Dresdens Altbischof Joachim Reinelt wird 85 Jahre alt

Volksnah mit Eigensinn

Joachim Reinelt hat 24 Jahre lang als Bischof die katholische Diözese Dresden-Meißen geprägt und wurde dafür geschätzt. Nun wird der volksnahe und aus Schlesien stammende Seelsorger 85 Jahre alt.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Bischof em. Joachim Reinelt / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof em. Joachim Reinelt / © Harald Oppitz ( KNA )

"Meine Zeit als Priester und Bischof ist für mich Leben mit Gott und tausenden Freunden", resümierte Joachim Reinelt in diesem Sommer zu seinem diamantenen Priesterjubiläum. Von 1988 bis 2012 leitete er das Bistum Dresden-Meißen und hilft dort immer noch tatkräftig in der Seelsorge mit. Am 21. Oktober feiert der "rüstige Rentner" seinen 85. Geburtstag.

In seinen 24 Amtsjahren als Diözesanbischof gab Reinelt sich nie als Kirchenfürst. Der gebürtige Schlesier ist ein volksnaher und bodenständiger Seelsorger. Zu seiner Offenheit und Unkompliziertheit kommen auch Hartnäckigkeit und Eigensinn hinzu. Es sind Eigenschaften, die den Katholiken im Osten Deutschlands halfen, die Diktaturen von Nationalsozialismus und DDR-Sozialismus zu überstehen.

Selbstbewusst den Glauben in die Gesellschaft tragen

Herausragend war für ihn die Zeit der friedlichen Revolution 1989 und der Wiedervereinigung. Als besondere Herausforderung habe er die Aufbauzeit nach 1990 erlebt mit vielen neuen Kirchbauten, der Errichtung von fünf katholischen Schulen sowie der Stabilisierung der Pfarrgemeinden, so beschreibt es Reinelt rückblickend.

Unermüdlich mahnte er, dass die ostdeutschen Katholiken nun selbstbewusst ihren Glauben in die Gesellschaft tragen sollten: "Wir müssen uns doch nicht verstecken!" Aber auch Jahrzehnte nach der "Wende" beobachtet er, dass die "alten Ängste" durch die DDR-Prägung bei vielen noch fortwirkten.

Nach Wiedervereinigung viele Christen in der Politik

Zugleich warnte Reinelt im vergangenen Jahr nüchtern vor einer Überbewertung der Rolle der katholischen Kirche in der DDR bei der friedlichen Revolution: "Wir dürfen nicht sagen: Das war unsere Planung, unsere Organisation, unser Einsatz. Das stimmt nicht. Alle Schritte, die sich ereignet haben, sind uns zugespielt worden." Dass die Menschen, die die DDR verlassen wollten, sich damals in Kirchen versammelten, habe daran gelegen, dass schlichtweg nur die Kirchen solch einen geschützten Raum bieten konnten.

Nach der Wiedervereinigung hätten dann überdurchschnittlich viele Christen Verantwortung in der Gesellschaft übernommen: "Es gab eine Lust unserer Leute, in die Politik einzusteigen - Jahrzehnte hatten sie das ja nicht gedurft", so Reinelt. "Dass so viele Christen in politische Spitzenämter im Osten gekommen sind, lag sicher auch daran, dass viele Wähler sich dachten: Das sind die, die nicht bei den Kommunisten mitgemacht haben."

Atmosphäre der Freiheit im Priesterseminar 

Als Reinelt nach dem Abitur ab 1955 Theologie in Erfurt und Neuzelle studierte, erfuhr er im Priesterseminar nach eigenen Worten eine bis dahin nicht gekannte Atmosphäre der Freiheit. Von seinen akademischen Lehrern beeinflusste ihn vor allem der Neutestamentler Heinz Schürmann, eine der prägenden Gestalten in der katholischen Kirche in der DDR. Er war es auch, der den jungen Studenten noch vor dem Mauerbau in West-Berlin in Kontakt mit der aus Italien stammenden Fokolar-Bewegung brachte. Dieser geistlichen Gemeinschaft ist Reinelt seither in besonderer Weise verbunden.

Nach seiner Priesterweihe 1961 war Reinelt Seelsorger in Gera, Freiberg, Ebersbach, Dresden und Altenberg. 1986 wurde er Caritasdirektor des Bistums, zwei Jahre später ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof. Reinelts bischöflicher Leitspruch "Jesus in medio" lehnt sich an das Wort Jesu "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" an. Darin kommt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass sich Kirche mitten in der Welt bewähren muss.

Wie andere Altbischöfe geriet aber auch Reinelt in den vergangenen Jahren in die Kritik für seinen Umgang mit Missbrauchsfällen während seiner Amtszeit. Betroffene berichten dabei sowohl von guten Gesprächen als auch von Enttäuschungen.

Wunsch nach neuem Schwung in der Kirche

Reinelts unstrittigen Beitrag zu den guten Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Freistaat hatte Sachsens damaliger Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) bei dessen Verabschiedung als Bischof im Jahr 2012 gewürdigt. Die "sehr wertvollen Gespräche" mit dem Bischof seien für ihn Anregungen gewesen, Positionen "nochmals zu überdenken". Hohes Lob zollte zudem Sachsens evangelische Landeskirche für ein "herzliches und unkompliziertes Miteinander", an das Reinelts Nachfolger problemlos anknüpfen konnten.

Im Ruhestand beobachtet Reinelt eine zunehmende "Müdigkeit der Menschen im Wohlstand", die ihn betrübt: "Es würde mich überraschen und sehr freuen, wenn wieder Schwung in unsere Kirche im Bistum Dresden-Meißen und in die Kirche generell käme." Dazu wünscht er sich mehr Forschheit: "In dieser Welt muss eine heilige Frechheit gepflegt werden." Das komme an. "Und dann kommen auch die Fragen und die Gegner und der Austausch miteinander."


Blick auf die Hofkirche in Dresden / © Anton Kudelin (shutterstock)
Blick auf die Hofkirche in Dresden / © Anton Kudelin ( shutterstock )
Quelle:
KNA
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