Marienbild in Jeans provoziert

"Ein ganz großer Schatz"

Eine Frau in Jeans, daneben ein Mann ohne T-Shirt – Das Altarbild zur Himmelfahrt Mariens in St. Clemens in Drolshagen sorgt für Aufregung. Zu modern? Darf das? Fest steht, es ist eine Chance, wieder über den Glauben ins Gespräch zu kommen.

Das neue Altarbild in Kirche St. Clemens in Drolshagen sorgt für reichlich Gesprächsstoff. / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Das neue Altarbild in Kirche St. Clemens in Drolshagen sorgt für reichlich Gesprächsstoff. / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

DOMRADIO.DE: Leute aus der Gemeinde sagen, so was Modernes passt nicht. Und der Pfarrer sagt, die Darstellung passt, weil Maria ja erst einmal eine ganz normale Frau aus dem Volk war. Was sagen Sie?

Hartwig Trinn (Diplom-Theologe und Kunstexperte): Ich glaube, dass die Darstellung sicherlich passt, weil Maria zu allen Zeiten immer auch im Stil ihrer Zeit dargestellt ist. Ob sie gotische Madonnen nehmen, barocke Madonnen. Leider ist so unsere religiöse Sehfähigkeit abgerissen, sodass wir da mit unseren Sehgewohnheiten vielleicht irgendwie im 19. Jahrhundert stehen geblieben sind.

Das ist das Moderne, was es halt ebenso ungewohnt macht. Dass das Bild nicht jedem gefällt, das ist völlig natürlich. Kunst muss auch nicht jedem gefallen und muss auch nicht gefällig sein.

DOMRADIO.DE: Welche Chancen bietet denn jetzt so eine moderne Marien-Darstellung?

Trinn: Also ich glaube, eine Chance liegt schon darin, was wir in den letzten Tagen da in Drolshagen erlebt haben. Dass Menschen wieder über den Glauben und über Kunst miteinander ins Gespräch kommen.

Dieses Bild mit der Aufnahme Mariens in den Himmel hat ja zwangsläufig auch mit der Auferstehung Jesu zu tun. Beides lässt sich nicht voneinander trennen. Und über solche zentrale Dinge im Glauben, sich Gedanken zu machen, das finde ich erst einmal gut.

DOMRADIO.DE: Jetzt könnte man ja aber auch sagen, dass zum Beispiel der Apostel Thomas oberkörperfrei dasteht, ist eine Provokation. Braucht es solche Provokationen auch in moderner Kirchenkunst?

Trinn: Ich weiß gar nicht, ob Thomas Jessen mit seiner Kunst provozieren möchte. Da bin ich mir gar nicht sicher. Aber ich glaube schon, dass Kunst, wenn sie denn zur Diskussion anregen soll, einfach nicht so glatt sein darf, dass man drüber hinweggeht.

DOMRADIO.DE: Nachdem jetzt dieses Bild in der Gemeinde so kontrovers diskutiert worden ist, sind mehrere Veranstaltungen dazu geplant. Auch Sie sind bei einer dabei. Worum wird es da gehen?

Trinn: Ich finde diese Person des ungläubigen Thomas schon enorm interessant, der zweifelt, der bei der Auferstehung nicht dabei ist, dem man alles erklären muss, der irgendwie sich mit seiner Verkopftheit selber im Weg steht und in der Marienlegende mit der Gürtelspende geht es ihm ja genauso.

Und mein Gedanke ist, dem etwas nachzugehen, ob denn nicht der Zweifel irgendwie dazugehört zum Glauben, dass man sagen kann, ich bekomme erst einen gefestigten Glauben, wenn ich auch gesund zweifeln kann. Das ist die These.

DOMRADIO.DE: Und wie soll es jetzt mit dem Bild weitergehen, wenn sich da die Geister daran scheiden? Soll es hängen bleiben?

Trinn: Natürlich soll das Bild hängen bleiben. Ich glaube, dass, wenn man denn wirklich versucht, dieses Bild zu erklären und den Menschen, die die Kirche besuchen, dieses Bild nahebringt, es ein ganz großer Schatz ist, der da in der St. Clemens Kirche in Drolshagen hängt.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR