der Initiative ist die "Willkommenstasche". An wen wollen Sie die verteilen? Was soll drin sein? 

Monsignore Georg Austen: Wir vom Bonifatiuswerk verteilen die Taschen nicht selber. Man kann sie bei uns bestellen. Die Tasche ist letztendlich ein kleiner Mosaikstein und soll mit vielen anderen Materialien ein Vehikel sein. Auf der Tasche steht in verschiedenen Sprachen "Willkommen" drauf.  Man kann sie - ebenso wie ein Impulsheft über den Diaspora-Sonntag - im Internet abrufen. Wir möchten gerne ermutigen, auffordern und initiieren, sich in unseren Gemeinden zu überlegen, wie man eigentlich mit der Willkommenskultur umgeht. Wichtig ist, dass man so eine Tasche nicht per Post schickt, sondern dass man eine Begegnung von Mensch zu Mensch anstrebt. Man soll den Menschen, die eine Heimat suchen, ein Zeichen geben, dass man sie willkommen heißt und mit ihnen ins Gespräch kommen möchte. Wir hören von unterschiedlichen Kulturen und Lebensgeschichten. Diese Willkommenstasche ist sozusagen ein Grundstock, die man individuell weiter ausstatten kann. 

domradio.de: Bibeln und Gottesdienstpläne sind auch in der Willkommenstasche drin. Da sind wohl eher christliche Flüchtlinge die Zielgruppe. Unter den Menschen, die aus Nordafrika und Nahost zu uns kommen, sind aber besonders viele Moslems. Was ist mit denen, wie wollen Sie die willkommen heißen?

Monsignore Georg Austen: Wir stellen fest, dass oftmals viele Christen in unsere Gemeinden kommen, denen wir Hilfe vermitteln wollen. Die Tasche ist so neutral gehalten, dass man reingeben und rausnehmen kann, was einem selber wichtig ist. Das können auch Informationen über die Stadt sein. Wir haben auch ein Willkommensgebet, dass man gemeinsam aufgreifen kann. Zudem ist beispielsweise ein kleiner Zollstock drin, ein Schlüsselanhänger als Fisch oder ein Gottesdienstplan. Die Menschen können selber entscheiden, wie sie die Tasche weiter gestalten wollen, wir möchten nur den Anreiz setzen und Hilfen geben.

domradio.de: Das heißt, man könnte die Bibel rausnehmen und den Koran reinlegen?

Monsignore Georg Austen: Ich persönlich würde nicht den Koran verteilen, aber man kann die Bibel rausnehmen. Wir haben in diesem Jahr ein Heft "Kirche im Kleinen" zu Fragen und dem Dialog mit dem Islam gemacht. Diese Broschüre können Gemeinden bei uns zum Diaspora-Sonntag bestellen, um eine eigene Vergewisserung des Glaubens zu haben und um in ein Gespräch eintreten zu können. 

domradio.de: In der Diskussion dieser Tage klingt es oft so, als sei die Zuwanderung vor allem eine Belastung oder eine Zumutung für die Bürger. Was entgegnen Sie dem?

Monsignore Georg Austen: Ich bekomme schon mit, dass es in vielen Orten für die Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen sehr belastend ist, mit der Situation umzugehen. Diese zeigen ein ganz tolles Engagement, für das man nur überaus dankbar sein kann. Aber die Lage ist nicht ausschließlich eine Zumutung. Das kann ich mit der Situation in Nordeuropa vergleichen, wo wir als Bonifatiuswerk ja auch unterstützen. Dort leben teilweise 80 bis 90 verschiedene Nationen in einer Gemeinde. Da möchten wir gerne versuchen, bei allen Problemen, die die Situation mit sich bringt, einen Perspektivwechsel zu erwirken und das Ganze als Bereicherung zu sehen. Man kann sich mit anderen Lebensweisen, anderen Kulturen und auch Glaubenszeugnissen auseinandersetzen. Trotz aller Probleme, die ich auch in Schweden, Norwegen oder Island erlebe, leben die Gemeinden als Weltkirche und man feiert sozusagen jeden Sonntag Pfingsten. Man darf die Lage bei uns also nicht als Zumutung sehen. Ich entgegne auch denjenigen, die von Zumutung sprechen, dass wir ein Ebenbild Gottes sind. Jeder Mensch ist willkommen. Den Stammtischparolen und der Stimmungsmache müssen wir entgegentreten und sagen, dass wir ein anderes Bild, eine andere Wertschätzung und Respekt haben. Für Menschen in Not braucht man einen Blick. Man kann nicht Gott am Menschen vorbei lieben. Da sind wir herausgefordert, und das sind eine Chance und eine Aufgabe für uns zugleich.

Das Interview führte Hilde Regeniter

 

 


Quelle:
DR