Gedanken zur Herbstvollversammlung

Post aus Fulda - Tag 2

Vier Tage lang kommen in Fulda die Deutschen Bischöfe zu ihrer traditionellen Herbstvollversammlung zusammen. Vier Tage voller abwechslungsreicher Themen. Vier Tage für domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen und seine Post aus der Bischofsstadt.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker

Es nieselt am zweiten Tag der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe in Fulda. Noch vor Sonnenaufgang weisen nur die hell erleuchteten Kuppelfenster im barocken Dom den Besuchern der Frühmesse den richtigen Weg. Schon eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes tönen aus den geöffneten Fenstern im Probenraum direkt neben dem Dom die aufgeweckten Stimmen des "JugendKathedralChores". Die jungen Sängerinnen und Sänger singen sich für Ihren großen Auftritt im Eröffnungsgottesdienst der Deutschen Bischofskonferenz schon einmal richtig warm. "Halleluja, Halleluja!" erklingt es, sofort abgekürzt durch den Domkapellmeister Franz-Peter Huber, der lautstark "weg" dazwischen ruft, um seinen Chor bei Takt 27 auf den richtigen Rhythmus einzuschwören. Eine halbe Stunde später stimmen die schweren Glocken des Doms in die junge Musik mit ein. Um sieben Uhr morgens ist die katholische Welt in Fulda in Ordnung.



Auch der Dom füllt sich jetzt langsam. Die Polizeibeamten in Bereitschaft können entspannt in Ihren Autos sitzen bleiben. Wer hier am frühen Morgen zum Gottesdienst kommt, hat auf jeden Fall gute Vorsätze und muss nicht zur Ordnung gerufen werden. In loser Reihenfolge ziehen die jungen Sängerinnen und Sänger in den Dom. Ihre frisch gestärkten weißen Kragen - einige Jungen sogar mit Krawatte - bringen Leben in den Kirchenraum.



Wenig später ziehen in Reih und Glied die 69 deutschen katholischen Bischöfe ein. Kreuzträger und Messdiener vorne weg, Domkapitel hinterher und dann paarweise die Männer im bischöflichen Violett. Ganz hinten in Kardinalsrot die Kardinäle und Erzbischöfe Meisner und Marx - und direkt dahinter als Abschluss mit dem Bischofsstab der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Der bemüht sich nach Kräften, die Freude des jüngsten Papstbesuches auf die versammelte Gemeinde zu übertragen. Nicht alle sind um diese frühchristliche Zeit schon so hellwach, wie es wünschenswert wäre. Bei der Predigt schließen manche, obwohl noch die Kameras der Presse laufen, behutsam ihre Augen. Vermutlich konzentrieren sich die Mitbrüder im bischöflichen Amt ganz auf die Worte ihres Vorsitzenden… Vielleicht aber, den Seinen schenkt es der Herr ja bekanntlich im Schlaf, erhalten sie gerade auch Zuspruch von ganz oben. Auszuschließen ist das an diesem heiligen und historischen Ort nicht.



Der Altarraum über dem Grab des Apostels der Deutschen, dem Heiligen Bonifatius, ist dicht mit Klerikern gefüllt. Eine Vorsängerin stimmt das "Halleluja" vor dem Evangelium am Ambo an. In den Reihen im Kirchenschiff, hinter den Bischöfen, ist die Frauenquote deutlich höher. Wer dort Platz genommen  hat, und das sind an diesem Morgen nicht wenige, der sieht die dicht geschlossenen Reihen der leitenden Kirchenmänner. Von hinten variieren nur die verschiedenen Bischofskreuzketten und die verschieden Grautöne der Haare das Bild. Männer wie der Trierer Bischof Ackermann, der trotzt seiner Zuständigkeit für die Fragen rund um den sexuellen Missbrauch noch keine grauen Haare hat, fallen hier richtig auf.



Auffällig ist auch die Musik. Das Eröffnungslied "Ein Haus voll Glorie schauet" ist hier allen bekannt. Aber die Musik zum Einzug - was war das denn? Zu hören war die Uraufführung des Komposition-Geschenks für Papst Benedikt XVI. - ein dreiminütiges Musikstück für Chor, Bläser, Pauken und Orgel. Zum Papstbesuch in Deutschland hatte die Bischofskonferenz den Wahlspruch Joseph Ratzingers zu seiner Priesterweihe vertonen lassen und ihm die Komposition geschenkt. Ratzinger, der 1951 in Freising zum Priester geweiht worden war, hatte den Primizspruch "Wir wollen ja nicht Herren über euren Glauben sein, sondern wir sind Helfer zu eurer Freude" gewählt. "Hier wird die Komposition der Deutschen Bischöfe uraufgeführt", diesen Satz aus einer Presseankündigung darf man sich ruhig auf der Zunge zergehen lassen. Das wäre ja mal was ganz Neues - alle Bischöfe komponieren in einmütiger Harmonie ein Stück für den Papst. Ein Einklang für immerhin drei Minuten - eine Harmonie der Musik nicht erst im Himmel, sondern schon hier auf Erden… Zu früh gefreut: "Die Komposition stammt von dem Eichstätter Domkapellmeister Christian Matthias Heiß, einem ehemaligen Regensburger Domspatzen", wird danach verraten.



Nach dem Gottesdienst grüßen acht alte Vinzentinerinnen freundlich hinüber zu den Bischöfen. Sie haben selbstbewusst auf den reservierten Reihen für die Theologische Fakultät Platz gefunden, diese ist vermutlich in ihrer Gänze noch nicht ausgeschlafen. Das sind aber viele Schülerinnen und Schüler des Marianum. Sie drücken den Altersschnitt der Gottesdienstbesucher enorm nach unten. Der Direktor der kirchlichen Schule hat den Besuch des Gottesdienstes auf den Stundenplan gesetzt. Der normale Unterrichtsbeginn verschiebt sich dementsprechend.  Eigentlich hätten alle Schüler auf Antrag schulfrei bekommen müssen, verrät der Pressesprecher des Bistums Fulda: "Aber die Zeitungen haben das natürlich nicht gebracht…" Morgens nach sieben ist offensichtlich nicht mal mehr in Fulda die Welt in gut katholischer Ordnung….