Vor 25 Jahren starb der Jesuit Johannes Leppich

Bildreich und ordinär - das "Maschinengewehr Gottes"

Drastische Rhetorik ist nicht nur ein Phänomen unserer Tage. In den 1950er und 60er Jahren war Pater Johannes Leppich berühmt und berüchtigt für seine kernigen Sprüche. Vor 25 Jahren verstummte das "Maschinengewehr Gottes".

Autor/in:
Birgitta Negel-Täuber
Johannes Leppich / © N.N. (KNA)
Johannes Leppich / © N.N. ( KNA )

Schreien, wüten, beleidigen - Johannes Leppich war bekannt für markige, mitunter auch verletzende Worte. Wann immer sich der äußerlich unscheinbare Ordensmann im schwarzen Priesteranzug auf der Laderampe eines LKWs vor dem Mikrofon positionierte, konnte er sicher sein, dass ihm Tausende zuhörten. In den 1950er und 60er Jahren kamen die Menschen von weither angereist, um den Pater predigen zu hören.

Vor 25 Jahren, am 7. Dezember 1992, starb der bekannteste Jesuit Deutschlands und Mitbegründer der Telefonseelsorge. Der 1915 in Ratibor geborene Priester mit dem oberschlesischen Tonfall kam aus bescheidenem Milieu: Sein Vater war Aufseher im Zuchthaus, gelegentlich nahm er den Sohn mit zum Dienst. Seiner Herkunft verdankte er wohl den Blick für soziale Nöte. Zeitlebens fühlte er sich den Arbeitern und Ausgegrenzten zugehörig. In seinen Ansichten war er radikal - "roter Pater" und "schwarzer Goebbels" nannten ihn seine Gegner.

Vergleich mit Goebbels

Der Vergleich mit Goebbels lag nahe angesichts seiner sich überschlagenden Rhetorik; "rot" war Leppich indes nie. Im Gegenteil, schon vor 1933 war er in der Hitlerjugend aktiv; später trommelte er bei seinen Predigten gegen die Gefahren des Kommunismus.

Die Wende zur Kirche leitete sein Religionslehrer ein. Der war es leid, sich mit seinem wortgewandten Schüler über Politik zu streiten und empfahl ihm geistliche Exerzitien. Leppichs Kommentar: "Ich bin aus der Hitlerjugend direkt umgestiegen in den Jesuitenorden."

Die Not der Menschen erlebte er hautnah

Während seines Studiums der Theologie und Philosophie war er als Ordensangehöriger vom Wehrdienst befreit. Nach dem Krieg arbeitete er als Seelsorger, betreute Flüchtlinge im Übergangslager Friedland und war Gefängnisseelsorger. Die Not der Menschen erlebte er hautnah; sie bestimmte seinen weiteren Lebensweg. Denn Leppich verstand sich als Missionar: materieller Mangel und die religiöse Dürre seiner Mitmenschen trieben ihn gleichermaßen um.

Leppich zog die Massen an, wie es heute kaum vorstellbar ist. Höhepunkt war ein Auftritt vor 40.000 Zuhörern in Fulda. Oft wurde er mit US-Prediger Bill Graham verglichen; den Spitznamen "Maschinengewehr Gottes" hörte er durchaus gern. Seine Wortwahl war bildreich und ordinär - weit entfernt von sonst üblichen Predigten.

Drastische Rhetorik

Seine drastische Rhetorik setzte er bewusst ein, denn: "Ich muss an ein Publikum heran, das keinen Weihrauch mehr riechen kann." Auch sonst war er in der Wahl seiner Methoden nicht zimperlich. So lieferte er sich einen heftigen Kleinkrieg mit einer Schulleiterin, die sich im Religionsunterricht über seine "Gossensprache" aufgeregt hatte. Leppich war das zu Ohren gekommen; er versuchte die Lehrerin aus dem Amt zu mobben, allerdings vergeblich.

Der Jesuit wetterte gegen "religiöse Blindschleichen" und "verfettete Kirchgänger". Auch die "Bestie Sexualität" war ihm ein Dorn im Auge. Legendär war sein Auftritt auf der Reeperbahn 1963, wo er männliche "Raubritter" und weibliche "Schlampen" anprangerte. Überhaupt sei Deutschland der "Schweinestall Europas". Aus heutiger Sicht wirken seine Auffassungen mitunter skurril und weltfremd. "In einem Kuss haucht ein Mädchen seine Seele aus," meinte er allen Ernstes. Sein großes Vorbild war Spanien - in Sachen Sittenstrenge wie in politischer Hinsicht. Leppich war erklärter Bewunderer des Diktators Franco.

Die Armut trieb ihn um

Neben seiner rastlosen Arbeit als Wanderprediger setzte der Pater auch auf nachhaltige Strategien. Dabei war er offen für ökumenische Zusammenarbeit: die von ihm gegründete "action 365" gibt es heute noch. Tägliche Bibellektüre und die Zusammenarbeit in Basisgruppen sind der Kern dieser Bewegung. Auch die Schilder am Ortseingang, die in vielen Städten auf Gottesdienstzeiten hinweisen, sind Ergebnis der "action 365". Daneben organisierte Leppich die Sammlung von Sachspenden; die Armut trieb ihn um.

Mit seiner Gesundheit trieb er bei alledem Raubbau; nach einem Herzinfarkt 1971 wurde es ruhiger um ihn. Die Massenauftritte stellte er ein, predigte aber noch in Kirchen. Seine letzten Jahre verbrachte Leppich im Altersheim der Jesuiten in Münster, wo er auch starb.


Quelle:
KNA