"Entmythologisierung der Geschichte des Ruhrbistums"

Gründungsauffassung ein Mythos

Für eine "Entmythologisierung der Geschichte des Ruhrbistums" hat sich der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer ausgesprochen. Die vor 60 Jahren für die Bergleute und Industriearbeiter gegründete Diözese könne stolz sein auf ihre besondere Identität und ihr "Wir-Gefühl".

Klaus Pfeffer / © J.Schröer (DR)
Klaus Pfeffer / © J.Schröer ( DR )

Ein "Aber" fügte Pfeffer aber direkt an. Das Ruhrbistum sei nicht das ursprünglich geplante Arbeiterbistum geworden. "Natürlich hat es was davon gehabt, aber nicht nur", sagte Pfeffer und plädierte für eine differenzierte Bewertung. Die Diözese sei durch die sehr bodenständigen Menschen im überwiegend städtischen Milieu des Ruhrgebiets geprägt worden.

Dennoch sei es eine Illusion zu glauben, dass die Arbeiterschaft in die Kirchen gelaufen sei. Als ein Mythos habe sich auch die Auffassung von Gründerbischof Franz Hengsbach erwiesen, die Leute kämen schon zur Kirche, wenn man in ihrem Wohnviertel nur eine Kirche baue.

"Atmosphäre der Angst"

Pfeffer rief auch zu einer "Entmythologisierung" Hengsbachs auf. Er habe dem Ruhrbistum ein Gesicht gegeben. Aber als junger Theologiestudent habe er selbst die "Atmosphäre der Angst" verspürt, die vom älter werdenden Bischof ausgegangen sei. Sie seien damals angehalten worden, gegenüber dem Bischof nicht den Eindruck eines zu modernen Menschen zu vermitteln. Solch großen Persönlichkeiten wie Hengsbach könne man historisch nur gerecht werden, wenn man auch über ihre Ambivalenzen rede.

Der Generalvikar äußerte sich bei der Vorstellung des Buches "Mythos Ruhrgebiet - Identitätsfindung, Innovation und Erstarrung im Bistum Essen 1958-1970". In der Dissertation nimmt der Kirchengeschichtler Franziskus Siepmann die ersten Jahrzehnte der seit 1. Januar 1958 existierenden Diözese in den Blick.

Späterer Autoritätsverlust

Laut Siepmann wurde Hengsbach als "großer visionärer Bischof" wahrgenommen. Er habe etwa mit Grubenfahrten das Bild der Diözese geprägt sowie Arbeitgeber- und -nehmer an einen Tisch gebracht. Mit seinem Nein zur künstlichen Empfängnisverhütung habe er dann aber an Autorität verloren. So habe sich die Reformgruppe "Essener Kreis" gegründet.

Der Bochumer Kirchenhistoriker Wilhelm Damberg dankte dem Bistum Essen für die Öffnung seines Archivs. Es gebe für keine andere deutsche Diözese eine vergleichbare Arbeit, die "so direkt und reflektiert" ihre Nachkriegsgeschichte darstelle.

Das Bistum Essen steht im Jubiläumsjahr vor großen Sparanstrengungen. Die inzwischen 42 Großpfarreien sollen bis 2030 rund die Hälfte ihrer Ausgaben einsparen. Damit verbunden ist die Frage, welche Kirchen und Gemeindegebäude erhalten oder aufgegeben werden.


Quelle:
KNA