Kirchliche Privatschulen in Deutschland – eine Inspektion

Begehrte Adressen

Die Ferien stehen vor der Tür. Für das Erzbistum Hamburg wohl nur eine kurze Atempause. Es will bis zu acht Schulen schließen. Der Protest dagegen zeigt: Kirchliche Schulen bleiben gefragt. Vier Beispiele aus vier Regionen.

Autor/in:
Joachim Heinz
Erzbistum Hamburg schließt katholische Schulen / © Emily Wabitsch (dpa)
Erzbistum Hamburg schließt katholische Schulen / © Emily Wabitsch ( dpa )

Was verbindet TV-Entertainer Stefan Raab mit dem ehemaligen Innenminister Thomas de Maiziere und Sänger Thomas Quasthoff? Sie alle besuchten kirchlichen Privatschulen. Auffälliger ist etwas anderes: Während sich die Kirchen in in vielen Bereichen der Gesellschaft auf dem Rückzug befinden, bleiben sie im Bildungswesen eine feste – und gefragte – Größe. Und das nicht nur für Kinder aus christlichem Elternhaus.

An dem vom Jesuitenorden geführten Aloisiuskolleg in Bonn etwa sind von den derzeit 735 Schülern rund 33 Prozent Nicht-Katholiken, darunter viele Konfessionslose – Tendenz steigend. Manche dieser Eltern und Schüler nähmen die angebotene religiöse Option auf Lebenssinn sozusagen in Kauf, sagt Direktor Manfred Sieburg. "Frei nach dem Motto: Eine Schulmesse kann nicht schaden." Die Mehrheit der Eltern sieht das aber anders und im neuen Schulprogramm steht es schwarz auf weiß: Rund 90 Prozent von ihnen findet es gut, dass das christliche Leben und der Glaube feste Bestandteile im Schulalltag sind. Das allein ist jedoch kein Selbstläufer, wissen die Verantwortlichen.

Für Entlastung sorgen

Die Konkurrenz in Bonn ist groß – ein Erbe aus alten Hauptstadtzeiten. Hinzu kommt, dass das "AKO" als eine von drei Jesuitenschulen nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche bundesweit in den Schlagzeilen stand. Heute bemüht sich das Kolleg um umfassende Aufarbeitung und Prävention und gibt sich nach den Worten von Sieburg selbst Regeln für den respektvollen und achtsamen Umgang aller miteinander. Das werde auch von den Eltern potenzieller Neuschüler so wahrgenommen. Beim Internat seien die Zahlen dagegen seit Jahren rücklaufig.

"Trotzdem wollen wir alle daran festhalten", sagt der Direktor. Ein Internat sei ein wichtiges und zeitgemäßes Angebot für Elternhäuser, die durch die zunehmende Entgrenzung von Arbeitszeit immer stärker unter Druck gerieten – da könne ein derartiges außerschulisches Erziehungs- und Betreuungsangebot für die nötige Entlastung sorgen.

Erähnt seit 1225

Am Andreanum in Hildesheim wurde das Internat vor längerem geschlossen. Tradition wird trotzdem großgeschrieben. Erstmals erwähnt wurde die "Andreasschule" 1225, die Geschichte reicht vermutlich noch weiter zurück. Dazu passt, dass das Fundament des Schulgebäudes zu Teilen auf der alten Stadtmauer gründet. Gemäß der Schulordnung von Johannes Bugenhagen aus dem Jahr 1544 bekannte sich die Schule zu den Grundsätzen der Reformation. Heute befindet sie sich in Trägerschaft der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover. Der Lateinunterricht ist für alle Schüler verbindlich, als Wahlpflichtfach wird unter anderem Altgriechisch angeboten. Zudem legt die Schule Wert auf musische Bildung.

Wie bei anderen kirchlichen Privatschulen auch ruht der Betrieb des Andreanums auf drei Säulen: den Eigenmitteln des Trägers, der staatlichen Refinanzierung sowie dem Schulgeld: monatlich 50 Euro für das erste und 40 Euro für das zweite Kind – alle weiteren Kinder sind beitragsfrei. Einstweilen, so der stellvertretende Schulleiter Heinz-Friedrich Bringewatt, sei die Finanzierung gesichert. Das unterscheidet das Andreanum von den bis zu acht Schulen des Erzbistums Hamburg, denen aktuell die Schließung droht.

Erweiterungsbau in Planung

In Hildesheim wollen sie stattdessen expandieren. Derzeit ist ein Erweiterungsbau für 6,5 Millionen Euro in Planung. Vor einigen Jahren richtete die Schule Inklusionsklassen ein, in denen bis zu fünf Schüler mit Förderbedarf beim Lernen oder in der geistigen Entwicklung sitzen. Drei Sonderpädagogen sind dafür eingestellt. "Das wollen wir weiterentwickeln", sagt Bringewatt. Trotzdem steht er immer noch im Raum: der Vorwurf, kirchliche Privatschulen würden hauptsächlich ohnehin schon privilegierte Eliten fördern.

In einem der Brennpunktviertel von Leipzig hat sich das katholische Maria-Montessori-Schulzentrum etabliert. Es vereint Grundschule, Oberschule und Gymnasium unter einem Dach und hat Platz für 850 Schüler. Vier- bis fünfmal so viele Bewerber wie freie Plätze gibt es alljährlich an der Schule in Trägerschaft des Bistums Dresden-Meißen – obwohl knapp 80 Prozent der Bevölkerung konfessionslos sind. "Der größte Teil sagt: Wir haben so viel Gutes gehört, dass die Kinder hier gut aufgehoben sind", sagt Schulleiter Sebastian Heider.

Leichter und unkomplizierter

Nur eine weitere Schule mit religiösem Profil gibt es in der Region: das ebenfalls in Leipzig ansässige Evangelische Schulzentrum. Beide Einrichtungen setzen auf das Konzept, alle Schulformen unter einem Dach zu vereinen. "Zwischen den Schulformen zu wechseln ist für die Schüler bei uns deutlich leichter und unkomplizierter als an staatlichen Schulen", so Heider.

Von der christlichen Diaspora im Sachsen ins katholische Bayern: Auch in Lenggries arbeiten verschiedene Schulformen, Realschule und Gymnasium, eng zusammen – allerdings nur für Mädchen. An diesem Konzept, das auch in der Ordenstradition der Schulen begründet sei, wolle man festhalten, wie Schulleiterin Stefanie Scheja von der St.-Ursula-Mädchenrealschule erläutert. Die Realschule agiert eigenständig vom ebenfalls nach der heiligen Ursula benannten Gymnasium in direkter Nachbarschaft.

Katholische Schule? Ja!

Entscheidender Vorteil des geschlechtergetrennten Unterrichts sei, dass sich sowohl Mädchen unter sich als auch Jungen unter sich besser und freier entfalten können und ihre jeweiligen Kompetenzen besser zur Geltung kämen, zum Beispiel im naturwissenschaftlichen Bereich oder im Sprachunterricht, sagt Scheja. Das belegten auch wissenschaftliche Studien.

Braucht es im weitgehend noch katholischen Bayern aber eine katholische Schule? Ja, findet die Schulleiterin. Kirchliche Schulen leisteten einen wichtigen Beitrag zur Werteerziehung und seien deswegen ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft – unabhängig davon, wie katholisch geprägt eine Gegend sei.

Rund 450 Schülerinnen besuchen derzeit die Realschule, die sich wie das Gymnasium in Trägerschaft des Erzbistums München-Freising befindet. Das idyllisch im Isartal gelegene Schulgelände des einstigen Schlosses Hohenburg gäbe eine ideale Kulisse für eine "Hanni und Nanni"-Verfilmung ab. Aber das wäre dann auch wieder nur ein Klischee. Und statt eines Internats gibt es auf dem Schloss neben einem umfangreichem Kursangebot auch ein Tagesheim - mit Mittagsverpflegung in der Mensa, Hausaufgabenbetreuung und Freizeitangeboten am Nachmittag.


Quelle:
KNA