Bischöfe beraten in Fulda über Zukunft des Religionsunterrichts

Der Grundwasserspiegel des Glaubens sinkt

Zu einem mutigen Glaubenszeugnis hat Kardinal Woelki die Katholiken aufgerufen. Gottes Reich zu verkündigen, sei Lebensaufgabe, betont der Berliner Erzbischof. Heute beraten die Bischöfe bei ihrer Herbstvollversammlung darüber, wie sich der Glaube an junge Menschen vermitteln lässt. Insbesondere geht es um die Zukunft des Religionsunterrichts.

Autor/in:
Christoph Arens
Religionsunterricht (KNA)
Religionsunterricht / ( KNA )

"Das Leben des Menschen wird zunehmend zu einem Spielball der Technik und unbeherrschbarer Mächte", sagte Kardinal Woelki am Mittwochmorgen in Fulda. Er predigte im morgendlichen Gottesdienst bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Präimplantationsdiagnostik, Bluttests zur Erkennung des Down-Syndroms bei Ungeborenen oder erleichterte Möglichkeiten beim Suizid zeigten, dass der Respekt vor dem menschlichen Leben in all seinen Formen nachlasse. Christen sollten demgegenüber im Namen Jesu Leben schenken, Kranke heilen und Sterbende pflegen.



Mit Blick auf das vom Papst ausgerufene und im Oktober beginnende "Jahr des Glaubens" appellierte der Kardinal an die Christen, Müdigkeit, Mutlosigkeit und Weltangepasstheit zu überwinden und mit Taten und Worten die Liebe Gottes zu verkünden.



Mit Blick auf das "Jahr des Glaubens"

"Die Kirche lebt, und sie ist jung." Ob bei seinem Deutschlandbesuch im vergangenen Jahr oder beim Weltjugendtag 2005: Papst Benedikt XVI. hat immer wieder Zehntausende von Jugendlichen zu Gottesdiensten mobilisiert und zu Begeisterungsstürmen hingerissen.



Doch der Alltag sieht vielfach anders aus: Zwar ist das Bedürfnis nach Sinnfindung unter Jugendlichen in Deutschland groß, wie eine im Frühjahr veröffentlichte Sinus-Studie ermittelte. Doch in Westdeutschland stehen den beiden Kirchen gerade noch ein Drittel der jüngeren Generation aufgeschlossen gegenüber; im Osten ist es ein Zehntel. "Die Kirchen müssen aufpassen, dass sie nicht zu einer Randerscheinung im Leben der jungen Leute und damit langfristig in der Gesellschaft werden", so der Jugendforscher Klaus Hurrelmann. Ein ähnliches Bild ergab die letzte Shell-Studie von 2010: Danach können nur noch 54 Prozent der katholischen Jugendlichen als religiös bezeichnet werden - gegenüber 63 Prozent 2006.



Zugang zum Glauben schaffen

Der religiöse Grundwasserspiegel sinkt: Die Zahlen beschreiben einen seit Jahren schleichenden Prozesses, der bei den Kirchenoberen die Alarmglocken schrillen lässt. "Diese Entwicklung bereitet große Sorge", bekennt Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Es schmerze, "wenn immer weniger junge Menschen einen Zugang zum Glauben finden".



Der Draht zwischen Kirchen und Jugendlichen ist angeknackst. Bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda stellen sich die katholischen Bischöfen deshalb am Mittwoch die Frage, wie die Glaubensvermittlung an Kinder und Jugendliche verbessert werden kann. Besonders auf dem Prüfstand steht der Religionsunterricht in der Schule - Jahrzehnte lang nach dem Elternhaus der wohl wichtigste Ort der Glaubensweitergabe an die jüngere Generation.



Religionsunterricht in schweres Fahrwasser geraten

Doch er ist in schweres Fahrwasser geraten: auch durch rechtliche Regelungen in verschiedenen Bundesländern. Etwa in Berlin, wo Kardinal Rainer Maria Woelki jüngst mehr staatliche Hilfe forderte, "weil es das Fach aus Geldmangel sonst in zehn Jahren nicht mehr geben wird". In der Hauptstadt ist der Religionsunterricht kein ordentliches Fach, sondern neben dem Ethikpflichtfach ein freiwilliges Zusatzangebot, das staatlich bezuschusst wird. Allerdings sind die Landesmittel eingefroren. Das Erzbistum muss rund 4,8 Millionen Euro selbst aufbringen. In Brandenburg gibt es das Fach lediglich als kirchlichen Religionsunterricht in schulischen Räumen; es ist kein Bestandteil des Schulcurriculums.



Dass das Fach auch im Westen politisch unter Druck steht, zeigt etwa Schleswig-Holstein: Zur Debatte stand beim Landtagswahlkampf im Frühjahr der konfessionell gebundene Religionsunterricht. Die jetzige Regierungspartei Die Grünen forderte die Einführung eines konfessionsunabhängigen Religionsunterrichts.



Doch Veränderungsdruck gibt es auch durch den veränderten Umgang von Jugendlichen und Familien mit Religion. In Deutschland nehmen etwa 4 Millionen Jungen und Mädchen am katholischen Religionsunterricht teil. Ein riesiges Potenzial. "Doch eine wachsende Zahl macht kaum noch Erfahrungen mit gelebtem Glauben", konstatierten die Bischöfe bereits 2005 in einer Analyse. "Viele Schüler kennen weder Kreuzzeichen noch Vaterunser."



Auch die Elternhäuser geben wenige Anregungen: "Viele Eltern verzichten auf eine religiöse Erziehung, nicht nur weil ihnen der Glaube wenig bedeutet, sondern weil sie selbst unsicher und zunehmend religiös sprachlos geworden sind", sagte Erzbischof Zollitsch in Fulda.



Schwierige Voraussetzungen also für den Religionsunterricht, der zugleich religiöses Grundwissen vermitteln, den Glauben erlebbar machen und zur Schulung des Denkens in religiös- weltanschaulichen und ethischen Fragen beitragen soll. Und das in einer Zeit, in der immer mehr Bundesländer den Religionsunterricht kritisch sehen. Die Jugendlichen sollen über den Unterricht hinaus die Chance erhalten, religiöse Praxis einzuüben.