Spekulationen um neues Buch von Kardinal Müller

Hohe Erwartungen an Papstschreiben

Hohe Erwartungen knüpfen sich an das postsynodale Papstschreiben zur Familie. Auch ein neues Buch von Kardinal Müller gerät in den Sog der Spekulationen.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Die Abschlussmesse der Bischofssynode / © Ettore Ferrari (dpa)
Die Abschlussmesse der Bischofssynode / © Ettore Ferrari ( dpa )

Am 8. April erscheint das mit Spannung erwartete Papst-Dokument zu den beiden Familiensynoden. Es hat den Rang einer Apostolischen Exhortation, eines päpstlichen Lehrschreibens, und trägt den Titel "'Amoris laetitia' (Freude der Liebe), über die Liebe in der Familie". Papst Franziskus hat den rund 200-seitigen Text schon am 19. März unterzeichnet, um ihn symbolisch dem Festtag des heiligen Familienvaters Josef zu widmen.

Noch ist das Dokument geheim, das Ende nächster Woche bei einer Pressekonferenz im Vatikan vorgestellt wird, unter anderem vom Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Aber schon seit Wochen spekulieren Medien und Öffentlichkeit, gestützt auf allgemein gehaltene Äußerungen einiger Bischöfe, ob Franziskus neue Wege ermöglicht oder zumindest Raum für Sonderregelungen lässt, oder ob alles bleibt wie bisher. Im Vordergrund stehen dabei die synodalen Streitthemen: Der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen sowie mit Homosexuellen. Da Franziskus einen sehr langen Text vorlegt, dürfte letztlich jeder darin irgendwo seine eigene Position bestätigt sehen.

Laien wünschen sich Reformimpulse

Nach Ansicht des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sollten Reformimpulse für das kirchliche Leben ausgehen: "Wir erhoffen uns eine größere Annäherung zwischen der pastoralen Praxis, die längst schon anders läuft, und dem Lehramt", sagte ZdK-Präsident Thomas Sternberg am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Derzeit gebe es eine "unglaubliche Diskrepanz" zwischen kirchlicher Lehre und dem Leben vieler Christen.

Konkret sprach sich Sternberg für eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zum Kommunionempfang aus. Über diese Frage könnten auch die nationalen Bischofskonferenzen entscheiden; es handle sich nicht um ein dogmatisches Problem, über das nur in Rom befunden werden könne. Die Einheit der Kirche bleibe auch bei größerer Autonomie auf regionaler Ebene gewahrt, so Sternberg. "Davon abgesehen zieht sich das Miteinander von Einheit und Vielfalt durch die gesamte Kirchengeschichte."

Zugleich betonte der ZdK-Präsident, es gehe dem Katholikenkomitee nicht darum, die Unauflöslichkeit der kirchlichen Ehe infragezustellen: "Einfach Schwamm drüber kann es nicht sein." Aber auch für eine neu eingegangene Partnerschaft müsse die Kirche zeitgemäße seelsorgliche Zugänge finden. Er, so Sternberg, habe die Hoffnung, "dass die Papstbotschaft generell Fragen von Ehe und Familie neu in den Fokus stellt".

Neues Buch als Leseschlüssel?

Nun gelangten in diesen Tagen auch Äußerungen des aus Deutschland stammenden Präfekten der Glaubenskongregation in den Spekulationsstrudel um das Synodenpapier. "Wie Kardinal Müller den Papst neu (oder: auf neue Weise) liest", überschrieb der italienische Vatikan-Korrespondent Sandro Magister seinen Blog-Eintrag über ein neues Buch des Kurienchefs. Er wählte aus dem 260-seitigen Text fünf Aussagen zu fünf strittigen Synodenthemen wie Homosexualität, Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene oder Frauenpriestertum.
"Punkt für Punkt" zeige Müllers Exegese, dass die Worte von Franziskus zu Missverständnissen führten, schreibt Magister im Vorspann. Er suggeriert, das Buch sei gleichsam eine Leseschlüssel zum anstehenden Dokument des Papstes.

Dabei ist das auf Spanisch erschienene Buch Müllers mit dem Titel "Informe sobre la esperanza" (Bericht über die Hoffnung) viel breiter gefasst. Er widmet sich einem großen Spektrum von aktuellen Glaubensfragen, die weit über das Thema Familie hinausgehen. Gewählt hat Müller die Form eines Interviews - mit dem spanischen Journalisten Carlos Granados. Diese Form hatte auch sein Vorgänger Joseph Ratzinger mehrfach benutzt, angefangen mit seinem 1985 erschienenen "Rapporto sulla fede" (Bericht über den Glauben).

Müller: Papstworte aus dem Kontext gerissen

In vier großen Kapiteln widmet sich Müller den Erwartungen an Christus, an die Kirche, an die Familie und an die Gesellschaft. Als Schlüssel zum Verständnis erscheint dabei der Begriff Barmherzigkeit.
Müller geht aber auch auf manche Missverständnisse um Papst-Äußerungen ein. Der Satz "Wer bin ich, ihn zu verurteilen" (bei seinem ersten Journalistengespräch während eines Flugs im Juli 2013) sei vielfach aus dem Kontext gerissen worden, um "verdrehte Ideen zur Sexualmoral zu präsentieren", so der Kardinal. Franziskus habe mit diesem Satz seinen Respekt vor der Würde der menschlichen Person bekundet. Aus dem Menschenbild der Bibel ergäben sich "einige unumgängliche moralische Ansprüche, aber gleichzeitig auch ein unbedingter Respekt gegenüber der homosexuellen Person".

Weiter warnt Müller, die Papst-Äußerung fehlzudeuten, die Eucharistie sei ein großzügiges Heilmittel für die Schwachen und keine Belohnung der Vollkommenen. Der Empfang der Kommunion setze den Stand der Gnade, die Gemeinschaft in der Kirche und auch ein geordnetes Leben innerhalb dieser Kirche voraus, so der Präfekt der Glaubenskongregation. Die Bekehrung sei nicht nur eine Gnade Gottes, sondern setze auch die freie Entscheidung des Betreffenden voraus.

Es würde zu kurz greifen, das Interview-Buch Müllers - das demnächst auch auf Deutsch erscheint - einfach als Lesehilfe oder theologische Ausdeutung des päpstlichen Synodendokuments zu verstehen. Es ist eine Fundgrube für Aussagen zu Glaube und Kirche aus katholischer Sicht. Rückschlüsse auf den Inhalt des Synoden-Dokuments lassen sich freilich daraus nicht ableiten.


Quelle:
KNA