Bielefeld setzt Preisgeld für Beweis der Nichtexistenz aus

Einer Verschwörungstheorie auf der Spur

Bielefeld? Gibt es gar nicht! Diese "Verschwörungstheorie" hält sich schon seit vielen Jahren. Nun lockt die Stadt mit der Aktion "#Bielefeldmillion" Menschen, die die Nichtexistenz beweisen sollen. Und das bei einer so lebendigen Kirche vor Ort.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Kennen Sie die Entstehungsgeschichte der Verschwörungstheorie eigentlich?

Pfarrer Norbert Nack (Gemeinde St. Jodokus in Bielefeld): Ganz genau kenne ich sie nicht. Ich weiß nur, dass die Geschichte vor 25 Jahren entstanden sein soll und irgendein Student sie im Usenet, einem Vorläufer des Internet, veröffentlicht hat.

DOMRADIO.DE: Und was einmal im Internet steht, kriegt man nicht mehr weg. Die Geschichte ist wohl damals auf einer Studentenparty entstanden, auf der eine Person aus Bielefeld kam, und kein Mensch die Stadt kannte. Auf der Rückfahrt ist der Student, der die Geschichte später ins Internet gestellt hat, auf der Autobahn tatsächlich an der Ausfahrt Bielefeld vorbeigefahren und die war durchgestrichen. Es hat 25 Jahre gedauert, bis die Stadt jetzt mal so eine große Aktion macht. Warum macht die das?

Nack: Zum einen, um das Sommerloch etwas zu stopfen, und zum anderen hat es Bielefeld ja wirklich geschafft, relativ unbekannt zu bleiben. Es weiß keiner, wie toll eigentlich Bielefeld ist. Und vielleicht geht es jetzt ein bisschen in die andere Richtung.

DOMRADIO.DE: Was ist denn so toll in Bielefeld?

Nack: Wir sind eine Großstadt mit einem guten kulturellen Angebot. Wir haben zum Beispiel eine der besten Turnhallen Deutschlands, die Rudolf-Oetker-Halle, mit einem hervorragenden Konzertangebot. Und als katholische Kirche sind wir auch nicht so schlecht aufgestellt.

DOMRADIO.DE: Sind Sie eigentlich in Bielefeld geboren?

Nack: Nein, ich komme aus Paderborn und bin seit sechs Jahren in Bielefeld. Als ich hier relativ neu war, da sagte ich, dass zwischen Paderborn und Bielefeld nicht nur die Senne liege, sondern auch noch die zweite Liga. Denn damals war Paderborn in der ersten und Bielefeld in der dritten. Das kam dann nicht so gut.

DOMRADIO.DE: Trotzdem sind Sie wahrscheinlich mittlerweile ganz gut angekommen und integriert in Bielefeld, oder?

Nack: Sofern man das in Ostwestfalen in dieser kurzen Zeit überhaupt hinkriegt. Da unterscheiden wir uns ja doch sehr vom Rheinland.

DOMRADIO.DE: 53.000 Katholiken leben in dem nicht existenten Bielefeld. Was charakterisiert denn das katholische Leben bei Ihnen?

Nack: Wir sind Diaspora. Das heißt, wir machen etwa ein Sechstel der Gesamtbevölkerung aus. Diaspora-Katholiken sind aber Katholiken, die ganz gut zusammenhalten, die so ein Wir-Gefühl entwickeln, auch wenn sie sich nicht unbedingt jeden Sonntag treffen, aber einmal im Monat oder einmal im Jahr: Wir sind St. Jodokus, oder: Wir sind Heilig Geist.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn auch Projekte, die es sonst so nicht gibt?

Nack: Wir haben so einige pastorale Projekte. Einmal das Citykloster mit einem city-pastoralen Schwerpunkt. Das geht auf den Geist von Madeleine Delbrêl zurück, eine Mystikerin, die die Stadt und die Straße als Kloster propagiert hat. Wir in St. Jodokus sind ursprünglich ein Franziskanerkloster gewesen und diese Klostertradition hat man da ein wenig aufgegriffen. Das heißt, es gibt in dem Citykloster die Möglichkeit, mitten in der Stadt eine Auszeit zu nehmen. Es gibt einige Gästezimmer, dazu eine Begleitung, wenn man möchte, und einen Klosterladen. Es gibt verschiedene Gebetsangebote und jeden Tag ein Mittagsgebet hier in der Kirche.

Ein anderes Projekt ist das Projekt "gast+haus" in einem Pfarrhaus in Bielefeld-Schildesche. Dort versuchen ein Priester und eine Gemeindereferentin in einem mehr oder weniger offenen Pfarrhaus, Dinge anzubieten oder auch pastoral anders zu gestalten. Ehe- oder Firmvorbereitung beispielsweise. Es gibt Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten, etwa in der Druckerei einer Zeitung. Und es werden besondere Leute eingeladen, 2015 war beispielsweise Gunter Gabriel dort.

DOMRADIO.DE: Wenn wir nun doch noch eine Chance auf die eine Million Euro haben wollen, die man erhält, wenn man beweisen kann, dass es Bielefeld nicht gibt, haben Sie einen heißen Tipp für uns?

Nack: Ich würde es komplett anders herum machen. Ich würde einfach Bielefeld besuchen, wahrnehmen. Denn Bielefeld gibt es und Bielefeld ist toll. Und das ist mehr wert als eine Million.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Blick über Bielefeld / © W.Milz (shutterstock)
Quelle:
DR