Heße: Keine gemeinsame Basis mit der "Schulgenossenschaft"

Warum der Erzbischof die Gespräche abbrach

Das Erzbistum Hamburg und die Initiative "Hamburger Schulgenossenschaft" werden nicht zusammenarbeiten. Fünf Schulen werden geschlossen. Im Interview erklärt Erzbischof Heße, warum die Verhandlungen gescheitert sind.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, warum haben Sie sich dafür entschieden, die Gespräche mit der Initiative "Hamburger Schulgenossenschaft" abzubrechen?

Stefan Heße (Erzbischof von Hamburg): Ich habe mir in der letzten Woche den Rat der diözesanen Gremien und auch der schulischen Gremien eingeholt. Sie haben sich mehrheitlich gegen eine Zusammenarbeit mit der Initiative entschieden.

Außerdem haben wir das Konzept der Genossenschaft mit Experten geprüft. Am Ende muss ich feststellen, dass die Ziele, die wir in einem Workshop am 5. Mai vereinbart hatten, nicht erreicht worden sind und dass es keine Basis gibt, auf der wir eine Zusammenarbeit wagen können.

Ich möchte die Schulen keinem Risiko aussetzen, sondern die katholische Schullandschaft in Hamburg weiter nach vorne bringen.

KNA: Warum ist das Konzept der Initiative in Ihren Augen nicht tragfähig?

Heße: Es gab beispielsweise auf der juristischen Seite unterschiedliche Auffassungen. Aber auch der pädagogische Ansatz und schulorganisatorische Aspekte spielen eine Rolle, zum Beispiel wie viele Kinder in einer Klasse sind.

Und es gibt kein tragfähiges Finanzierungskonzept. Letztlich sind es verschiedene Gründe, die zu meiner Entscheidung geführt haben.

KNA: Warum bedurfte es dieser zähen, mehrmonatigen Verhandlungen, um zu dieser Entscheidung zu kommen?

Heße: Wir hatten uns eine ziemlich große Sache vorgenommen. Es gibt bislang kein vergleichbares Projekt, in dem die Kirche mit einer Genossenschaft zusammenarbeitet. Ich bin dankbar, dass wir in die Gespräche mit der Initiative gegangen sind. Es waren ernste, harte und tiefgehende Verhandlungen.

Wir haben bis zum Schluss versucht, eine Lösung zu finden, mussten aber feststellen, dass es doch schwieriger ist als gedacht.

KNA: Einige Medien behaupten, nicht Sie hätten am Ende entschieden, sondern Generalvikar Ansgar Thim und seine Verwaltung. Haben Sie sich bei Ihrer Entscheidung unter Druck setzen lassen?

Heße: Ich habe die Dinge abgewogen, habe sie in die Beratung gegeben und festgestellt, dass es einen hohen Konsens gibt, zwischen den Voten der Gremien, der Expertise von externen wie internen Beratern und der bischöflichen Verwaltung.

Ich finde, ein so hohes Maß an Stimmigkeit ist ein gewichtiges Argument. Wir sind im Konsens zu dieser Entscheidung gekommen.

KNA: Dass das Finanzierungskonzept der Initiative noch nicht ausgereift war, haben inzwischen mehrere Experten bestätigt. Aber hätte man nicht gemeinsam daran weiter arbeiten können, dass es am Ende tragfähig wird?

Heße: Wir hatten mit der Initiative vereinbart, bis zum 5. Juli Klarheit zu schaffen. Für viele Menschen war das mit Hoffen und Bangen verbunden. Eine solche Zeitspanne kann nicht auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Die Entscheidung musste jetzt fallen.

KNA: Wie erklären Sie Ihre Entscheidung den betroffenen Schülern, Eltern und Lehrern, die weiter um die Existenz ihrer Schulen bangen?

Heße: Ich bin mir bewusst, dass die Betroffenen mit ihren Schulen verbunden sind und die Schließungen für sie emotional belastend sind. Übrigens sind sie das auch für mich. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich habe selber in den letzten Wochen eine emotionale Kurve durchlebt, weil ich große Hoffnungen auf die Initiative gesetzt hatte.

Mir ist wichtig, dass wir versuchen, ins Gespräch zu kommen, die laufenden Gespräche weiter zu vertiefen und für die drei Standorte, für die wir Moratorien ausgesprochen haben, weiter nach Lösungen zu suchen.

KNA: Es gilt also weiterhin die Entscheidung von Januar, dass fünf Schulen mit Sicherheit geschlossen werden und drei gerettet werden könnten?

Heße: Ja. Hoffnung habe ich für den Süderelbe-Raum, also für die zwei Katholischen Schulen in Harburg und Neugraben, und für die Entwicklung des Sophiencampus, wodurch die Schließung der Domschule und Franz-von-Assisi-Schule teilweise kompensiert werden könnte.

Diese Pläne standen in den letzten Wochen auf einem Nebengleis, weil die Verhandlungen mit der Genossenschaftsinitiative alle Kräfte gebunden haben. Ich habe der Schulabteilung bereits den Auftrag gegeben, über den Sommer mit aller Kraft daran weiterzuarbeiten. Ich hoffe, dass uns viele Menschen zu Hilfe kommen.

KNA: Gibt es schon konkrete Angebote?

Heße: Es gibt Angebote und Ideen, aber die sind noch nicht so belastbar, dass ich über sie sprechen könnte.

KNA: Bis wann soll über die drei Schulen endgültig entschieden werden?

Heße: Ich hoffe, dass wir nach dem Sommer klarer sehen.

KNA: Vor einiger Zeit waren hochrangige Vertreter der vatikanischen Bildungskongregation bei Ihnen zu Gast, um sich über die Situation der katholischen Schulen zu informieren. Was ist das Ergebnis dieser Gespräche?

Heße: Die beiden Mitglieder der Bildungskongregation haben mir im Gespräch gesagt, dass sie das Konzept des Erzbistums für plausibel halten und unsere Pläne nachvollziehen können. Sie haben mir einige Ideen an die Hand gegeben, etwa um Netzwerke zu knüpfen. Geld haben sie leider nicht für uns.

KNA: Die Schulschließungen sind Teil einer größer angelegten wirtschaftlichen Konsolidierung des Erzbistums. Wie zuversichtlich sind Sie, dass dieser Prozess gelingt, ohne weitere Proteste hervorzurufen?

Heße: Im Bereich der Schulen haben mir viele Menschen schon im Vorfeld gesagt, dass ihnen klar ist, dass es zu Veränderungen kommen muss. Auch in anderen Bereichen rechnen viele Menschen mit Veränderungen. Wenn sie konkret werden, sieht das natürlich immer noch einmal etwas anders aus.

Das Feld der Schulen ist sehr sensibel, weil es um die Zukunft junger Menschen geht. Außerdem ist die finanzielle Lücke hier besonders groß. Deswegen hoffe ich, dass es in den anderen Bereichen anders läuft.

Für unsere Immobilien plant gerade eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Gemeinden, Priester und der Verwaltung ein Konzept. Die Gründung des neuen Diözesancaritasverbands ist bereits gelungen. Wir haben noch viele Baustellen im Erzbistum, die wir anpacken müssen. Nichts zu tun, wäre die falscheste aller Alternativen.

KNA: Kann das Erzbistum diesen Prozess aus eigener Kraft stemmen oder braucht es auf lange Sicht einen Finanzausgleich unter den deutschen Diözesen, wie er von einigen Seiten gefordert wird?

Heße: Zunächst einmal muss das Erzbistum alle Anstrengungen unternehmen, um diese Probleme zu lösen. Die aktuellen Schwierigkeiten hängen vielleicht auch mit der Jugendlichkeit unserer Diözese zusammen. Nichtsdestotrotz habe ich mich von Anfang an für einen diözesanen Finanzausgleich eingesetzt. Ich bin froh, dass er mittlerweile auf der Agenda der Bischofskonferenz steht.

Vor der Umsetzung sind aber noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Zum Beispiel ist die Frage nach der Vergleichbarkeit zwischen den Diözesen zu stellen. Außerdem ist zu überlegen, in welcher Form ein solcher Ausgleich stattfindet. Wir stehen bei dem Thema noch ganz am Anfang.

Von Michael Althaus


Erzbischof Stefan Heße / © Julia Steinbrecht (KNA)
Erzbischof Stefan Heße / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Hamburger Schulgenossenschaft": Nikolas Hill, Martin Helfrich, Franziska Hoppermann, Christian Bernzen (l.-r.) / © Daniel Bockwoldt (dpa)
"Hamburger Schulgenossenschaft": Nikolas Hill, Martin Helfrich, Franziska Hoppermann, Christian Bernzen (l.-r.) / © Daniel Bockwoldt ( dpa )
Quelle:
KNA