Winzer-Schwester Thekla Baumgart über klösterlichen Weinbau

"Wir hoffen auf einen goldenen Oktober"

Das Klosterweingut St. Hildegard in Rüdesheim ist das einzige von Ordensfrauen geführte Weingut Deutschlands. Für dieses Jahr hoffen die Benediktinerinnen noch auf einen guten Jahrgang, wie Betriebsleiterin Schwester Thekla Baumgart erzählt.

Ein Wegekreuz an einem Weingarten / © Felix Kästle (dpa)
Ein Wegekreuz an einem Weingarten / © Felix Kästle ( dpa )

KNA: Schwester Thekla, wie wird der Jahrgang 2016? Erwarten Sie ein gutes Weinjahr?

Sr. Thekla: Das wird noch spannend, weil es in den letzten Monaten ja sehr heiß und dann auch wieder sehr feucht war. Deshalb konnten sich Krankheiten wie Oidium und Peronospora sehr gut ausbreiten. Jetzt hängt viel davon ab, wie der Oktober wird. Wenn er trocken wird, könnte das sicher ein guter Jahrgang werden. Wir hoffen auf einen typischen goldenen Oktober.

KNA: Was macht für Sie einen guten Wein aus?

Sr. Thekla: Er muss einfach gut schmecken. Er sollte die Idee widerspiegeln, die der Winzer im Kopf hat: Wenn zehn Winzer aus einem Weinberg Wein produzieren würden, dann können zehn verschiedene Weine dabei entstehen. Jeder Winzer bringt etwas von seinem Charakter und seiner Vorstellung eines guten Weines mit ein. Und wenn man das bei den Weinen eines Weingutes spürt, dann sind das gute Weine.

Für mich muss ein Wein ehrlich sein, das heißt: Man muss die Jahrgangsunterschiede gut rausschmecken können; es müssen klare, saubere Weine sein. Ehrlich ist ein Wein auch, wenn man keine chemischen Zusatzstoffe reinrührt, um die Weine fruchtiger oder dicker wirken zu lassen - das alles macht nach benediktinischen Vorstellungen einen guten Wein aus.

Weingut wurde immer weiter ausgebaut

KNA: Wie kam es dazu, dass die Benediktinerinnen in Rüdesheim-Eibingen Wein anbauen?

Sr. Thekla: In der Regel des heiligen Benedikt, nach der wir ja leben, gibt es ein Kapitel über die Handarbeit der Mönche. Darin steht: "Erst dann sind sie wahre Mönche, wenn sie von ihrer Hände Arbeit leben". Das heißt: Jedes Benediktinerkloster muss seinen eigenen Lebensunterhalt erwirtschaften. Man überlegt natürlich in der Region, wo das Kloster ist, womit man Geld verdienen kann. Bei uns im Rheingau bietet es sich einfach an, dass ein Kloster Weinbau betreibt wie auch die Zisterzienser in Eberbach. Als unser Kloster im Jahr 1900 gegründet wurde, hatten die ersten Schwestern einen Weinberg dabei - ein Hektar, er liegt vor unserem Kloster, von einer Mauer umgeben. Er war eigentlich dazu gedacht, dass die Mitschwestern ihren eigenen Messwein produzieren konnten.

Aber im Lauf der Zeit hat sich herausgestellt, dass das eine Einnahmequelle für das Kloster sein kann. Und so wurde das Weingut immer mehr ausgebaut. Längst ist ein Wirtschaftsbetrieb daraus geworden, der einen Teil zu unserem Lebensunterhalt beiträgt. Für Benediktiner ist auch typisch, dass sie als Kulturträger in großem Stil Dinge noch perfektioniert und weiter erforscht haben - auch den Weinbau.

KNA: Wein wird in der Bibel an mehr als 600 Stellen erwähnt. Wie kommt es, dass dieser besondere Saft so im Fokus steht?

Sr. Thekla: In Israel, zur Zeit der Entstehung der Bibel, wurde einst auch Weinbau betrieben; und immer, wenn man etwas praktisch tut, kann das zum Nachdenken anregen und fließt in die Schriften ein, die in den Epochen entstehen. Die Bibel spricht viel in Bildern, etwa das Bild vom Weinstock und den Reben. Jesus Christus hat zudem den Wein als Symbol für sein Leben eingesetzt: Der Wein, der gekeltert wird und eine Wandlung durchmacht durch die Gärung und dann zu etwas Neuem wird, ist auch ein Symbol für das Leben von Jesus Christus. Durch Leiden, Tod und eine Verwandlung ist er auferstanden zu neuem Leben.

Bilder hinken natürlich immer, aber der Mensch braucht auch etwas Bildlich-Greifbares, für Dinge, die man mit Worten schlecht erklären und sich kaum vorstellen kann.

"Wein kann auch ein Bild für Gott sein"

KNA: Kann man Gott auch im Wein erleben?

Sr. Thekla: Wein schafft Verbindung; insofern kann er auch ein Bild für Gott sein. Denn Gott ist kein Wesen, das alleine und abgehoben über uns schwebt; er lebt schon durch die Dreifaltigkeit in Beziehung. Und so kann auch der Wein, wenn er mit Sinn und Verstand und in Maßen genossen wird, Beziehung schaffen. Und wenn Menschen einander wirklich begegnen, ist das auch ein Raum, wo Gott gegenwärtig wird.

KNA: "Der Wein erfreut des Menschen Herz", heißt es in der Regel des Benedikt. Genehmigen Sie und Ihre Mitschwestern sich auch mal ein Gläschen von Ihren edlen Tropfen?

Sr. Thekla: Bei uns gibt es jeden Sonntag - außer in der Advents- und Fastenzeit - für jede ein Glas Wein und auch, wenn wir einen besonderen Feiertag haben oder eine Mitschwester Geburtstag hat. Aber so, dass es in Maßen geschieht und nicht jeden Abend die Flasche auf dem Tisch steht. Denn Wein ist etwas Besonderes, ein Luxusgut, deshalb soll er besondere Tage auszeichnen, sonst wird er zu etwas Gewöhnlichem und Alltäglichen. Wer wie ich in einem Weingut arbeitet, der muss natürlich die Weine probieren, damit er den Kunden beratend zur Seite stehen kann. Denn der Wein verändert sich auch in der Flasche, deshalb muss man ihn auch öfter mal kosten. 

KNA: Und was ist Ihr persönlicher Favorit?

Sr. Thekla: Wir haben die sogenannte Klosteredition, das sind die besten Spätlesen - trocken, halbtrocken, mild - eines jeden Jahres in einer besonderen Flasche mit einem besonderen Etikett. Dieses zeigt einen Ausschnitt aus der Miniatur "Die Chöre der Engel" von Hildegard von Bingen. Darunter ist der sogenannte Benediktus - eine Riesling Spätlese feinherb - mein Favorit. Denn ich liebe beim Riesling dieses harmonische Zusammenspiel zwischen Süße und Säure, eben nicht zu trocken und nicht zu mild.

Das Interview führte Angelika Prauß.


Quelle:
KNA